Wilhelm Kienzl baute auf Lokalkolorit

Das Testament

Am 17. Jänner jährt sich der Geburtstag von Wilhelm Kienzl zum 150. Mal. Anlass für einige Opernbühnen, die eine oder andere seiner Opern zu inszenieren. Zumeist fällt die Wahl dabei auf den "Evangelimann". In Linz zeigt man "Das Testament".

Liebesduett aus dem 2. Akt

Im Linzer Landestheater ehrt man das Andenken an den einzigen oberösterreichischen Opernkomponisten, der Eingang in einschlägige Musiklexika gefunden hat, mit der Aufführung seiner musikalischen Komödie "Das Testament".

Die Premiere am 3. Dezember fiel fast auf den Tag genau auf das 90-Jahr-Jubiläum der Uraufführung an der Volksoper in Wien. (Dort spielt man ab 20. Jänner wieder den "Evangelimann".)

Kienzl als Librettist

In keine andere Oper ließ Kienzl so viel Lokalkolorit einfließen, wie in sein "Testament". Die Handlung beruht auf einer Dialektgeschichte des steirischen Heimatdichters und engen Freundes Peter Rosegger. Kienzl schreibt das Libretto selbst und lässt das Stück im Ausseerland spielen.

Vom ursprünglichen Plan, eine Dialektoper zu schreiben, nahm der Komponist zwar Abstand, er lässt aber jede Menge Ausdrücke aus der Mundart einfließen, verbunden mit musikalischen Formen der Volksmusik. Penibel erkundigt sich Kienzl bei Rosegger nach den steirischen Bräuchen rund um den Fasching und um den Leichenschmaus. So stellt Kienzls Testament nicht nur aus musikhistorischer, sondern auch aus volkskundlicher Sicht ein bemerkenswertes Dokument des frühen 20. Jahrhunderts dar.

Grazer Vorfahren

Kienzl wurde am 17. Jänner 1875 in Waizenkirchen in OÖ geboren. Die Eltern stammten aus Graz, der Vater, ein frisch gebackener Rechtsanwalt, bekam damals seine Kanzlei in dieser Gemeinde im nördlichen Hausruck zugewiesen. Als Wilhelm vier Jahre alt war, übersiedelte die Familie nach Gmunden, aber bereits nach einem weiteren Jahr kehrten die Kienzls wieder nach Graz zurück.

Dennoch vergaß Kienzl seinen Geburtsort nicht. Im Gegenteil: Zahlreiche Besuche Kienzls machten aus diesem Markt weit mehr als einen zufälligen Ort der Geburt. Anlässlich des 70., 75. und 80. Geburtstages des Komponisten veranstalteten die Waizenkirchner große Feste.

Verehrerin richtete Gedenkstätte ein

Die treibende Kraft hinter diesen Festen war Matthäus Mayrhuber, der das Gasthaus führte, in dem Kienzl geboren wurde. Mayrhuber und Kienzl freundeten sich dabei so weit an, dass Kienzl und seine zweite Frau Henny 1930 die Firmpatenschaft für dessen Tochter Friederike übernahmen. Diese wurde zur begeisterten Verehrerin des Komponisten und richtete im elterlichen Gasthaus das Geburtszimmer Kienzls im Gasthaus zu einer Gedenkstätte ein.

Friederike Mayrhuber hat in diesem Raum viele Erinnerungen an Kienzls Besuche ausgestellt. Man sieht dort zahlreiche originale Fotografien des Komponisten im Kreis seiner Familie und seiner Freunde in Waizenkirchen und seiner bevorzugten Sommerfrische Aussee sowie Manuskripte und Briefe von oder an Kienzl.

Im Dienste Kienzls

Diese Ausstellung ist derzeit im Foyer des Landestheaters zu sehen. Frau Mayrhuber, heute 85 jährig, ist immer noch im Dienste Kienzls unterwegs und der Musikverein Waizenkirchen übernimmt im "Testament" den Part der Bühnenmusik beim Faschingstreiben im 1. Akt.

"Das Testament" - der Inhalt

Worum geht es im "Testament"? Im Mittelpunkt steht der angesehene, betagte Wirt und Bürgermeister des Ortes, Stefan Holzer. Seine Beliebtheit verdankt der ledig Gebliebene der Tatsache, dass er sein Vermögen seinen Freunden versprochen hat.

Um ihm die Scheinheiligkeit der Bevölkerung vor Augen zu führen, überreden ihn zwei Schlitzohren zu einer Wette: Er soll alle enterben, zum Schein Selbstmord begehen, um dann die Reaktionen seiner Zeitgenossen auf die Testamentseröffnung von einem Versteck aus mitzuverfolgen.

"Gianni Schicchi" ähnelt Kienzls Oper

Kienzls "Testament" ähnelt von der Handlung her also frappant Puccinis "Gianni Schicchi". Eine Tatsache, die auch den Komponisten selbst sehr irritierte, um nicht zu sagen ärgerte. Kienzl verfolgte in seinem Werk moralische Absichten:

Schein ist das Leben und Schein ist der Tod, Lieb nur ist Leben; sie kommt uns von Gott. Glück ist es, Andern ein Helfer zu sein. Alles verstehen, heißt alles verzeihen.

Diese Zeilen, als Choral am Schluss der Oper zu hören, bilden die Quintessenz.

Anleihen bei Wagner und Strauss

Zu dem theaterwirksamen Textbuch voller charakteristischer bis grotesker Szenen komponierte Kienzl eine Musik, die nach zutiefst romantischer Absicht, all das zum Ausdruck bringen sollte, was Worte nicht mitteilen können. Der Zuhörer wird sich im ersten Akt gelegentlich an den fünf Jahre zuvor geschaffenen Rosenkavalier erinnert fühlen, Wagner klingt vor allem in den Liebesduetten durch, bewusst zitiert Kienzl die damals noch sehr beliebte Oper "Hans Heiling" von Heinrich Marschner.

Die Uraufführung des "Testamentes" war erfolgreich. Nach einer Reihe von Wiener Vorstellungen folgte die Deutsche Erstaufführung, danach brachten die Bühnen in Graz und Nürnberg das "Testament" heraus. Dann erlahmte das Interesse an Kienzls musikalischer Komödie. Zu Recht befürchtete Kienzl: "Hoffentlich wird es nicht erst - wie üblich - nach meinem Tode eröffnet."

Hör-Tipp
Wilhelm Kienzl, "Das Testament", Samstag, 13. Jänner 2007, 19:30 Uhr

Apropos Oper, Donnerstag, 18. Jänner 2007, 15:06 Uhr

Links
Landestheater Linz
Volksoper Wien
Wikipedia - Wilhelm Kienzl