Andreas Hirsch über Kultur, Entwicklung und Medien

Babylonisches Netzwerken

Die vielen Projekte zur Verbesserung der Lage der Menschheit sind ambitioniert, jedoch problembehafteter Teil einer postkolonialen Situation. An der Wolke digitaler Medienwirklichkeit, die diesen babylonischen Turm umgibt, sehen viele Akteure vorbei.

Der Turmbau zu Babel war ein ambitioniertes Projekt, das - folgen wir der mythischen Erzählung - an der sprichwörtlichen Babylonischen Sprachverwirrung, also an Kommunikationsproblemen der Beteiligten, scheiterte. Die vielen wohlmeinenden Projekte zur Verbesserung der Lage der Menschheit, vor allem im globalen Süden, sind ebenfalls reichlich ambitioniert, jedoch problembehafteter Teil einer postkolonialen Situation. Die Grenzen des Machbarkeitswahns in der Entwicklungspolitik sprechen sich erst langsam herum. An der gesamten Wolke digitaler Medienwirklichkeit, die den Turm umgibt, sehen viele Akteure nach wie vor geflissentlich vorbei.

Die Sprachverwirrung wird rasch sichtbar, wenn versucht wird, Kultur und Entwicklungsarbeit zusammenzubringen. Hier treffen Akteure aufeinander, die offenbar höchst unterschiedliche Bilder von der Welt, verschiedenartige Instrumentarien und erschreckend divergierende Vorstellungen haben, was eigentlich das Ziel sei.

Europäische Kommission, UNESCO, Außenministerien, internationale Fonds und zahllose NGOs eilen durch die Gänge des sprichwörtlichen Turmes. Da liegt der Verdacht nahe, dass zwar durchaus wohlmeinend agiert wird, doch stets innerhalb eines geschlossenen Systems, das sich nur auf sich selbst zu beziehen vermag, selbsterfüllend auf selbstgesteckte Ziele hin arbeitet und die Gelder oft zu einem nicht geringen Teil auch in diesen Systemen verbleiben.

Vor solchem Hintergrund muss man Bemühungen wie die Ende Jänner 2007 in Wien abgehaltene Konferenz zu "Kultur und Entwicklung" loben, mit der sich das Wiener Institut für Entwicklungsfragen und Zusammenarbeit (VIDC) bemühte, Akteure der verschiedenen Bereiche - von Sansibar bis Norwegen - an einen Tisch zu bringen, um einen Dialog in Sachen Kultur und Entwicklung zu fördern.

Gleich mehrere Mankos zeigte die Konferenz auf: Es fehlt am Dialog der NGOs mit und zwischen den Big Players von Kultur und Entwicklung. Symptomatisch dafür ist, dass die führenden Kultureinrichtungen nicht involviert sind, sondern - teilweise zeitgleich - unter sich bleibend tagen. Dabei wollte man doch eigentlich zunächst bei den Akteuren der Entwicklungspolitik für ein Verständnis der Kulturen werben, stieß bei dieser Gelegenheit auf das Fehlen einer gemeinsamen Sprache und ließ dabei leider die Medienwirklichkeit mit ihren Chancen und Risken außer Acht: Die sogenannten mainstream media, die das öffentliche Bild der Kulturen prägen, und die vielfältige Landschaft der independent media, die sich zu immer neuen Formen kultureller Kommunikation und Kollaboration gerade auch in einem wilden Sprachengewirr vorwagen, gehörten auch an diesen Tisch.

Die Direktorin des, sehr beweglich am Puls der Ereignisse und auf hohem Niveau agierenden, niederländischen Prince Claus Funds, Els van der Plas, machte ihren Vortrag zu einem Plädoyer für den engen Zusammenhang von Kultur, Menschenwürde und Hoffnung, für die Bedeutung kultureller Entwicklungsarbeit gerade in den traumatisierenden Krisenzonen dieser Erde. Die Kollateralschäden von Entwicklungsprojekten treten jedoch meist im Kontext mit den Wirkungen von globalisierten Medien und Technologie ein.

Els van der Plas war es auch, die dennoch eine positive Perspektive in eine Zukunft öffnete, in der Entwicklungszusammenarbeit ihre postkolonialen Probleme überwinden wird und in der Kulturen dabei als essenziell erkannt werden. Und in der die Chancen digitaler und vernetzter Medien von allen Beteiligten ergriffen werden können, mögen wir hinzufügen.

Andreas Hirsch ist Experte für die Kreation und Entwicklung kultureller Systeme

Mehr zu früheren Ausgaben der Netzkultur in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 4. Februar 2007, 22:30 Uhr

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