Warum Frauen anders sind als Männer

Das weibliche Gehirn

Die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen sind zwar gering, aber markant, meint die Neuropsychiaterin Louann Brizendine. Für ihr sehr populärwissenschaftliches Buch trug Brizendine die Ergebnisse diverser Studien zusammen.

Vom Säugling bis zur reifen Frau wird in Louann Brizendines Buch chronologisch die Typologie des weiblichen Gehirns aus Neurowissenschaft, Medizin, Soziologie, Psychologie und Biologie zusammengesetzt.

Die ersten acht Wochen ist das Gehirn bei Buben und Mädchen weiblich. Erst dann schießt das Testosteron durch den männlichen Fötus und sorgt für Schnelligkeit, Selbstbewusstsein und Aggressivität.

Mädchen schauen auf Menschen, Buben auf Dinge

Die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen sind zwar gering, aber markant, meint die Neuropsychiaterin Louann Brizendine. Man sehe schon bei Kleinkindern einen deutlichen Unterschied in den Verhaltensweisen: Mädchen suchen den Blickkontakt zu Bezugspersonen und sind glücklich, positives Feedback etwa in Form eines Lächelns zu bekommen. Buben schauen eher sich bewegenden Dingen hinterher. Blickkontakt halten sie kaum.

Später macht sich dieses Verhalten deutlicher bemerkbar: Das Selbstbewusstsein von Mädchen ist viel stärker von der Meinung anderer abhängig, während Buben weniger auf das Urteil anderer geben.

In der Pubertät, wenn die Hormone pulsieren und das weibliche Gehirn an Sex Interesse entwickelt, zeige sich, dass Mädchen sehr interessiert daran seien, sexuell attraktiv zu sein und durch ihr Aussehen die Aufmerksamkeit der Männer zu erregen, so Brizendine. Pubertierende Buben leben ihre Sexualität ein wenig anders aus. Sie verspüren kein Bedürfnis nach stundenlangem Austausch.

Kommunikation oder Sex

Die Neuropsychiaterin leitet seit 1994 die in San Francisco ansässige "Womens Moods and Hormone Clinic". Das häufigste Anliegen der Frauen, die in ihre Klinik kommen, sei, "dass ihre Männer nicht genug mit ihnen sprechen. Eine Frau fühlt sich geliebt, wenn der Mann ihr zuhört und mit ihr darüber spricht, wie sie sich fühlt und was sie denkt. Männer fühlen sich geliebt, wenn die Frau mit ihm Sex hat. Wenn sie das nicht will, fühlt er sich ungeliebt", so Brizendine.

Schwangerschaft lässt Gehirn schrumpfen

Kinder bekommen wir mittlerweile später, als uns die Biologie das vorschreibt. Das sei nicht grundsätzlich schlecht, aber es müsse uns Frauen klar sein, dass wir in einem ständigen Widerspruch mit unserer Natur leben, denn das weibliche Gehirn, so Brizendine, habe sich seit der Steinzeit kaum verändert. Dafür verändert es sich jeden Monat - also im Laufe eines Zyklus - um etwa 25 Prozent. Das könne man sich wie kleine Tsunamis im Kopf vorstellen.

Wenn Frau dann auch noch Mama wird, dann passiert mit ihrem Gehirn etwas Unglaubliches: Es schrumpft um ganze neun Prozent. Und es bildet sich erst sechs Monate nach der Geburt wieder zu seiner normalen Größe zurück. Was dieses Schrumpfen des Mutter-Gehirns zu bedeuten hat, weiß Brizendine nicht. Diese wissenschaftliche Erkenntnis wird unkommentiert gelassen - für eine sich als Feministin bezeichnende Frau eine fragwürdige Handlung.

Auf diese Ungereimtheit angesprochen, reagiert Louann Brizendine sehr amerikanisch und mediengeschult: "Danke für diese Frage. Als ich diese Studie recherchiert habe, hat es mich nicht sehr glücklich gemacht, das zu lesen. Niemand weiß wirklich, wie das passiert, aber es scheint die Leistung von Frauen nicht zu beeinflussen. Ich denke, alle Mütter junger Kinder werden berichten, dass ein Teil ihres Gehirns an die Arbeit denkt und ein Teil an das Kind."

Neues und Stereotypen

Louann Brizendine forschte nicht selbst, sie trug lediglich die Ergebnisse diverser Studien für das vorliegende sehr populärwissenschaftliche Buch zusammen. In typisch US-amerikanischem Stil entwirft sie anhand einzelner Fallgeschichten Typologien des einen und des anderen Geschlechts.

Immer wieder ertappt man sich als Leserin dabei, ihr zuzustimmen. Die einfachen und durchaus plausiblen Erklärungen für altbekannte Stereotypen leuchten ein. Aber kaum blättert man um, begegnet man haarsträubenden Klischees. Wohl um den Verkaufserfolg nicht zu gefährden, lässt die Autorin im Buch Platz für Interpretationen. Im Gespräch bezieht Louann Brizendine dann doch Stellung:

"Besonders in Hinblick auf Kinderbetreuung wäre es wichtig, dass die Gesellschaft versteht, dass der Arbeitsplatz von Männern für Männer geschaffen wurde. Und jetzt, wo Frauen arbeiten und wir Karriere machen und lange leben, bedarf es mehr Anpassung an weibliche Bedürfnisse, damit Frauen Kind und Karriere vereinbaren können, damit Frauen nicht für fünf bis zehn Jahre aus dem Berufsleben aussteigen müssen - meist während der produktivsten Phase ihrer Karriere."

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Louann Brizendine, "Das weibliche Gehirn. Warum Frauen anders sind als Männer", aus dem Englischen übersetzt von Sebastian Vogel, Verlag Hoffmann und Campe, ISBN 978-3455500264