Dieter Meier, Musiker, Filmemacher, Schriftsteller

Nur Idioten haben keinen Zweifel

Mit der 1979 gegründeten Gruppe "Yello" wurde er ein Weltstar, seine Arbeiten als Künstler werden in zahlreichen Filmfestivals und Kunstausstellungen gezeigt. Mit "Hermes Baby" ist Dieter Meier jetzt auch unter die Schriftsteller gegangen.

Yello waren die Pioniere des Techno

Dieter Meier hat - bei allem Selbstzweifel an seinen Fähigkeiten - Erstaunliches geschaffen: Als Performance-Künstler und experimenteller Filmemacher wurde er früh zu internationalen Festivals eingeladen, seine Werke wurden bei großen Kunstausstellungen gezeigt, seine Videos und Fotoarbeiten wurden vom Museum of Modern Art New York ebenso angekauft wie vom Zürcher Kunsthaus, seine frühen Filme wurden auf dem Filmfestival in Cannes präsentiert, als Künstler war er auf der Documenta vertreten.

Immer noch gehört

Mit Yello wurde er zum Weltstar - die Band verkaufte an die 14 Millionen Platten -, komponierte zahlreiche Soundtracks für Filme und schuf mit experimentellen Musikvideos zu ihren Songs ungewöhnliche visuelle Welten, die danach von vielen kopiert wurden.

Die erste - beinahe eher zufällig entstandene - Platte der beiden Soundbastler Boris Plank und Dieter Meier landete 1979 über glückliche Umwege bei einer Radiostation in New York. Was folgte, war der Megahit "The Race". Ein weiterer Welthit war "Oh yeah!", ein Hit, der bis heute in Amerika bei allen sportlichen Großveranstaltungen wie etwa der Super Bowl zu hören ist und von Tausenden mitgesungen wird.

Kindheit in Zürich

Oh yeah, es ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte, auf die Dieter Meier heute zurückblicken kann. Die zahlreichen CDs der Gruppe Yello sind noch immer gefragt - das zeigt ein Blick in einen Plattenladen in Zürich. Dieter Meier verkauft in der Schweiz Biofleisch von seinen Rinderfarmen in Argentinien. Er dreht Filme in Amerika. Zuletzt machte er als Schriftsteller auf sich aufmerksam. Er veröffentlichte im Ammann-Verlag das Buch "Hermes Baby" mit ausgewählten Essays und literarischen Notizen, verfasst auf einer alten mechanischen Schreibmaschine. Diese "Hermes Baby", die kleine olivgrüne Schreibmaschine, die man so gut auf Reisen mitnehmen kann, steht auf dem Arbeitstisch in Dieter Meiers Büro in Zürich.

In seinem Buch erinnert sich Dieter Meier in kurzen Passagen immer wieder an seine Kindheitsjahre in der Schweiz. 1945 wurde er in Zürich geboren. Im Buch schreibt er von diesem Zürich des "Knaben Meier-Sohn", von den vertrauten Plätzen und Wegen, vom Grün der Schürze von Frau Ott, von der Werkstatt des Schreiners Sturzenegger, vom Geruch des frisch gesägten Holzes, von der tiefen Stimme von Frau Zingg, der Frau des Polizisten, und von seinen Eltern.

Die Föhnlagen der Quaibrücke, das Kratzen der Schneeschaufel auf den Pflastersteinen, das kleine Holzbrett, auf dem der Zweitklässler Peter Wiederkehr mit unverständlicher Sorgfalt in der Badi Tiefenbrunnen seine Tomaten schnitt, bevor er sie salzte, und die Schweißringe auf der hellblau-hellrosa gestreiften Bluse der Lehrerin, wenn die Schulbaracke beim Illigen A im Juli so heiß wurde, dass Hitzeferien verkündet wurden, dort ist meine Heimat, und alles, was ich seither sehe, rieche oder höre, wird im Hirn des 54-jährigen Zauberlehrlings Meier-Sugus relativiert durch jene ersten Begegnungen, die mich heute noch mehr bestimmen als die Arbeit an irgendeinem Spielfilm oder die Pyramiden des Ramses.

Experimentierfreudig

Mit experimentellen Filmen und ungewöhnlichen Porträts macht der junge Dieter Meier auf sich aufmerksam. Jahre später werden seine Filme bei den Filmfestivals von Cannes und Berlin gezeigt. Neben dem Experimentieren mit der Kamera reizt ihn auch bei der Begegnung mit Menschen das Spiel mit Erwartungen, mit festgefahrenen Rollen. Er agiert als Performance-Künstler auf den Straßen und Plätzen von Zürich.

Es folgen weitere - von den Medien mit viel Aufmerksamkeit begleitete - Aktionen und Happenings in Zürich, vor dem Justizgebäude ebenso wie im Schauspielhaus. Dieter Meier wird in der Schweiz als Performance-Künstler bekannt, seine Auftritte erregen Aufmerksamkeit, die internationale Kunst-Szene wird auf ihn aufmerksam, erste Ausstellungen und Einladungen folgen. Nach drei Jahren Performance-Kunst entdeckt er eine neue Ausdrucksform für sich: die Musik.

Die Band Yello ist plötzlich weltberühmt. In seinem Buch "Hermes Baby" erinnert sich Dieter Meier, der laut Eigendefinition "weit gereiste Dilettant, Schausteller und Kettensprenger" auch an diese wilden Jahre des Erfolgs der "digitalen Blaskapelle Yello", an den Beginn seiner Karriere im "Pophöchstalter von 35 Jahren". Zum Markenzeichen von Yello wurde nicht nur der Sound, der sie zu Pionieren der elektronischen Popmusik, der Technoszene werden ließ, legendär sind auch die von Dieter Meier gestalteten Musikvideos.

"Schreiben ist wie Bergsteigen"

Dieter Meier, Vater von fünf Kindern, zum zweiten Mal verheiratet, lebt heute mit seiner Familie an drei Orten: in der Schweiz, in Kalifornien und in Argentinien. An allen drei Wohnorten wartet eine alte Schreibmaschine auf ihn, eine mechanische Schreibmaschine vom Typ "Hermes", er hat sich gleich mehrere gekauft, für alle Fälle.

"Schreiben ist für mich wie Bergsteigen", sagt er im Gespräch. "Ich bin süchtig und hasse es, allein in der Wand. Da hilft dir keiner, da bist du ganz auf dich allein gestellt. Ich erfahre meine Grenzen nirgendwo präziser als beim Schreiben. Ich hänge über dem Abgrund, am Seil der Demut, und versuche zu lachen."

Der Humor kommt in seinen Betrachtungen jedenfalls nie zu kurz. Mit einem Augenzwinkern beendet er auch das Buch:

Zwei Zeilen noch, und dann ist Schluss.
Noch einmal wags ich, und dann Kuss.
Soll man dem Reimer Meier traun?
Wen kümmert das? Auf Wiederschaun.

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 7. Jänner 2007, 14:05 Uhr

Buch-Tipp
Dieter Meier, "Hermes Baby", Ammann Verlag, ISBN 978-3250600930

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Yello