Neue Erkenntnisse zur Förderung von Säuglingen

Vom ersten Schrei zum ersten Schritt

Je individueller und einfühlsamer Säuglinge behandelt werden, desto besser gedeihen sie. Was die meisten Mütter unbewusst praktizieren, wird jetzt immer mehr von der Wissenschaft bestätigt und in Programmen zur Frühförderung nutzbar gemacht.

Babys sind keine passiven Geschöpfe, sondern beeinflussen die Menschen um sich herum, vor allem die Mütter. Einer der ersten, der das wissenschaftlich untersucht hat, ist der derzeit bekannteste amerikanische Kinderarzt Berry Brazelton, eine lebende Legende.

Brazelton kümmert sich seit 50 Jahren um Neugeborene und beobachtet das Zusammenspiel ihres Temperaments mit dem ihrer Bezugspersonen. Er hat zum Beispiel herausgefunden, dass Babys im Alter von zwei Monaten auf Vater und Mutter völlig unterschiedlich reagieren, weil sie unterschiedliche Dinge von ihnen wollen.

"Natürliche Katastrophen" erkennen

Ein Anliegen von Brazelton ist es, Fehlentwicklungen zu verhindern. Nicht nur bei den Kindern selbst, sondern auch in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern.

Vor kurzem hat er ein neues Präventionsprogramm erarbeitet. Es ist im Englischen unter der Bezeichnung "touchpoints" sehr bekannt geworden. Im Deutschen wird dafür der Begriff "natürliche Katastrophen" verwendet. Das sind Phasen, in denen Kinder - gewissermaßen als Vorbereitung für einen Sprung nach vorn - einen Schritt in ihrer Entwicklung zurück machen. Diese Phasen sind für Eltern sehr stressig und deswegen passieren genau in dieser Zeit die meisten Kindesmisshandlungen.

Neurobiologische Ursachen für Trinkprobleme

Eine problematische Phase ist zum Beispiel im Alter von vier Monaten zu beobachten. In dieser Zeit gibt es oft große Probleme beim Füttern. Da wollen die Babys oft nicht mehr trinken.

Der Grund: Zwischen dem vierten und fünften Monat beginnt sich der Sehsinn des Kindes zu verändern. Bis dahin konnte es nur Dinge innerhalb von 20 Zentimeter scharf wahrnehmen. Ab da weitet sich das Blickfeld auf mehrere Meter aus.

Tipp: Babys im Dunkeln stillen

Mit ungefähr vier Monaten ist das Baby also nicht mehr nur an der Brust oder dem Fläschchen interessiert, sondern an allen Dingen im Zimmer und das ist so aufregend, dass das Baby vorübergehend das Interesse am Trinken verlieren kann. Der Tipp von Dr. Brazelton: Versuchen Sie das Baby in einem dunklen Zimmer zu stillen.

Jeder Säugling ist anders

Die Individualität von Säuglingen kann man an offensichtlichen Dingen wie dem Schreien und den Bewegungen erkennen, aber auch an weniger auffälligen Mustern wie etwa der Atmung, dem Schlaf-Wachrhythmus, dem Trinkverhalten oder der Verdauung. Darauf kann man die Betreuung abstimmen. Besonders wichtig ist das bei Frühgeborenen, da gerade Frühgeborene sehr sensibel auf Reize reagieren.

"Frühchen" profitieren von individueller Betreuung

Kleinste Änderungen in der Umgebung lösen bei Frühchen große Reaktionen aus wie zum Beispiel einen beschleunigten Herzschlag. Deshalb hat die amerikanische Psychologin Heidelise ein Programm entwickelt, das Ärzte und Krankenschwestern darin schult, den Winzlingen nicht nur die beste High-tech Medizin zukommen zu lassen, sondern auch die optimale individuelle Betreuung.

Wenn Frühgeborene individuell betreut werden und sich menschlich sehr gut aufgehoben fühlen, dann verkraften sie zum Beispiel Schmerzen besser, nehmen schneller zu und brauchen weniger intensivmedizinische Eingriffe wie künstliche Beatmung.

Weniger Verhaltensauffälligkeiten

Auch das Gehirn von Frühgeborenen entwickelt sich besser, wenn sie individuell betreut werden. Infolgedessen kommt es später zu weniger Verhaltensauffälligkeiten sowie zu weniger Lern-, Verhaltens- und Gemütsstörungen.

Der Grund dafür: Bei ihnen entwickelt sich jener Hirnbereich deutlich besser, der für unsere Handlungssteuerung und unser Planen verantwortlich ist.

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Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 24. Februar 2009, 19:05 Uhr