Die Zukunft der Familie - Teil 4

Familien mit zwei Identitäten

Rechtlich gesprochen ist eine Adoption "die künstliche Nachbildung eines ehelichen Kindschaftsverhältnisses. Adoptivkinder und ihre Eltern wachsen mit zwei Identitäten auf. Das Leben der Herkunftsfamilie spielt im Alltag eine wichtige Rolle.

Rechtlich gesprochen ist eine Adoption "die künstliche Nachbildung eines ehelichen Kindschaftsverhältnisses“. Dieses wird durch einen Vertrag zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind festgelegt. Bei der Minderjährigkeit des Kindes wird der Vertrag mit den leiblichen Eltern des Kindes geschlossen, - beziehungsweise mit dessen gesetzlichen Vertretern wie auch der Jugendwohlfahrtsbehörde des jeweiligen Landes.

Kind steht im Mittelpunkt

Wenn ein Kind aus dem Ausland adoptiert wird, unterliegt in Österreich dieses Verfahren dem Haager Adoptionsschutzabkommen, das seit 1999 in Kraft getreten ist. Die strengen gesetzlichen Bestimmungen sollen den Handel mit Kindern unterbinden, sagt Petra Fembek von der Organisation Family for You: "Es geht nicht darum, für eine Familie ein Kind zu finden. Es geht darum, für ein Kind eine Familie zu finden. Das Kind steht im Mittelpunkt.“

Family For You ist eine von vier Trägerorganisationen in Österreich, die in Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden den Eltern helfen, die rechtlichen Schritte für eine Auslandsadoption einzuleiten.

Der Aufbau einer gesicherten Identiät

Die Wartezeit wird von den Adoptiveltern genützt, um sich auf das Herkunftsland des Kindes einzustimmen. Kochbücher, Reiseführer, philosophische Werke: was immer das Thema des Herkunftslandes behandelt, wird gelesen.

Die wenigen Dinge, die den Kindern aus ihrem ursprünglichen Leben erhalten bleiben: Ein Photo des Waisenhauses, das Tuch, in dem sie von der leiblichen Mutter eingewickelt worden sind, werden gehütet wie Reliquien. Denn jeder Hinweis auf die Biographie hilft, im neuen Leben eine gesicherte Identität aufzubauen. Kinder fragen, und Adoptiveltern wollen antworten können.

Pflegekinder

Marion Zeillinger ist Sozialarbeiterin und seit neun Jahren Pflegemutter von drei Kindern: einem Geschwisterpaar - und einem Einzelkind. In regelmäßigen Supervisionen, die vom Jugendamt organisiert werden, trifft sie sich mit anderen Pflegeeltern, um über ihre Erfahrungen zu sprechen.

Den Pflegeeltern wird das Kind vom Jugendamt anvertraut, doch die leiblichen Eltern können jederzeit den gerichtlichen Antrag stellen, dass ihr Kind wieder bei der Herkunftsfamilie leben soll. In der Praxis sei dies aber äußerst selten, meint Marion Zeilinger. Im Gegensatz zu Adoptionen sollen Pflegekinder jedoch den Kontakt zu ihren leiblichen Eltern aufrecht halten. Wie sich diese Beziehung gestaltet, obliegt dem Feingefühl und der sozialen Kompetenz der Pflegeeltern.

Gesucht: Pflegeeltern

Im Jahr 2005 waren in der Bundeshauptstadt 1128 Kinder unter achtzehn Jahren bei Pflegefamilien untergebracht. Jährlich sind es durchschnittlich 150 Kinder, die eine neue Familie suchen. Dem gegenüber stehen etwa 100 Familien, Paare oder auch allein erziehende Eltern, die bereit sind, ein Pflegekind bei sich aufzunehmen.

Mit einer neuen Werbekampagne will das Wiener Jugendamt nun auch homosexuelle Paare ansprechen, sich auf das Abenteuer Familie einzulassen. Potenzielle Pflegeeltern werden sorgfältig auf ihre Eignung überprüft. Dabei wird sowohl die ökonomische Sicherheit als auch die soziale Kompetenz der Bewerber berücksichtigt. Mehrwöchige Einschulungskurse sollen die Bewerber auf ihre neue Rolle als Eltern vorbereiten. In diesen Kursen werden nicht nur Erziehungsfragen diskutiert. Denn auch der Umgang mit den leiblichen Eltern will gelernt sein.

Alles ansprechen

Für die Kinder bleibt aber die Frage offen, warum ihre Eltern sie abgegeben haben. Und die Pflegeeltern müssen sich diesen Fragen stellen, sagt Marion Zeillinger.

"Erklärungen sind nicht immer leicht zu finden. Denn das Leben in der Herkunftsfamilie war von dramatischen Ereignissen begleitet, für die die leiblichen Eltern Verantwortung tragen. Doch man darf nichts verschweigen. Man muss den Kindern ihre Geschichte altersgerecht erklären, in Form von einer Lebensgeschichte. Wichtig ist, dass mit dem Kind alles besprochen wird. Das ist oft schmerzvoll. Doch es gibt immer auch etwas Positives. Das Leben ist nicht nur schwarz - weiß. Auch im Zusammenleben in der Herkunftsfamilie hat es positive Momente gegeben, und die muss man gegenüber dem Kind auch betonen", meint Zeilinger.

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Hör-Tipp
Radiokolleg, Donnerstag, 25. Jänner 2007, 9:05 Uhr

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