Mit Theater schauen und konstruktiv bloßstellen
Barbara Schulte, Theater-Regie
Die Kunst brachte ihr eine Patentante näher: Barbara Schulte, Jahrgang 1980, seit 2003 Regiestudentin am Reinhardt Seminar Wien. Mit ihrer Horvath-Produktion "Glaube, Liebe, Hoffnung" ist sie nun beim Treffen "Junge Regie" der Hamburger Körber Stiftung.
27. April 2017, 15:40
"Eigentlich fing es mit meiner Patentante an, einer bildenden Künstlerin, die mich lange auf meinem Weg begleitet hat. Sie schenkte mir Kreiden und Stifte und ich begann zu malen. Ich wusste ja ursprünglich gar nicht, was ich werden wollte. Als ich dann in der Schule Theater zu spielen begann, fand ich meinen Platz. Früher hatte meine Mutter immer zu mir gesagt: Du kannst so schön allein sein. Das änderte sich mit dem Theaterspielen. Und meine Mutter fragte: Warum kannst du jetzt nicht mehr allein sein? Weil ich jetzt glücklich bin, war meine Antwort", erzählt Barbara Schulte, gebürtige Münchnerin, Jahrgang 1980, die seit Herbst 2003 am Wiener Max Reinhardt Seminar bei Peter Gruber und Michael Gruner Regie studiert und in diesem Sommer abschließen wird.
Den eigentlichen Entschluss, sich für das Theater zu entscheiden, fasste die Nachwuchskünstlerin bei einem Auslandsaufenthalt in Argentinien, wo sie über ein Jahr bei einer Gastfamilie war. Dennoch begann sie nach ihrer Matura 2001 zunächst mit dem Studium der Neueren deutschen Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Das Studium habe ich nur bis zum Vordiplom gemacht. Es war quasi ein Material sammeln, ein Lernen", resümiert Schulte.
Glücklich über Entscheidung für Wien
"Ich hatte mich zunächst für die Ernst-Busch-Schule beworben und kam in die zweite Runde. Mein Bruder lebte hier und ich wusste, dass es in Wien das Reinhardt Seminar gibt, das auch eine Regie-Ausbildung bietet. So habe ich mich dafür vorbereitet - und es hat gleich beim ersten Mal geklappt. Ich bin sehr froh, dass ich Wien gewählt habe, weil ich hier auch Schauspiel studieren darf. Denn es ist eine wichtige Erfahrung, selbst auf der Bühne zu stehen. Und das hat mich auch geprägt: nicht nur mit dem Kopf, sondern über das Leben an das Theater heranzugehen", so die Jungregisseurin, die in diesem Sommer ihr Studium abschließen wird.
Erste Erfahrungen mit Kawasch-Ensemble
Ihre ersten Erfahrungen sammelte Schulte zwischen 1999 und 2003 bei einer Theatergruppe ihres Philosophie-Professors, die nach dessen Tod als Hans-Kawasch-Ensemble weitergeführt wurde. Dort spielte und inszenierte sie u. a. Bruckners "Krankheit der Jugend", Sartres "Geschlossene Gesellschaft" sowie das Projekt "Einmal Zwei". "Wir haben am Gasteig in kleinen Off-Theatern gespielt. Und so bin ich zur Regie gekommen."
Knapp bevor sie nach Wien kam, absolvierte sie 2003 eine Regie-Hospitanz am Bayerischen Staatsschauspiel bei Dieter Dorn, der Genets "Wände" inszenierte. "Genet ist einer meiner Lieblingsautoren, deshalb wollte ich bei diesem Stück, das schwierig umzusetzen ist, dabei sein. Handwerklich habe ich damals von Dieter Dorn sehr viel gelernt."
Theater - ein Ort der Fantasie
"Ein ganz wichtiger Punkt in meiner Arbeit ist Improvisation - und zwar nicht nur im spielerischen Sinn, sondern im Sinn, einen Zugang zur eigenen Fantasie zu finden. Ich will vor allem die Fantasie meiner Schauspieler locken. Ein Autor hat eine Sprache, und auch Schauspieler haben eine Sprache. Und ich denke, Schauspieler sind oft die besten Autoren, nicht Regisseure. Das heißt konkret, dass ich sehr stark darauf höre, was aus meinen Darstellern kommt, was ihre Fantasien sind. Ich denke, das ist eine Ausdrucksform des Theaters, dass Fantasie noch einen Platz hat", beschreibt Barbara Schulte ihr künstlerisches Credo.
