Der Austropopper über seine Kindheit
Georg Danzer gestorben
Poplegende Georg Danzer, von seinen Freunden und Fans liebevoll "Schurli" genannt, ist nach seiner im Herbst bekannt gewordenen Krebserkrankung gestern 60-jährig gestorben. Er wurde bereits heute im engsten Familienkreis eingeäschert.
8. April 2017, 21:58
Günter Kaindlstorfer: Im Amaltea-Verlag ist im Dezember ein Buch erschienen, eine Art Biografie, die Sie mit dem Journalisten Christian Seiler erarbeitet haben. "Jetzt oder nie" ist ein Buch in Interview-Form. Wie ist dieses Buch entstanden?
Georg Danzer: Prinzipiell wollte ich das mit dem Christian Seiler machen, weil ich ihn schon eine geraume Zeit kenne und ihn als Journalisten und mittlerweile auch als Freund sehr schätze. Entstanden ist das Buch eigentlich aus der Not eine Tugend machend. Mein Manager hatte ein hochfliegendes Projekt geplant gehabt, eine Art von Anthologie mit Interviews und allen Plattencovers. Das war nicht zu finanzieren.
Ich hatte mit Christian Seiler aber schon davor vier, fünf Stunden Gespräche geführt. Das wurde alles aufgenommen. Das Hauptverdienst liegt beim Christian Seiler, weil er ja das mit seinen Fragen gesteuert hat. Es ist keine Autobiografie, sondern es ist eine Art von langem Interview.
Das Buch liest sich sehr spannend, dieses dialogische Prinzip funktioniert sehr gut. Gleich am Anfang des Buchs überraschen Sie mit einer Feststellung: Mit 17 oder 19 Jahren hätten sie gemerkt, Sie wollen Künstler werden. Der Grund: Es wäre eine gute Möglichkeit, "alle meine Mankos zu sublimieren". Jetzt kennt man Georg Danzer als sehr erfolgreichen Künstler, g'scheiten Burschen, als einen durchaus auch sehr feschen Mann. Da fragt man sich: Was kann Georg Danzer für Mankos gehabt haben?
Die Pubertät ist nicht der erste Zeitpunkt, wo man draufkommt, dass man anders ist als die anderen.
Das haben Sie schon früher gehabt?
Das habe ich schon in meiner Kindheit gemerkt, in der Volksschule und davor im Kindergarten. Das begann in einer Zeit, wo alle normalen Buben Fußball spielen. Ich wollte lieber lesen und meine Ruh haben. Ich wollte nicht an Raufereien beteiligt sein, ich wollte mich keinen Wettbewerben aussetzen, ich wollte weder verlieren, noch gewinnen. Weil wenn man gewinnt, tun einem die Verlierer leid, und wenn man verliert, tut man sich selber leid. Ich habe mit 17, 18 gemerkt: Hey, du kannst ein bisschen Gitarre spielen und schreibst Gedichte - versuch doch mal aus dem ganzen Lieder zu machen.
Sartre hat ja gesagt, er habe alles nur geschrieben, um den Frauen zu imponieren. War das auch ein Beweggrund?
Interessant, das haben offenbar viele Leute gesagt, ich kenne das Zitat in abgewandelter Form auch von John Lennon, der gesagt hat, er sei nur Rockmusiker geworden, weil man da unheimlich viele Frauen abschleppen kann. Wenn man sich seine Biografie anschaut, dann dürfte er diese Möglichkeiten ziemlich ausgereizt haben.
Tatsache ist, dass ich mit 17, 18 natürlich ein schüchterner junger Mann war, wenig gesegnet mit diesem satten Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, wie ich das heute bei jungen Leuten immer wieder erstaunt und überrascht feststelle. Ich habe immer das Gefühl gehabt: Du musst wahnsinnig viel zuhören und von anderen was lernen, und das Mäuschen spielen im Hawelka, wenn an den Tischen, wo die intelligenten Existenzialisten sich über Sartre und van Gogh unterhalten, schön die Pappen halten und die Ohren aufmachen und alles aufsaugen, was da geredet wird.
Wie muss man sich das Wien der 1950er, frühen 1960er Jahre vorstellen? Viele schildern das als eine wahnsinnig trostlose Stadt, als eine deprimierende Stadt. Wie haben Sie das erlebt?
