Menschen und ihr Zugang zu Spitzenpositionen
Einfach Klasse?
Auf welche Persönlichkeitsfaktoren kommt es Politik und Wirtschaft bei der Rekrutierung von Spitzenkräften an? Was kennzeichnet deren Habitus, Mentalität und Handlungspraxis? Soziologen, Psychologen, Politikwissenschaftler und Persönlichkeitstrainer geben Antworten.
8. April 2017, 21:58
Was braucht man, um etwas zu gelten?
Der Zugang zu Spitzenpositionen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wird nicht allein durch Bildungserfolge und Leistung erreicht. Es zählen auch Netzwerke und Habitus.
Auf welche emotionalen Ressourcen und persönliche Eigenschaften kommt es nun an, um Zugang zu den feinen Leuten, den hohen Tieren der guten Gesellschaft, den besseren Kreisen und den privilegierten Klassen zu finden?
"Der Mensch ist ein Animal Ambitiosum - ein Wesen, das triebhaft nach Beifall und Anerkennung strebt, sagt der Soziologe Roland Girtler von der Universität Wien. Er erforscht seit Jahren gesellschaftliche Randgruppen. Sein Spektrum reicht vom Sandler über den Wilderer bis zum Mitglied im Klub der "Oberen Zehntausend. "Jeder Mensch will nach Oben, sagt er. "Aber nur einige schaffen es, würde wohl die Antwort des deutschen Soziologen Michael Hartmann lauten.
Anerzogen? Geerbt? Erarbeitet?
In einer umfangreichen Studie hat Michael Hartmann 2002 die Lebensläufe von 6.500 promovierten Deutschen untersucht. Seine Conclusio: "Eine hohe Ausbildung allein ebnet noch lange nicht den Weg in Top-Positionen. Es zählt nicht nur die Leistung, sondern auch der "passende" Habitus. Er eröffnet bessere Karrierechancen und begünstigt Aufstiegsmöglichkeiten.
Die feinen - quasi angeborenen - Unterschiede in Persönlichkeitsstruktur und Habitus können Michael Hartmanns Studie zufolge vor allem in der Wirtschaft über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Denn besonders hier gilt: "Gleich und gleich gesellt sich gern." Das zeigt auch folgende Zahl: In den hundert größten deutschen Unternehmen stammen mehr als 80 Prozent der Vorstandvorsitzenden aus dem Großbürgertum.
Gewinnertypen und ewige Zweite
"Wissen allein genügt nicht, es kommt auch darauf an, wie man sich gibt, wie man sich kleidet, sogar ob die - hoffentlich handgemachten - Schuhe geputzt sind und darauf, wie man mit der Macht umgeht, sagt Roland Girtler.
Der Habitus zeigt, zu welcher sozialen Gruppe man gehört, meint auch der Sozialforscher Rainer Münz: "Die intime Kenntnis und Anwendung der Dress- und Verhaltenscodices signalisiert, ob ein Kandidat mit den ungeschriebenen Regeln in diesen Kreisen vertraut ist und ob er dazu bereit ist, sie zu akzeptieren.
Moralische Nieten in Nadelstreifen?
Eine gewisse lässige und selbstsichere Art, sich in den Chefetagen zu bewegen, kann man sich nicht einfach aneignen:
"Es dauert mitunter Jahrzehnte, die dafür notwendige Selbstsicherheit an den Tag zu legen. Am besten, man bekommt sie von Kindheitsbeinen an von seinem Elternhaus mit, betont dazu der Headhunter Joachim Kappel. Ebenso dem Wunschprofil entsprechen eine breite Allgemeinbildung, eine optimistische Lebenseinstellung, Visionen und Tatkraft sowie unternehmerische Härte und Rücksichtslosigkeit.
Die "ideale Führungspersönlichkeit
Ebenfalls im Jahr 2002 formulierte der Psychoanalytiker Otto F. Kernberg, welche Anforderungen - unter psychoanalytischen Gesichtspunkten - an eine ideale politische Führungspersönlichkeit zu stellen sind. Er nannte: hohe Intelligenz, ausreichende emotionale Reife und menschliche Tiefe, moralische Integrität, paranoide Anteile - um frühzeitig ambivalente und feindselige Strömungen in seiner Organisation wahrnehmen zu können - und: ausreichend starken Narzissmus. Narzisstische Persönlichkeiten fühlten sich häufig zur Übernahme von Machtpositionen in und Führungsaufgaben in Politik und Wirtschaft getrieben.
"Gesellschaftliche Macht wird gesucht, um innere Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Minderwertigkeit zu kompensieren. Eigenschaften wie ungezügelte Selbstbezogenheit, Sieger-Mentalität, Karriere-Besessenheit und Größenfantasien ebnen den Weg in die Schaltzentralen der Macht, schreibt dazu der Psychoanalytiker Hans Jürgen Wirth in seinem Buch "Narzissmus und Macht."
Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 28. Februar 2007, 21:01 Uhr
Buch-Tipps
Michael Hartmann, "Der Mythos von den Leistungseliten", Campus Verlag, ISBN 139783593371511
Jürgen Wirth: "Narzissmus und Macht", Psychosozial-Verlag, ISBN 139783898060448
Otto F. Kernberg: "Ideologie, Konflikt und Führung: Psychoanalyse von Gruppenprozessen und Persönlichkeitsstruktur", Verlag Klett-Cotta, ISBN 139783608919271