Loslassen und eigene Grenzen überwinden
"Am Schwierigsten ist das Loslassen. Man ist verleitet, an Themen, Dingen und eigenen Verhaltensweisen festzuhalten - das beschränkt sich ja nicht nur auf das Theater. Es ist aber wichtig, eigene Grenzen zu überwinden, auf andere Menschen einzugehen und immer Neues zu finden. Das ist das Einzige, dem ich mich in diesem Beruf ausliefern will. Das bedeutet, sich immer wieder selbst in Frage zu stellen, von anderen in Frage gestellt zu werden - es zuzulassen und daran weiterzuwachsen", erklärt Schulte.
Mit "Glaube Liebe Hoffnung" bei Regie-Treffen in Hamburg
Mit ihrer Inszenierung von Ödön von Horvaths "Glaube Liebe Hoffnung" absolvierte sie im Jänner dieses Jahres ihre Diplomarbeit. Und wurde vom Reinhardt Seminar für das "Studio Junge Regie 2007" der Körber Stiftung in Hamburg ausgewählt, wo ihre Arbeit nun am Montag, 26. März 2007, in der Thalia gezeigt wurde.
Bei diesem Treffen sind zehn der elf deutschsprachigen Institute mit jeweils einer Regiearbeit vertreten. Sechs Regisseurinnen, drei Regisseure und ein Regiekollektiv wetteifern in diesem Rahmen um den Preis für die beste Nachwuchsinszenierung.
"Ich liebe Horvath, weil er mit sehr wenig Worten sehr viel ausdrückt. Seine Stücke beinhalten zwei Welten: eine Todes- und eine Lebenswelt. Und es ist sehr entscheidend, darüber nachzudenken, wann man lebendig und wann man tot ist. Wenn ich in meinem Leben tot bin, dann sollte ich mir darüber Gedanken machen. Horvath behandelt diese Thematik ganz extrem. Und ich denke, ich kann den Zuschauern mitgeben, dass sie lebendig und wach bleiben sollten", erläutert Schulte diese Regiearbeit.
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Von Tschechow bis Ostermaier
Ihre erste Arbeit am Reinhardt Seminar war 2003 ein Szenenstudium von Tschechows "Die Möwe". 2005 inszenierte sie "Watten" von Thomas Bernhard. Im Vorjahr führte sie bei "Death Valley Junction" von Albert Ostermaier sowie bei "Werther. Ein Projekt" Regie.
Zunächst eigene Projekte
Ursprünglich wollte die junge Regisseurin in nächster Zukunft Regieassistenz machen, hat sich nun aber doch anders entschieden:
"Zunächst will ich eigene Projekte machen. So plane ich mit zwei Schauspielern vom Seminar im September 'Melancholie' von Ion Fosse zu zeigen. Wo es stattfinden wird, steht noch nicht fest. Und im kommenden November werde ich voraussichtlich in Dortmund ein Projekt realisieren. Weiters gibt es auch für Berlin ein Projekt. Und danach werde ich mich um eine Regieassistenz bewerben", schildert Schulte ihre Pläne für die nächste Zukunft.
Lange am Theater arbeiten und "Lear" inszenieren
Wie sehen die Zukunftswünsche der jungen Regisseurin; die sich auch für das Medium Film interessiert und nicht ausschließt, später vielleicht auch Musiktheater machen zu wollen, aus?
"Ich wünsche mir, auch noch am Theater arbeiten zu dürfen, wenn ich schon älter bin. Und später einmal unbedingt Shakespeares 'Lear' zu inszenieren. Aber dazu will ich erst einige Erfahrungen sammeln", so Barbara Schulte.
Kontakt
Barbara Schulte
Veranstaltungs-Tipp
Körber Studio Junge Regie, Hamburg, Thalia in der Gaußstraße, 26. bis 31. März 2007
Links
Max Reinhardt Seminar
Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin
Ludwig-Maximilians-Universität München
Körber-Stiftung - Körber Studio Junge Regie
Bayerisches Staatsschauspiel