Vokalartistin und bunter Vogel

Die "chilenische Nachtigall"

März 1938 in Berlin. Temperamentvoll ist sie und "exotisch", gerade noch so, dass man sie mit Liedern aus Mexico, aus Brasilien, aus Chile ins Plattenstudio lässt. Nur Monate später ist sie ein Star und "die chilenische Nachtigall": Rosita Serrano.

"Domingo alegre" - der heitere Sonntag

"Roter Mohn", später und bis heute Rosita Serranos musikalische Visitenkarte, stammt schon aus ihrer kurzen weiteren Karriere als Schlager- und Revuefilm-Star im NS-Deutschland, die jäh endete, als bekannt wurde, dass Rosita Serrano mit ihren Einnahmen jüdische Flüchtlinge unterstützte. Davor und ganz am Anfang ihrer Karriere begeisterte die knapp über 20-Jährige ihr Publikum im Berliner "Metropol" und "Wintergarten" mit südamerikanischen Volksliedern - und Liedern, die wie Volkslieder klangen.

Vielfältig war ihre Palette: Sie konnte spontan sein, mitreißend, raffiniert, und sie machte ihren Vortrag zur emotionalen Hochschaubahn-Fahrt zwischen exaltierter Fröhlichkeit und tiefer Schwermut. Egal, ob es nun geschickt arrangierte Original-Lieder waren, bei denen sich Rosita Serrano gerne auch auf der Gitarre begleitete, oder ihre eigenen Kompositionen, oder Musik, die "à la…" von deutschen Komponisten verfertigt wurde: Man findet Chansonhaftes, Ausgelassenes, Todtrauriges, auch Stimm-Kunststücke, bei denen Rosita Serranos Koloraturen der "Pfeffer" sind.

Die große Karriere im NS-Deutschland

Maria Martha Esther Aldunate del Campo hieß sie in Wahrheit. Wo ihr Geburtsdatum stand, war "zufällig" ein Tintenfleck im Pass, und schon die mit einem Diplomaten verheiratete Mutter war in Chile ein Gesangsstar.

Sie machte Europatourneen, nahm die Tochter mit. Im Jahr 1937 wird es gewesen sein, dass die dann selbsternannte Rosita Serrano in Berlin ankam - und, temperamentvoll und zum hysterischen Gläserschmeißen neigend, Theaterdirektoren zu terrorisieren begann, überzeugt von ihrem Talent. Irgendwann schwand deren Widerstand, sie ließen die Hartnäckige auf die Bühne - und der Erfolg war da.

Aparter Akzent

Bald war Rosita Serrano auf Schallplatte, in Funk und Film allgegenwärtig, danach zog es sie auch noch auf die Sprechtheaterbühne. Dass ein fremdländischer Akzent bei alldem nicht störte, sondern sogar apart wirkte, führten ja viele vor: von Marika Rökk über Johannes Heesters bis Zarah Leander. Überhaupt Zarah: Michael Jary, ein Komponist, der viel mit ihr gearbeitet hat, schrieb bald auch Schlager für Rosita Serrano. Zufall?

Das sehnsüchtige In-die-Ferne-Schauen, wie oft bei der Serrano, findet sich auch in Liedern von Zarah Leander, und die von der Plattenfirma Telefunken unter Vertrag genommene und vermarktete Rosita Serrano verkörperte das Maximum an in der deutschen Hauptstadt rund um 1940 noch gebilligten Exotischen. Man ließ sie hier weiterhin ihre Erfolgsnummern aufnehmen, auch wenn diese keinen deutschen Text hatten.

Legendenumrankter Abschied

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird es oft gerüchteweise heißen, Rosita Serrano würde ihre Autobiographie veröffentlichen. Es kam nicht dazu. So wird auch immer noch darüber spekuliert, ob es persönliche Gründe waren, ein Nicht-mehr-Können, oder wirklich Spionage fürs "feindliche" Ausland, was sie 1943 in Nacht und Nebel nach Schweden fliehen ließ.

Ihre Karriere war damit jedenfalls zu Ende. In den 1950er Jahren sollten zwar noch Wiederanknüpfungs-Versuche in Deutschland folgen, der wirkliche Erfolg aber war Vergangenheit. Als Talkshow-Gast, der sein "Temperament" ausstellt, geisterte die Serrano noch spät durch die TV-Kanäle. Vor zehn Jahren, genau: am 6.April 1997, ist sie daheim in Santiago de Chile gestorben.

Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 15. April 2007, 17:30 Uhr

Link
Wikipedia - Rosita Serrano