Musikalisches Paradoxon von Pierluigi Billone
Nie da gewesene Spieltechniken
Dieses Werk verdient einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde: 70 Minuten Musik für zwei Bassklarinetten non stopp. Gespickt mit noch nie da gewesenen Spieltechniken. Petra Stump und Heinz Peter Linshalm brillieren in dieser "tour de force".
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt aus Pierluigi Billones "1 + 1 = 1"
Mit seinem Stück "1 + 1 = 1" möchte Pierluigi Billone Normen und Gesetzmäßigkeiten der Musik aushebeln. "In diesem Stück prallen Extreme aufeinander, die normalerweise nie miteinander in Berührung kommen: Meditative, zarte Momente stoßen auf expressive, Free-Jazz-artige Passsagen", erzählt der Komponist.
Ein Werk, das mit solchen Extremen arbeitet, könne nicht in einer herkömmlichen Form ablaufen: "Die musikalischen Konstellationen, die sich aus der Konfrontation der beiden Extreme ergeben, können nur als Phänomene gezeigt werden. Sie tauchen einfach auf, führen aber nirgendwo hin und kehren auch nicht wieder. Daher hat das Stück keinen Anfang und kein Ende."
Herausforderung selbst für Spezialisten
Pierluigi Billone hat "1 + 1 = 1" speziell für die Klarinettisten Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm geschrieben. Die beiden gehören zu den führenden Spezialisten für zeitgenössische Klarinettenliteratur. Dennoch war das Werk für die beiden eine große Herausforderung - und das nicht nur auf Grund seiner Länge.
"Pierluigi hat neue Techniken auf der Bassklarinette herausgefunden", erläutert Heinz-Peter Linshalm. "Ich bin mir vorgekommen wie ein Anfänger, der neue Tonarten lernt. Es sind einfach Griffe und Tonkombinationen, die noch nie da gewesen sind."
Klangsinnliche Musik
Beim Festival "Wien modern 06" hat das Duo Stump-Linshalm "1 + 1 = 1" aus der Taufe gehoben. "Dieses 70-Minuten-Werk verlangt schon eine andere Konzentration und Energie als ein Konzert mit mehreren kleinen Stücken", betont Petra Stump. "Mir kommt aber Pierluigis Werk beim Spielen immer viel kürzer vor. Es ist eine sehr klangsinnliche Musik." Das Spektrum reicht von der dünnsten Schwingung, die möglich ist, bis hin zu komplexen, weit gestreuten Klängen.
Die zwei Bassklarinetten sind in ihren Rollen übrigens gleichberechtigt. Pierluigi Billone hat sich bewusst nur auf diese beschränkt und nicht weitere alternierende Instrumente der Klarinetten-Familie dazu kombiniert. "Ich bin da einer gewissen Spartanität gefolgt. Außerdem: Die modernen Spieltechniken auf der Bassklarinette sind so vielfältig. Da hat man alles: Höhe, Tiefe, Melodie, Mehrklänge." Was braucht man mehr?
Hör-Tipp
Zeit-Ton, Montag, 22. Jänner 2007, 23:05 Uhr
CD-Tipp
Pierluigi Billone, "1 + 1 = 1", Kairos 0012602KAI
Links
Petra Stump & Heinz-Peter Linshalm
Pierluigi Billone