It's the singer, not the song

Song oder Sänger?

"It's the singer, not the song." Das behauptete zumindest Mick Jagger. Eine unverwechselbare Stimme, eine Gänsehaut erzeugende Interpretation hat einen gewichtigen Anteil daran, dass sich manche Lieder sofort in unser Gedächtnis eingraben.

Die 14-jährige Aretha Franklin

Es ist in der Pop- und Jazzmusik ein alter Streitpunkt, welchen Anteil die Komposition und welchen die Interpretation derselben daran hat, dass manche Aufnahmen einfach eine Magie entwickeln und sich bisweilen schon nach einmaligem Hören unvergesslich in unser Gedächtnis eingraben.

Mit seinem Zitat "It's the singer, not the song." wollte Mick Jagger den Anteil der Sängerin und des Sängers an solchen Sternstunden hervorheben.

It's the song, not the singer

Das meinte zumindest der Countrymusiker Conway Twitty, der wie Mick Jagger sowohl ein großartiger Komponist als auch ausdrucksstarker Sänger ist, beziehungsweise war.

Die Frage, welche dieser beiden Komponenten nun wichtiger ist, lässt sich wohl nicht so einfach beantworten. Es erscheint mir sinnvoll, sie anhand verschiedener Musikrichtungen zu überprüfen.

Say it loud, I'm black and proud

Im schwarzen Soul und R&B gibt es häufig sehr lose Songstrukturen, die mehr auf Riffs aufbauen und nur wenige harmonische und melodische Informationen enthalten. Bei diesen sogenannten "Jams" rückt die Stimme des Leadsängers in den Mittelpunkt und bestimmt den Ablauf und zumeist auch die Qualität dieses ungebundenen Zusammenspiels, aus dem sich dann Songs herausschälen.

Ein Meister dieses quasi "Erimprovisierens" eines Songs war James Brown. Er konnte mit seiner Stimme aus einem Groove ein bewegendes Stück Musik machen.

Vokale Selbstentäußerung

Diese ans Herz gehende vokale Selbstentäußerung hat eine lange Tradition in der schwarzen Musik.

Im Blues und Gospel, die der Humus für alle späteren musikalischen Entwicklungen in der "black music" waren und noch immer sind, erschließt sich der Inhalt und die die Botschaft oft weniger aus dem, was gesungen wird, als aus dem, wie es gesungen wird.

The Great American Songbook

Der Begriff "Great American Songbook" umfasst eine nicht genau festgelegte Anzahl herausragender Songs der amerikanischen Unterhaltungsmusik von den 1930er bis 1960er Jahren.

Die Werke des Great American Songbook sind Standards geworden; sie wurden und werden wegen ihrer andauernden Beliebtheit und Qualität von vielen Sängern in Zusammenstellungen aufgenommen, und zwar bis in die Gegenwart, so etwa von Robbie Williams, Queen Latifah oder Rod Stewart.

Songperlen

Diese unverwüstlichen Songperlen tauchen immer wieder in neuem Gewand und mit neuen Interpreten auf und scheinen doch eher die "It's the song, not the singer"-These zu untermauern.

Doch die vermutliche Wahrheit dürfte wohl ebenso nahe liegend wie banal sein.

A great singer needs a great song

Und zwar unabhängig vom musikalischen Genre. Natürlich kann ein toller Sänger einen mittelmäßigen Song retten und ein Lied wie "My funny valentine",
geschrieben von Rodgers und Hart, wird auch bei der inkompetentesten Darbietung in all seiner Grandiosität durchschimmern. Aber ein magischer Moment braucht wohl den tollen Interpreten und den tollen Song.

Wobei natürlich besonders die Frage, was denn nun eine großartige Sängerin oder einen herausragenden Sänger ausmacht, wer sich dieses Prädikat verdient hat, sehr unterschiedliche Antworten hervorbringen wird. Da kann der persönliche Geschmack des Einzelnen sehr unterschiedlich sein. Das genauer erörtern zu wollen, ist eine andere Geschichte...

Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 11. März 2007, 17:30 Uhr