Unentdeckte Artenvielfalt
Abtauchen ins Unbekannte
In der südpolaren Tiefsee wurden in den vergangenen Jahren mehr als 500 neue Arten entdeckt. Im gerade angelaufenen Internationalen Polarjahr hoffen die Forscher, noch viel mehr unbekannte Organismen zu finden.
8. April 2017, 21:58
Wie viele Arten die südpolare Tiefsee beherbergt ist für die Wissenschaft noch völlig unklar, sagt Angelika Brandt von der Universität Hamburg. Im Internationalen Polarjahr sollen Arktis und Antarktis untersucht werden. Die beiden Lebensräume haben ganz unterschiedliche Geschichten. Die Antarktis existiert viel länger und hatte daher viel mehr Zeit für die Evolutionsbiologie. Daher sind die Artenzahlen in der Antarktis viel höher als in der Arktis.
Das Internationale Polarjahr ist ein wissenschaftliches Großereignis - das größte Polarforschungsprogramm seit 50 Jahren. Mehr als 50.000 Wissenschafter aus über 60 Nationen werden bis März 2009 an mehr als 200 Projekten arbeiten, um Arktis und Antarktis zu erforschen. Deutschland ist eine der führenden Polarforschungsnationen. Österreich ist mit dem Projekt FERMAP aktiv. Ein Projekt, welches das Franz Josef Land erforschen wird.
Nur ein Bruchteil erforscht
Brandt hat bei 40 Stationen im atlantischen Sektor des Südozeans mit geschleppten Geräten vom Schiff aus Proben genommen. Das ist ein Bereich, der 130.000 km2 abdeckt. "Aber es sind insgesamt 28 Millionen km2 unterhalb von 3.000 Meter Tiefe gelegen, das heißt, wir haben nur einen Bruchteil analysiert. Und doch sind unsere Ergebnisse spektakulär: in einigen Tiergruppen, wie bei Krebstieren, liegt die Artenvielfalt viel höher als alles, was wir bisher vom antarktischen Schelf wussten - und dort arbeiten wir seit 25 Jahren."
Die Meeresbiologen haben einige Organismengruppen gefunden, die sich in der Antarktis besonders reich entfaltet haben, die aber in den übrigen Weltozeanen sehr selten sind. Umgekehrt gibt es das Phänomen, dass es Arten gibt, die nur sehr selten in der Antarktis zu finden sind- was vermutlich mit den Anpassungsmechanismen zu tun hat.
Spektakuläre Ergebnisse
Was fressen die Organismen in 4000 Metern Tiefe? Fressen die Organismen andere Organismen und sind Räuber, fallen sie über tote Fische her oder fressen sie das ganze Sediment durch, um irgendein Tier herauszufiltern, wie das die Meerasseln tun, fragt sich Angelika Brandt.
Ein Beispiel: Bei den Meerasseln sind 4.400 marine Arten bekannt. "Wir haben 674 Arten in der antarktischen Tiefsee gefunden. Mit nur 40 Stationen haben wir die Kenntnisse über die Verbreitung in der Welt um 15 Prozent erhöht, das ist spektakulär!" freut sich Angelika Brandt. "Prognosen abzugeben, wie das in Zukunft weitergehen kann, sind schwer zu geben."
Doch warum entdeckt man diese Vielfalt erst jetzt?
Es ist ein unglaublicher logistischer Aufwand, Proben aus der Tiefsee zu entnehmen. Es dauert sehr lange und es kostet sehr viel. Das "Forschungsschiff Polarstern" verschlingt an einem einzigen Tag rund 50.000 Euro des Forschungsbudgets. Es hat bisher drei Expeditionen gegeben, bei denen die Wissenschafter mehr als 500 völlig neue Arten entdeckten. Mit dieser Arbeit konnten sie aber nur eine Grundlage schaffen, um die Organismen in verschiedene Größenklassen einzuteilen.
"Der Lebensraum ist so unendlich groß und unsere Forschung hat sich bisher immer auf die Fischereibiologie bezogen. Letztlich ist das aber ein kleiner Prozentsatz des Meeres", so Brandt. Wir werden niemals wissen, wie viele Arten wirklich dort leben, meint Angelika Brandt von der Universität Hamburg. "Weil so viele Arten sehr selten sind und der Lebensraum extrem groß ist." Da der Antarktis Vertrag - der die wirtschaftliche Ausbeutung der Antarktis verbietet - jedoch 2041 ausläuft, sei es wichtig, zu wissen, was passiert, wenn bestimmte Arten ausgerottet werden.
Hör-Tipp
Dimensionen, MIttwoch, 7. März 2007, 19:05 Uhr
Links
Internationales Polarjahr 2007/2008