Eine lebendige Szene

Neue Gospelmusik aus Uganda

In Uganda hat sich eine Gospelszene etabliert, die dem viel geschmähten Genre neue Impulse gegeben hat. Kirchenfürsten sind erzürnt über die "schmutzigen Bewegungen", die zu einer Mischung aus Funk, Hip Hop, Disco und Folklore vollführt werden.

"Wipolo", gesungen von Pastor George Okudi

Weitgehend ungeachtet von der europäischen Wahrnehmung hat sich im ostafrikanischen Uganda eine lebendige Gospelszene herausgebildet, die dem viel geschmähten Genre neue Impulse und eine neue Richtung gegeben hat.

"Wipolo", das es bis in die Hitparaden gebracht hat, ist ein gutes Beispiel dafür. Uganda ist ein weitgehend missioniertes und christianisiertes Land, in dem allerdings neben der katholischen und anglikanischen Kirche in erster Linie die in Europa weniger vertretenen unorthodoxeren Strömungen wie Presbyterianer, die Pentecostal Church und die Wiedergeborenen-Bewegung den Ton angeben.

Bunte christliche Vielfalt

Dieser Form des christlichen Lebens ist in Uganda schwer zu entkommen. Bei Fahrten durch das Land ist es nichts ungewöhnliches - besonders an Mittwochabenden - festlich gekleidete Menschen sich am Straßenrand um Wanderprediger scharen anzusehen. Beim Versuch, ugandisches Fernsehen zu schauen, hat man ab 22:00 Uhr auf allen drei Kanälen nur noch die Wahl zwischen verschiedenen Fernsehpredigern und Liveübertragungen aus den diversen Kirchen.

Und beim Kontakt mit der Bevölkerung passiert es mehr als einmal, dass sich der Betreffende, noch bevor er seinen Namen nennt, mit dem Satz "I am a born again lady" oder "I am a born again man" vorstellt.

Überlaufene Kirchen

Die ugandischen Kirchen sind im Gegensatz zu den europäischen überlaufen. Beim Besuch eines von drei sonntäglichen Gottesdiensten in der Kampala Pentecostal Church KPC vermeint man zunächst die etwa 500 Gläubigen hätten sich zunächst irrtümlich um einen Fernsehapparat statt eines Predigers versammelt, dabei hat man nur einen Nebenraum betreten, in den über den Fernsehapparat die Zeremonie aus dem hoffnungslos überfüllten Hauptraum übertragen wird.

Dieser ist auch nicht gerade klein hat die Anmutung eines abgefuckten Großkinos mit Parterre und Balkon und fasst cirka 1000 immer wieder in Ekstase verfallende Menschen.

Die Predigt wird nicht anders als hierzulande eher durchgesessen, wenn auch von gelegentlichen "Halleluja"- und "Praise the Lord"-Rufen unterbrochen. Richtiges Leben in die Bude kommt aber naturgemäß erst auf, wenn der Song-and-Dance-Teil der Messe beginnt.

Verzückung, Ekstase, Trance

Dann erscheinen auf einem Powerpointbildschirm wie in einem Karaoke-Lokal Texte zum Mitsingen. Dann beginnt die Musik. Dann beginnt der Tanz. Dann springen 1.000 Menschen von ihren Sesseln auf und shaken sich weg und verfallen unter den unwahrscheinlichsten aber wunderschön anzuschauenden Verrenkungen von Armen und Beinen in Verzückung, in Ekstase und in Trance.

Sie verführen exakt die gleichen Bewegungen, die man Tage zuvor von nahezu allen Gruppen eines gesamtugandischen, großen Folklorefestivals gesehen hat. Wer missioniert hier wen? Christianisierung oder Heidnisierung? Europäisierung oder Afrikanisierung? Verwestlichung oder Versüdlichung? Synthese oder Unterwanderung?

"Schmutzige Gesten"

Diese Entwicklung ist auch den Kirchenoberen nicht entgangen. In einem großen Artikel in der Stadtzeitung von Kampala beklagt sich Pastor Godfrey Njagala über die Gruppe Born Again Dancers, über ihre "schmutzigen Gesten und Bewegungen" und die Zuseher, "diese schlimmen Heuchler".

Aber gerade diese Mischung aus Funk, Rap, Hip Hop, Disco und Folklore scheint den Erfolg dieser neuen Gospelbewegung auszumachen. Die Künstler selbst sind sich keiner Schuld bewusst und berufen sich auf die Bibel - insbesondere auf König David, der auch getanzt haben soll. "Man kann ein guter Christ sein und sich trotzdem am Leben erfreuen", sagt Anthony Musala, Gewinner des letztjährigen Gospelmusic-Awards.

Religiöse Energie

Ein allerletztes Vorurteil kommt auch noch ins Wanken: Wir sind ja geneigt, uns für extrem aufgeklärt zu halten und uns über (christliche) Gläubige lustig zu machen, aber wenn die Gemeinde beim letzten Song in eine ähnliche Ekstase gerät wie man sie bei uns nur von Popkonzerten her kennt und nur noch die Feuerzeuge fehlen, stellt sich doch die Frage, inwieweit in unseren Gesellschaften die religiöse Energie nur anders kanalisiert ist.

Hör-Tipp
Spielräume Spezial, Sonntag, 17. Dezember 2006, 17:10 Uhr

Link
Wikipedia - Uganda