Studieren in Nordnorwegen
Rentierstudium und Arktisdiskurse
Das nordnorwegische Tromsö liegt knapp unterhalb des 70. Breitengrades, einige hundert Kilometer nördlich des Polarkreises. 60.000 Einwohner leben in dieser Stadt, und seit 1972 gibt es hier auch eine Universität. Es ist die nördlichste Uni der Welt.
8. April 2017, 21:58
Das nordnorwegische Tromsö liegt knapp unterhalb des 70. Breitengrades, einige hundert Kilometer nördlich des Polarkreises. 60.000 Einwohner leben in der Stadt, und seit 1972 gibt es hier auch eine Universität.
Es ist die nördlichste Uni der Welt. Auf diese Bezeichnung ist man stolz, und aus dieser geografischen Randlage hat man einen Trumpf gemacht. Denn es sind gerade jene Themen, die mit dem Norden zusammenhängen, die hier erforscht werden.
Von Moschusochsen und Rentieren umgeben
Das Roald Amundsen Zentrum für Arktisforschung koordiniert die einschlägigen Forschungsprogramme aus den verschiedensten Bereichen. Die Gebäude dieses Instituts liegen etwas abseits am Universitätscampus. Das Institut wird von Freigehegen umgeben, in denen Moschusochsen und Rentiere gehalten werden.
In einer eigenen Außenstelle auf Spitzbergen beschäftigt sich der Biologe Karl-Arne Stokkan mit dem Biorhythmus dieser Tiere - schließlich müssen die armen Tiere im Sommer monatelang die Mitternachtssonne und in der winterlichen Polarnacht genauso lang die Finsternis ertragen.
Skandinavische Themen
Es gibt eine Fischereihochschule, die sich mit der für Norwegen besonders wichtigen Fischerei-Industrie und der Aquakultur befasst und zu diesem Zweck drei eigene Forschungsschiffe besitzt.
An der Medizinischen Fakultät heißt ein Schwerpunkt "Telemedizin". Ausgangspunkt war die medizinische Versorgung im dünn besiedelten Norden, und erforscht wird, wie die über das Land verstreuten Mini-Labors Befunde und Gewebsproben auf elektronischem Weg an die Uni Tromsö transferieren können, damit die dortigen Experten dann exakte Diagnosen erstellen können, ohne dass die Patienten den weiten Weg hierher auf sich nehmen müssen.
Das "Nordlichtobservatorium" widmet sich der Erforschung dieser speziellen Lichterscheinung, die im Winter am Nachthimmel zu sehen ist, wenn elektrisch geladene, von der Sonne ausgesandte Teilchen in das Magnetfeld rund um den Nordpol eindringen.
Aufwertung der samischen Bevölkerung
Mit Rentieren befasst sich auch das Zentrum für Sami-Forschung. Dort wird gerade ein Studienprogramm über Rentierwirtschaft und Ressourcenmanagement ausgearbeitet. Die Samen sind die Ureinwohner des Nordens; die frühere, aus dem Schwedischen stammende Bezeichnung "Lappen" kennzeichnete ein in Lumpen lebendes Volk und wird deswegen heute nicht mehr verwendet.
Am Zentrum für Sami-Forschung beschäftigt man sich außerdem mit der samischen Sprache und Kultur, die wegen der Jahrhunderte langen Zwangsassimilation bis vor kurzem bedroht war. Heute sieht man das in Norwegen als Fehler: König Harald V. entschuldigte sich 1997 für die Art und Weise, mit der die samische Bevölkerung in der Vergangenheit behandelt wurde, und die Universität Tromsö unterstreicht die Bedeutung des Samischen dadurch, dass sämtliche Aufschriften auf ihrem Gelände sowohl auf Norwegisch als auch auf Samisch angebracht sind.
Mehrsprachigkeit eine Selbstverständlichkeit
Apropos Mehrsprachigkeit: Neben dem Norwegischen und dem Samischen ist auch das Englische omnipräsent. Wenn eine Sprache wie das Norwegische von nur 4,5 Millionen Menschen gesprochen wird, dann sind Fremdsprachen-Kenntnisse besonders wichtig. An der Universität Tromsö werden viele Vorlesungen in Englisch gehalten. So müssen auch in einigen Fächern die Diplomarbeiten in englischer Sprache abgefasst werden.
Kein Wunder, dass zehn Prozent der Studierenden aus dem Ausland kommen - viele von ihnen aus Gegenden, in denen Schnee, Polarnacht und Nordlicht gänzlich unbekannte Erscheinungen sind. Sie werden daher in eigenen Kursen auf die Besonderheiten des Lebens nördlich des Polarkreises vorbereitet.
Beitrag zur Entwicklung Nordnorwegens
Im Zuge des Erdölbooms hat die norwegische Regierung massiv in die Entwicklung der entlegeneren Gebiete des Landes investiert. Vergleicht man die nordnorwegischen Provinzen Troms und Finnmark mit den entsprechenden Gebieten Schwedens und Finnlands, so kann man den Unterschied in Infrastruktur und kulturellem Angebot klar erkennen.
Die Universität Tromsö, so konstatiert befriedigt Rektor Jarle Aarbakke, hat einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung Nordnorwegens geleistet und dazu beigetragen, dass die Abwanderung aus der Region gebremst worden ist.
Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 12. Februar 2007, 19:05 Uhr
Link
Universität Tromsö