Erfolgsstory mit Bremsspuren

Die Wiener Börse

Die Wiener Börse gehört zu den erfolgreichsten Aktienmärkten der Welt. So hat sich der Wert der wichtigsten Aktien in den letzten beiden Jahren nahezu verdoppelt. Seit Jahresbeginn scheint dieser Erfolgsrun jedoch ins Stocken geraten zu sein. Ist die Party zu Ende?

Michael Buhl im Gespräch mit Herbert Hutar

Die Wiener Börse zählt zu den erfolgreichsten Aktienmärkten der Welt. Dafür verantwortlich sind weniger die Österreicherinnen und Österreicher mit ihrer Begeisterung für Aktien heimischer Unternehmen, sondern vielmehr internationale Investoren; die nämlich schätzen sehr die Nähe österreichischer Unternehmen zu Osteuropa und ihr dortiges Engagement. Seit Jahresbeginn scheint allerdings die Rekordjagd des ATX vorbei zu sein. Welche Gründe sind hiefür verantwortlich?

ATX in schwindelnden Höhen

In den letzten beiden Jahren hat sich der Wert der wichtigsten Aktien an der Wiener Börse nahezu verdoppelt. Der ATX, der Austrian Traded Index, ist auf etwa 4.400 Punkte geklettert. Mit Jahresende kletterte der Leitindex sogar auf schwindelnde 4.463,47 Punkte. Dies bedeutete ein neues Allzeithoch.

Der ATX zeigt die Entwicklung der 20 wichtigsten Aktien an der Wiener Börse. Die Aktien werden nach ihrer Marktkapitalisierung ausgesucht. Das ist der Wert eines Unternehmens, gemessen an der Anzahl der Aktien an der Börse, multipliziert mit dem Börsekurs. Ein Unternehmen mit einem großen Anteil an Streubesitz wiegt an der Börse daher schwerer als ein eventuell größeres Unternehmen, das aber die meisten Aktien in Familienbesitz hält und nur wenige Aktien an die Börse gebracht hat. Am schwersten wiegt im ATX die Erste Bank mit 20 Prozent, gefolgt von OMV, Telekom Austria und Raiffeisen International.

Flaute seit Jahresbeginn

Seit Jahresbeginn ist es aber offenbar mit der Rekordjagd der vergangenen Monate vorbei. Der ATX liegt nur noch bei 4.300 Punkten. Fachleute prophezeien für die nächsten Monate so manchen Schrecken für die Aktienbesitzer. Sind die Kurse überzogen, hat sich eine Blase gebildet, die jetzt platzt?

"Nein", meint Michael Buhl, einer der beiden Chefs der Wiener Börse. "Die Aktienkurse sind solide!" Das rasante Wachstum der Aktienkurse der beiden letzten Jahre begründet er mit dem Gewinnwachstum der Unternehmen. Im Schnitt seien die Börsekurse der im ATX notierenden Unternehmen etwa so stark gestiegen, wie die Gewinne der Unternehmen. So entstünden auch die Prognosen über die Kursentwicklung: "Die Aktien-Analysten der Banken sehen sich die Planungen der Unternehmen an und orientieren sich dann an den Gewinnprognosen", erklärt Buhl.

Schwankende Kurse erwartet

Der Börsenchef bestätigt auch, dass es vor allem die großen Erfolge in Osteuropa seien, die die österreichischen Unternehmen an die Spitze brächten: "Das sind Exporte ebenso wie Gewinne aus Direktinvestitionen. Und da wiederum sind es Firmenkäufe ebenso wie die Gründung eigener Tochtergesellschaften oder Filialen."

Wenn die Analysten jetzt vor Kurseinbrüchen - vor allem in den ersten Monaten 2007 - warnen, so liege das daran, dass die Kurse schon in der Vergangenheit rasant gestiegen seien, meint Buhl: "Und wenn es zu Irritationen etwa durch den Ölpreis oder wegen anderer politischer Ereignisse - etwa Terror - kommt, machen die Anleger eben die Kursgewinne schnell zu Geld und verkaufen. Und das wird zu relativ stark schwankenden Kursen führen - eben deswegen, weil die Anleger in relativ kurzer Zeit relativ viel verdient haben", betont er.

Positiver Blick in die Zukunft

Auf lange Sicht ist Börsechef Michael Buhl aber zuversichtlich, dass die Aufholjagd in Osteuropa in den nächsten zehn bis 15 Jahren anhält: "Wenn das Wachstum bei den unmittelbaren Nachbarn wie Ungarn oder Tschechien auch schwächer wird, Rumänien und Bulgarien sowie in der Folge auch Russland und die Ukraine oder die Balkanländer versprechen nach wie vor beste Export- und Investitionschancen."

Der Privatisierungsstopp, den die neue Bundesregierung jetzt vorhat, sieht Michael Buhl nur als eine vorübergehende Erscheinung. Er meint, in einigen Jahren könnten auch andere Bundesländer dem Beispiel Niederösterreichs mit der EVN folgen und ihre Energiegesellschaften an die Börse bringen.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 12. Jänner 2007, 9:45 Uhr

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