Leben nach dem Hype

Der Regenwald Österreichs

Der Verein "Regenwald der Österreicher" hat vor 17 Jahren dazu aufgerufen, quadratmeterweise Regenwald zu erstehen - mit Erfolg, denn diese Naturschutzinitiative hat die schrebergarten-verliebten Österreicher mitten ins Herz getroffen.

Weitab im Süden Costa Ricas erstreckt sich die üppig-grüne Pracht des Esquinas-Regenwaldes, der von den Einheimischen liebevoll "Bosque de los Austriacos" - Regenwald der Österreicher - genannt wird.

Der Grund für diese Benennung liegt in einer Initiative des Michael Schnitzler, einem Professor für klassische Geige an der Musikhochschule in Wien. Er gründete 1991 den Verein "Regenwald der Österreicher" zum Schutz des Esquinas-Waldes vor der Zerstörung der Holzfäller und Goldsucher. Dies sollte durch den Freikauf der Grundstücke von den Besitzern und die Eingliederung in den angrenzenden Nationalpark Piedras Blancas erfolgen.

Eine medienwirksame Kampagne forderte die Österreicherinnen und Österreicher dazu auf, ihren eigenen, symbolischen Regenwaldanteil, beurkundet durch ein nummeriertes Zertifikat, zu erwerben. Zahlreiche Unternehmen, Institutionen, Schulen, Prominente und Privatpersonen beteiligten sich daran.

Entwicklung und Hilfe

Diese Initiative führte allerdings dazu, dass die Existenzgrundlage der Holzfällerfamilien in der dem Regenwald nahen Siedlung gefährdet war. La Gamba heißt diese Gemeinde, über die die Einheimischen ein Loch in den Himmel dichteten, weil es immer so viel regne.

Es war also notwendig, die betroffenen Familien zu unterstützen. Den Startschuss dafür setzte Michael Schnitzler 1993 mit dem Bau der Forschungsstation La Gamba und der Hotelanlage "Esquinas Rainforest Lodge", die von der Republik Österreich subventioniert wurde. Die Lodge sollte den Ort für Ökotouristen zugänglich machen und folglich Arbeitsplätze schaffen.

Musterprojekt der Nachhaltigkeit

Bereits in den ersten Jahren hatte der Verein "Regenwald der Österreicher" beachtlichen Erfolg erzielt. Bis 1995 wurden von dem 146 Quadratkilometer umfassenden Gebiet 15,2 Quadratkilometer durch den Verein und weitere 38 Quadratkilometer durch eine US-Organisation und die Republik Costa Rica freigekauft.

Die Initiative galt als Musterprojekt des nachhaltigen Naturschutzes. So ehrte auch die Republik Österreich den Initiator Michael Schnitzler mit dem Konrad-Lorenz Staatspreis. Ein Jahr später schoss Bernd Lötsch, Direktor des Naturhistorischen Museums in Wien, mit der Ausstellung "Der Regenwald der Österreicher in Costa Rica" nach, um das Interesse der Bevölkerung aufrecht zu halten.

Skepsis versus Sympathie

Doch auch kritischere Stimmen äußerten sich. So hätte Greenpeace, bei aller Sympathie für die Initiative, durchaus Bedenken bekundet, berichtet Bernhard Obermayr, Kampagnenleiter bei Greenpeace Mittel- und Osteuropa, denn der Esquinas-Wald sei sehr klein und es sollte daher nicht der Eindruck entstehen, dass mit der Initiative der Regenwald an sich geschützt werde. Als exemplarisches Projekt, welches wichtige Aufklärungsarbeit leiste, sei es aber eine gute Sache.

Die Bewohner La Gambas waren ebenfalls skeptisch gegenüber den Österreichern, da sie ihre Lebensgrundlage bedroht sahen. Doch mit der Zeit verbesserte sich deren Lebensqualität und somit auch das Verhältnis gegenüber den Fremden, wie der österreichische Biologe, Autor und Esquinas-Freund der ersten Stunde Reinhold Gayl weiß.

Die Ruhe nach dem Sturm

In den letzten Jahren ist es ruhiger um den Verein geworden. Die Spendenflut drohte ins Stocken zu geraten, aber der Verein "Regenwald der Österreicher" stand nicht alleine mit diesem Problem da, denn der Medienhype um den Regenwald verebbte generell. "Die Leute sind diesbezüglich einfach abgestumpft", erklärt Reinhold Gayl. "Man hat die Geschichte schon so oft erzählt, dass sie einfach nicht mehr neu ist", weiß auch Bernhard Obermayr.

Das Resümee

Der Verein suchte nach Möglichkeiten, unabhängiger von der Spenderlaune zu sein und suchte nach längerfristigen Förderern und Tierpaten. Alljährliche Informationsveranstaltungen gewähren Interessierten Einblick in die Entwicklungen und das Leben am Rand des Regenwaldes.

Und die Maßnahmen fruchteten, wenn man bedenkt, dass bis heute rund 65 Prozent, das sind 96 Quadratkilometer, der Gesamtfläche dem lokalen Nationalpark zugeführt wurden. Ehemalige Holzfäller nützen ihre Erfahrungen nun in neuer Funktion als Fremdenführer. Die Rainforest Lodge und die Forschungsstation sind bereits die größten Arbeitgeber der Gemeinde. Neben der Errichtung einer Gemeindehalle und der Sanierung des Schulhauses fruchteten noch viele "Hilfe zur Selbsthilfe"-Ideen.

Resümierend bewerten Reinhold Gayl und seine Frau Ingrid Erkin, die pensionierte ORF-Moderatorin, das Projekt in jeder Hinsicht als gelungen.

Zukunft für die Zukunft

Aber vieles muss noch erreicht werden, denn längst ist nicht das gesamte Gebiet freigekauft. Außerdem ist die Bedrohung des Esquinas Bosque kein Ausnahmefall.

Der Schutz der Wälder sollte heute mehr denn je ein Anliegen sein, auch wenn heute weniger die Biodiversität als der Klimawandel im Vordergrund stehe, denn der Regenwald ist ein wichtiger Senker des Treibhausgases Kohlendioxid. Eigentlich wären große Aufforstungsprojekte erforderlich, gibt Obermayr zu bedenken. Es ist daher ein absolutes Muss zumindest den verbliebenen Wald zu erhalten - und das sei eine globale Angelegenheit und nicht nur Sache von Privatinitiativen.

Was bleibt ist also der Appell an die Vernunft und an die Politik, damit das Regenloch über La Gamba nicht irgendwann versiegt.

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 26. Oktober 2008, 14:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Reinhold Gayl, "Geheimnisse im Regenwald. Von Aufsitzern, Trittbrettfahrern und Würgern", Obv & Hpt, ISBN 9783209048011

Link
Regenwald der Österreicher