Was blieb von den 68ern?

Fausts Fall

In seinem neuen Roman thematisiert Manfred Rumpl eine Diskussion, die zurzeit auch auf gesellschaftspolitischer Ebene geführt wird: Was ist von den Idealen der 68er-Generation übrig geblieben? Rumpl zeigt einen Menschen, dessen Sicherheiten weg brechen.

Manfred Rumpls Faust ist eine Person in der Schwebe. Sein Lehrauftrag an der philosophischen Fakultät der Universität wird nicht verlängert, die Beziehung zu Frau und Kind ist zerrüttet. Sein Mephisto heißt Paulus und dieser hat all das, was Faust abgeht. Er wird von den Studenten und dem Feuilleton geliebt und die Berufung zum Professor ist nur noch eine Frage der Zeit. Das ambivalente Verhältnis dieser beiden Männer zueinander ist einer der Hauptstränge des Romans.

Andere Zeiten

Dieser Faust ist ein Mensch, über den die Zeit hinweg gegangen ist. Er träumt von den 1960er Jahren, als Außenseitertum noch hieß, rastlos durch Amerika zu fahren und Drogen zu nehmen. Aber wie sang das Sprachrohr dieser Generation - Bob Dylan - schon damals: The Times they are a-changing. Und wirklich, die Zeiten haben sich verändert. Das was früher cool war, ist heute nur noch erbärmlich.

Manfred Rumpl zeigt einen Menschen, dessen Sicherheiten weg brechen. Alles, wofür er gelebt hat, alle seine Überzeugungen zählen nichts mehr. Rumpl thematisiert hier eine Diskussion, die zurzeit auch auf gesellschaftspolitischer Ebene geführt wird. Was ist von den Idealen und Hoffnungen der so genannten 68er-Generation übrig geblieben?

Das Leben im Griff

Die zwei Hauptfiguren des Romans stehen prototypisch für zwei Optionen, sein Leben zu leben. Paulus, der Gegenspieler von Faust, war früher auch einmal ein kritischer 68er, aber im Gegensatz zu Faust hat er den langen Marsch durch die Institutionen erfolgreich abgeschlossen. Faust hingegen ist noch immer Taxifahrer.

Auf den ersten Blick ist das eine klassische Konstellation - hier der, der seinen Idealen treu geblieben ist, dort jener, der sich verkauft hat. Hier der Sympathieträger, dort die verachtenswerte Kreatur. Rumpl lässt sich aber auf solch plumpe Wertungen nicht ein und zeigt, dass das, was Faust "sich treu bleiben" nennt, nichts anderes ist, als das Unvermögen, sein Leben in den Griff zu bekommen. Während zum Beispiel Paulus seine Vorlesungen genau choreografiert und zu Hause übt, tut Faust nichts dergleichen. Er hofft auf seine Improvisationsgabe, verweist auf das "Natürliche" und "Spontane" und rechtfertigt so nur seine eigene Faulheit.

Keine vordergründige Agit-prop-Literatur

Mit Hilfe von Drogen, so hoffte man in den Nachwehen der sozialen Umwälzungen von 1968, könne man in Schichten vordringen, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Das würde das Individuum befreien und zu ewigem Frieden führen. Wozu es wirklich führte, war eine Kultur der Selbstvernichtung. Auch Rumpls Faust hängt dieser Ideologie an. Sport, Fitness? Das ist nur was für Faschisten. Er schwört lieber auf Selbstzerstörung mittels Alkohol und Drogen.

"Fausts Fall" spielt zur Zeit des Regierungswechsels im Jahre 2000. Aber im Gegensatz zu vielen anderen österreichischen Schriftstellern liefert Manfred Rumpl keine vordergründige Agit-prop-Literatur ab. Die politischen Ereignisse sind bloß Hintergrundrauschen, wie auch die Nachrichten, die immer wieder in den Text einfließen und Faust in seinem Beschluss, sich lieber um sich selbst zu kümmern und die Welt Welt sein zu lassen, bestärken.

Manfred Rumpl hat mit Fausts Fall einen bemerkenswerten Roman vorgelegt. Einen Text, der die großen Existenzfragen thematisiert, ohne dabei oberflächlich zu werden. Ein Buch, das trotz seiner philosophischen Einschübe und seines komplexen Aufbaues leicht lesbar ist und auf alle Fälle einen Gewinn darstellt.

"Das Buch der Woche" ist eine Aktion von Ö1 und Die Presse.

Hör-Tipps
Kulturjournal, Freitag, 13. April 2007, 16:30 Uhr

Ex libris, Sonntag, 15. April 2007, 18:15 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Manfred Rumpl, "Fausts Fall", Luftschacht Verlag, ISBN 978-3902373236

Link
Manfred Rumpl