Die EU-Aussichten kriselnder Balkanländer

Europa - und wo sind wir?

Die serbische Tageszeitung "Politika“ hat anlässlich des 50-jährigen EU-Jubiläums einen Artikel mit der Headline "Europa, und wo sind wir?“ veröffentlicht. Einen treffenderen Titel kann man sich, wenn es um diese Region geht, kaum vorstellen.

Das Muster hinsichtlich der EU-Mitgliedschaft der südosteuropäischen Krisenstaaten läuft sowohl auf Seiten der Europäischen Union als auch der betroffenen Länder immer gleich ab. Wenn von der EU massive Forderungen gestellt werden, wird in den einzelnen Ländern in der Regel der Wille, der EU anzugehören, immer geringer.

Die Rolle der Medien

Die Medien spielen in diesem Auf-und-Ab-Prozess eine entscheidende Rolle: EU-Forderungen werden den Bedürfnissen und Erwartungen einzelner Staaten gegenüber gestellt und dazu jeweils Pro- und Contra-Artikel verfasst.

Am Beispiel Serbien, das sich momentan in einer sehr schwierigen Phase seines Staatslebens befindet, ist das deutlich zu erkennen. Während die EU die Auslieferung der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Mladic und Karadjic fordert, versuchen die serbischen Politiker, dem gerecht zu werden und zu beschwichtigen, indem sie trachten, jene Minuspunkte in Pluspunkte zu verwandeln.

Positive Zeichen

In der serbischen Tageszeitung "Politika" ist am Tag der Unterzeichnung der Römischen Verträge ein Artikel erschienen, der trotz enttäuschender EU-Haltung hinsichtlich Zukunft des Kosovo ganz klar auf EU-Kurs liegt. Autor Milan Misic schreibt hier: "Die EU bleibt trotz aller Kontradiktionen, Undeutlichkeiten und Schwächen ein Modell der internationalen Mitarbeit und eine Kraft der Harmonisierung und Befreiung. Und wo sind wir?"

Liest man diese Zeilen, scheint es, als sei Serbien doch bereit, einen "pragmatischeren Weg" einzuschlagen. Kann es sein, dass nach all den langwierigen Verhandlungen über den Status die Unabhängigkeit des Kosovo in Kauf genommen wird, um vielleicht - quasi als Balsam auf die Wunden - eine schnelle EU-Mitgliedschaft zu erreichen?

Ein noch stärkeres Zeichen setzt die LDP, die Liberale Demokratische Partei von Cedomir Jovanovic, die bei den diesjährigen Parlamentswahlen die Fünf-Prozent-Hürde überschritten hat. Sie kann sich in ihren Programmen auch ein Serbien ohne den Kosovo vorstellen.

Spuren der Vergangenheit

Eines macht der Artikel in der "Politika" aber auch deutlich: Es ist nicht leicht, Serbien von den Mythen der Vergangenheit zu befreien. Dies erkennt man etwa am Titelfoto dieser Ausgabe vom 28. März, die einen orthodoxen Priester zeigt, der nachdenklich durch sein Fenster das mittelalterliche serbisch-orthodoxe Kloster Decani im Kosovo beobachtet. Der Bildtext zum Titelfoto lautet: "Wer wird die serbische Geistlichkeit bewachen?"

Die wichtigste Frage

Serbien steht also vor einem Dilemma. Laut "Politika" soll sich der Staat zwischen den Fragen "Wo stehen wir?" und "Wer wird die serbische Geistlichkeit bewachen?" entscheiden. Aber ist nicht die Frage "Wann werden wir uns entscheiden?" vielleicht die wichtigste?

"Die EU ist trotz aller Kontradiktionen, Undeutlichkeiten und Schwächen ein Modell der internationalen Mitarbeit und eine Kraft der Harmonisierung und Befreiung." - Dieser Satz von Milan Misic in seinem Artikel beinhaltet jedenfalls bereits eine Antwort auf die schwierige politische, wirtschaftliche und soziale Situation in diesem Teil von Südosteuropa. Er müsste nur noch umgesetzt werden.