Rechtsprofessoren gegen Richtervereinigung
Tierschützerprozess: Rechtsstreit weitet sich aus
Der Streit zwischen Rechtsprofessoren und der Richtervereinigung geht weiter. Die Auseinandersetzung ist eine Folge des Wiener Neustädter Tierschützerprozesses. Jetzt stellt sich die Gewerkschaft der Universitätslehrer hinter die Professoren. Die Richtervereinigung bekräftigt ihre Vorwürfe.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 15.02.2011
Entsetzen und Bestürzung
Die Linzer Strafrechtsprofessorin Petra Velten hatte die Richterin des Tierschützerprozesses kritisiert und war dafür von der Richtervereinigung angezeigt worden. Hat die Professorin üble Nachrede oder gar Verleumdung verübt? Strafrechts- und Verfassungsexperten protestieren. Die Uni-Lehrer-Gewerkschaft ist entsetzt. Ihr Vizevorsitzender, der Universitätsprofessor Gert-Michael Steiner, zeigte sich bestürzt darüber, dass man in einem öffentlich diskutierten Prozess nach fachlich begründeter Kritik zu solchen Mitteln greifen müsse. Sollte die Kollegin um Rechtsschutz ersuchen, werde man sie mit allen Mitteln unterstützen. "Wenn nur von einer diktatorischen Obrigkeit angeschafft wird, was gedacht und geforscht werden kann, gibt es keine neuen Erkenntnisse mehr", so Steiner zur Bedeutung der Freiheit der Wissenschaft.
"Ich war schon etwas beunruhigt"
Die betroffene Strafrechts-Professorin Petra Velten über ihre Reaktion nach Bekanntwerden der Meldung an die Staatsanwaltschaft: "Ich war schon etwas beunruhigt und zwar nicht unbedingt, weil ich mein Verhalten für strafbar gehalten hätte." Ihr Vertrauen in die Justiz sei schon größer gewesen als zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Bei einer Verurteilung hätte die Strafrechtsprofessorin dienstrechtliche Nachteile zu befürchten, Velten rechnet allerdings "nicht ernsthaft" mit einer Verurteilung, die auch vor dem Europäischen Gerichtshof halten würde.
Laufende Kontrolle und Kritik
Die Professorin meint: Sachliche und rechtzeitige Kritik an einem Prozess müsse immer zulässig sein:"Öffentlichkeit im Strafprozess hat die Funktion, diesen Prozess laufend zu kontrollieren und zu kritisieren."
"Grenze des Zulässigen überschritten"
Der Chef der Richtervereinigung, Werner Zinkl, im Morgenjournal-Gespräch am 15.02.2011 mit Wolfgang Werth
Unterschiedliche Auffassungen
Der Chef der Richtervereinigung, Werner Zink, kontert, dass sich auch eine Vertreterin der Lehre der möglichen Folgewirkungen des Anscheins einer Beeinflussung bewusst sein müsse. Für Zinkl, selbst Strafrichter, habe Velten mit ihren persönlichen Angriffen auf die Richterin in einem laufenden Verfahren die Grenzen des Zulässigen überschritten. "Es war offensichtlich ihre Auffassung von zu richterlicher Unabhängigkeit eine andere als es die unsere ist", so Zinkl im Ö1 Morgenjournal-Interview.
"Ungewöhnliche Verhandlung"
Die Linzer Strafrechtsprofessorin Petra Velten hatte den Wiener Neustädter Tierschützerprozess in einem Interview mit der Kleinen Zeitung als "eine ungewöhnliche Verhandlung" bezeichnet, "die weit weg von einem rechtsstaatlichen Verfahren war." Velten kritisierte, dass das Verfahren nicht der Strafprozessordnung entsprochen habe: "Wenn das in mehreren Verfahren so läuft, so findet man nie heraus was passiert ist. Dann dient ein Prozess nur dazu, eine Anklage durchzubringen", so die Strafrechtsprofessorin.
Velten beschrieb im wissenschaftlichen Journal für Strafrecht ausführlich, warum sie zu diesem Schluss kam. Hauptkritikpunkt: Die Wiener Richterin habe die Verteidiger in ihrem Zeugenbefragungsrecht beschnitten. Es folgte eine Meldung der honorigen Richtervereinigung - der fast alle österreichischen Richter angehören - an die Staatsanwaltschaft.