Ich bin 1946 geboren. Ich kann mich noch an die vielen Ruinen erinnern, an die Bombetrichter. Für mich war das als Kind völlig normal, das waren so meine Abenteuerspielplätze. Wien war düster und trostlos und miefig. Es roch irgendwie streng. Es war keine wirklich glückliche Stadt. Und auch Sendungen wie am Sonntag Heinz Conrads' "Was gibt es Neues" haben das widergespiegelt. Da waren kitschige Stücke, teilweise sehr traurige Lieder. Aus der Sicht des kleinen Mannes die Ereignisse der Woche Revue passieren zu lassen, das hat alles einen unheimlichen Mief ausgestrahlt.
Es war auch in den 60er Jahren noch nicht wirklich besser. Als wir alle von Swinging London und von Liverpool und den Beatles und den Kinks geträumt haben, war Wien immer noch eine Stadt, wo um halb zwölf in der Innenstadt der Gehsteig hochgeklappt wurde. Es hat erst unter Helmut Zilk begonnen sich wesentlich zu bessern, als der sich diesen ganzen damals entstehenden Lokalen geöffnet hat, die es in der Innenstadt plötzlich gab. Es sind immer mehr Ausländer gekommen, Japaner, Italiener, interessante Leute, die deutlich besser gekleidet waren und deutlich lustiger ausgeschaut haben und fröhlichere Gesichter hatten als so Durchschnittswiener.
Wenn man heute in einem Auto sitzt und es fährt ein Autobus vorbei und man schaut sich die Pensionisten an, die da drin sitzen: Die haben alle ein angefressenes Gesicht. Es lacht keiner. So gesehen hat sich aus dieser Zeit in Wien einiges erhalten.
Sie haben vor einem halben Jahr einen schweren gesundheitlichen Rückschlag erlitten, es wurde bei Ihnen Lungenkrebs diagnostiziert.
Wenn man jetzt an das Thema von der Seite der Gesundheit herangeht, dann ist das tatsächlich für mich am 28. Juli, an den Tag werde ich mich natürlich immer erinnern, schon ein sehr schwerer Schlag gewesen, als ich diese Diagnose erhalten hab. Es ging letztlich von mir aus, dieser Wunsch, mich untersuchen zu lassen, weil ich gespürt habe, irgendwas stimmt mit mir nicht. Ich habe keine körperlichen Symptome gehabt, aber ich habe mich nicht wohl gefühlt und war immer ein bisschen unglücklich. Es war vorher den ganzen Juli über diese Austria-3-Tournee mit dem Wolfgang Ambros und dem Reinhard Fendrich und ich hab' immer das Gefühl gehabt, ich gehöre da nicht dazu, ich habe mit mir selber eine innere Unwucht herumgeschleppt. Das hat mich dazu geführt, 'rauszufinden, was da tatsächlich dahinter steckt.
Was hat diese Krankheit in ihrem Leben verändert?
Nachdem ich mein ganzes Leben immer nur sehr kurzzeitprojektartig geplant hab, maximal ein halbes Jahr, hat sich da wesentlich nichts verändert. Ich würde jetzt gerne sagen: Man lebt bewusster. Das kann ich aber guten Gewissens auch nicht sagen, weil es nicht ganz stimmen würde. Weil ich hab vorher auch nicht unbewusst gelebt. Ich bin mir dessen bewusst, dass es nicht nur mein Problem ist, sondern auch natürlich das Problem all jener Menschen, die an mir hängen, die mich lieben und auf mich nicht verzichten wollen. Das heißt, wenn ich ein Single wäre und keine Kinder hätte, dann könnte ich sagen: Naja, eigentlich hast 60 Jahre lang gut gelebt, was willst denn? Wie lange hast du gedacht, wird das noch so weiter gehen? Letzten Endes betrachte ich diese Erkrankung auch nicht als Schicksalsschlag, weil ich nicht ans Schicksal glaube, sondern glaube, dass man in jedem Zeitpunkt der Gegenwart die Zukunft gestaltet und dass nicht irgendetwas Vorbestimmtes über dem Kopf schwebt wie ein Damoklesschwert. Im Englischen sagt man "shit happens". Irgendwann reißt man halt was auf.