Hugo Portisch

APA/HELMUT FOHRINGER

Sondersendung

In memoriam Hugo Portisch

Politiker und Politikerinnen sowie Journalisten und Journalistinnen haben der Familie und den Freunden der Journalistenlegende Hugo Portisch, dessen Ableben im 95. Lebensjahr Donnerstagnachmittag bekanntgeworden war, kondoliert. Der ORF trauert um einen „seiner klügsten Journalisten, Analytiker des Weltgeschehens und einen der vehementesten Proponenten für einen reformierten Rundfunk“. Ö1 sendet aus diesem traurigen Anlass "Hugo Portisch, wie ihn kaum wer kennt" - Teil eins einer Trilogie. Eine Wiederholung eines Salzburger Nachtstudios vom 17.2.2021.

Ohne ihn wäre die Institutionalisierung des unabhängigen Journalismus als wichtige demokratiepolitische Kontrollinstanz jahrelang Chimäre geblieben, teilte der ORF mit. „Hugo Portisch war einer der bedeutendsten Journalisten in der Geschichte der Zweiten Republik und eine der prägendsten und wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte des ORF“, so ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Für Millionen Österreicherinnen und Österreicher sei er über Jahrzehnte der beste Vermittler von internationalen und historischen Zusammenhängen gewesen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Mit Hugo Portisch ist ein herausragender Österreicher von uns gegangen. Er wird eine große Lücke in unserem Land hinterlassen. Portisch war nicht nur Journalist, er war außerdem so etwas wie das ‚Geschichtsbuch‘ Österreichs“, so der Bundespräsident. „Seine Art zu berichten war packend und verständlich, ihm gelang die seltene Kunst, hochkomplexe Zusammenhänge klar und deutlich zu vermitteln.“

Hugo Portisch, wie ihn kaum wer kennt

Wie Hugo Portisch die Welt sah, aber auch sein eigenes Leben gemeistert hat, beleuchtet diese erste von insgesamt drei Ausgaben des Salzburger Nachtstudios, die sich seiner Person widmen. Basierend auf einem bislang unveröffentlichten 30-stündigen Gespräch, das der Salzburger Verleger Hannes Steiner vor einigen Jahren mit Portisch geführt und aufgenommen hat, schildert der 1927 in Preßburg (heute Bratislava) geborene und aufgewachsene Portisch unter anderem, wie es ihm kurz vor Kriegsende durch eine abenteuerliche Flucht quer durch ganz Böhmen gelungen ist , der Zwangsrekrutierung durch die SS zu entkommen, und er es bis ins ärmliche, aber freie Nachkriegsösterreich geschafft hat.

"Ich kenne Armut"

"Ich weiß wie man lebt, wenn man nur Lebensmittelkarten hat und sonst Nichts. Aber es hat mir nichts ausgemacht, denn ich hatte jeden Tag eine solche Freude am Leben zu sein und eine solche Freude, dass es keinen Krieg und keine Verfolgung gibt. Das war für mich wie ein Morgen- und Abendgebet: Freiheit - du kannst tun und lassen was du willst", erinnert sich Hugo Portisch.

Hugo Portisch erzählt wie er im Nachkriegswien als junger Journalist begann und beinahe in die USA ausgewandert wäre, wie er als junger Journalist 1950 zu einem Medienkurs in die USA eingeladen wird und dort u.a. die New York Times und die Washington Post von innen kennen lernt.

In der „School of Journalism “in Missouri erfährt er vom Dekan, dem bedeutenden Medienwissenschaftler Frank Luther Mott, grundlegende Prinzipien des Journalismus westlicher Prägung.

"Check, Recheck, Doublecheck"

"Die erste Grundvoraussetzung für einen Journalisten ist: die Wahrheit ist das Um und Auf. Nur wenn er mit all seinen Möglichkeiten versucht die Wahrheit herauszufinden, nur dann hat er ein Recht zu publizieren. Das war die erste Lektion. Das war das Motto: Check, Recheck, Doublecheck. Die Zweite: Wenn du glaubst es ist die Wahrheit musst du auch die andere Seite anhören, du musst wissen wie die andere Seite denkt. Nie darfst du eine Meldung nehmen, die du nur von einer Seite hörst. Und die dritte Lektion: Wenn es nicht sicher ist, wer im Recht ist, dann muss 'im Zweifel für den Angeklagten" gelten," erzählt Hugo Portisch.

Portisch berichtet wie er die Hintergründe des Staatsvertrags, des Prager Frühlings und vieler anderer weltgeschichtlicher Ereignisse kennenlernte, und teilt mit uns Ausschnitte seines Insiderwissens aus den Hinterzimmern von Politik und Medien.

So berät er 1991 Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) bei dessen Rede im Nationalrat zur Mitschuld Österreichs an den Verbrechen des Nationalsozialismus, ja mehr noch: Portisch schrieb die Rede.

"Soll ich es formulieren"

"Soll ich es formulieren, soll ich ihnen helfen? Ja, schreiben sie mir das. Daraufhin habe ich das geschrieben und er hat das wörtlich im Parlament als seine Rede gebracht. Die Rede ist großartig angekommen. In der ganzen Welt beachtet worden, als der Wendepunkt des Holocaust-Daseins Österreichs. Und alle Maßnahmen sind gemacht worden", erzählt Hugo Portisch.

Anfragen von SPÖ und ÖVP, ihn zum gemeinsamen Bundespräsidentschaftskandidaten zu machen, weist der Vollblutjournalist dankend zurück. Immer wieder hat er Angebote dieser beiden Parteien für politische Ämter erhalten und jedes Mal abgelehnt, denn Fraktionszwang und Parteidisziplin sind nichts für Hugo Portisch.

"ich werde doch nicht in einen politischen Job gehen"

"Um Gottes Willen, ein Mensch, der im freien Journalismus groß geworden ist, der die Politik immer kritisch betrachtet hat, weil es notwendig ist. Weil die Presse die Politik kritisch betrachten muss, sie ist ein Korrektiv für die Politik. In der Demokratie ist es wertvoll, dass die Presse die Politik kontrolliert und aufdeckt wenn etwas schief geht. Wenn der freie Journalismus nicht wäre, war würde da an Korruption, Proporz zusammenkommen. Also ich werde doch nicht in einen politischen Job gehen", sagt Hugo Portisch.

Tiefe Einblicke in das Leben und die Weltsicht eines österreichischen Ausnahmejournalisten: Hugo Portisch, wie ihn kaum wer kennt.

Gestaltung: Martin Haidinger, red, ORF.at/Agenturen