EU-Parlament: Abstimmung über neue Kommission

In diesen Minuten stimmt das Europaparlament über die neue EU-Kommission von Jean-Claude Juncker ab. Um möglichst viele Stimmen zu gewinnen hat Juncker zuletzt noch einige geforderte Veränderungen bei der Ressortverteilung seiner Kommissare vorgenommen. So wird der umstrittene ungarische Kommissar die Kompetenz für Bürgerschaft entzogen. Und auch das geplante 300 Milliarden Euro Investitionsprogramm will Juncker vorziehen.

Jean-Claude Juncker

EPA/PATRICK SEEGER

Mittagsjournal, 22.10.2014

Barroso war gestern, jetzt gibt der langjährige Mister Euro, der Luxemburger Jean-Claude Juncker in der EU den Ton an - zumindest soweit die nationalen Regierungen der 28 das zulassen - aber klar ist, nach dem ziemlich blassen Portugiesen kommt ein Mann, der die EU und ihre Strukturen so gut kennt wie kaum ein anderer. Was ist vom künftigen Kommissionspräsidenten zu erwarten in einer Zeit, wo Krisenmanagement so sehr gefragt ist wie kaum zuvor: Stichwort Ebola, Ukraine-Konflikt, Vormarsch der sunnitischen IS-Extremisten und wo's drum geht die Wirtschaft endlich in Schwung zu bringen? Juncker kündigt an, das geplante 300 Milliarden Euro-Investitionsprogramm vorzuziehen und - um seine Wahl nicht zu gefährden - korrigiert Juncker noch ein letztes Mal bei der Ressortverteilung in seinem Team.

Mehrheit für Juncker

Das Europaparlament in Straßburg hat dann um 12.30 dem Gremium mehrheitlich die Zustimmung erteilt. Konservative, Sozialdemokraten und Liberale stimmten überwiegend für die neue Kommission, die damit plangemäß am 1. November die Kommission des derzeitigen Präsidenten Jose Manuel Barroso ablösen wird.

Bei 699 abgegebenen Stimmen votierten 423 der Mandatare bei der elektronischen und namentlichen Abstimmung für die Kommission des 59-jährigen. Bei 209 Nein-Stimmen gab es 67 Enthaltungen.

Ein neuer Stil kehrt ein in Europa - Jean-Claude Juncker verteidigt in seiner 50 Minuten dauernden Rede gewohnt eloquent und mehrsprachig seine Ziele - er wolle eine politische EU-Kommission mit klarer Zielsetzung anführen: Das ist Kommission der letzten Chance - entweder es gelingt uns Europa näher an die Bürger zu bringen oder wir haben versagt.

Deshalb habe für seine Kommission eine neue Architektur gewählt. Die Macht des Kommissionspräsidenten wolle er bewusst beschneiden, er sei der Verlierer der neuen Struktur, so Jean-Claude Juncker. Anstatt dessen sollen seine Vizepräsidenten mehr Gestaltungspielraum bekommen und die großen europäischen Projekte, wie die Energieunion oder Euro und Sozialer Dialog koordinieren. Bessere, effizientere Zusammenarbeit ist das Credo.

Um sich eine möglichst breite Zustimmung der EU-Abgeordneten zu sichern geht Juncker auf zahlreiche Forderungen ein - so verliert der umstrittene ungarische Kommissar Tibor Navracsics weiter an Einfluss. Ihm wird der Aufgabenbereich Bürgerschaft weggenommen, stattdessen wird er für Sport, Kultur, Jugend und Vielsprachigkeit zuständig sein. Weniger einflussreich kann ein Dossier kaum sein. Außerdem zieht Juncker das angekündigte 300 Milliarden Euro Investitionsprogramm vor. Bis Weihnachten werde er erste Pläne vorlegen. Den Kritikern des Freihandelsabkommens mit den USA verspricht Juncker, dass die umstrittene Investitionsschutzklausel nationale Gerichte nicht ausbremsen werde.

Politisch tritt Juncker entschlossen auf - gleichzeitig, und das unterscheidet ihn massiv von seinem Vorgänger Jose Manuel Barroso - gibt er sich menschlich, humorvoll. Als er über mehr europäische Integration, also einer Stärkung des Projekts Europäische Union spricht wendet er sich augenzwinkernd an die EU-Gegner im Plenum, die in solchen Momenten meist schlagartig den Saal verlassen: Oh, sie sind noch da?

Die EU-Gegner werden nicht für ihn stimmen, wie etwa Harald Vilmisky für die Fraktionslosen Abgeordneten festhält. Sehr wohl aber stehen die Europäische Volkspartei, in weiten Teilen die Europäischen Sozialdemokraten und auch die Liberalen für Juncker stimmen, für sie hält Sophia In 't Veld fest: Wir geben Ihnen heute zwar unsere Stimme aber das ist kein Blankoscheck für die nächsten 5 Jahre.