Ein Teil des Genoms

Retroviren

Retroviren sind eine spezielle Klasse von Viren, die Ihre Erbinformationen in das Genom ihres Wirtsorganismus, auch dem des Menschen, einbauen. So werden diese Viren zu einem Teil von uns. Zu diesen Viren zählt unter anderen auch das AIDS-Virus.

Wovon man lange annahm, dass es nur in grauer Vorzeit passierte - das passiert auch heute noch: eine spezielle Klasse von Viren baut ihre Erbinformation in das Genom der Wirtorganismen, so auch in das menschliche Erbgut ein.

Dass es diese spezielle Klasse von Viren gibt, weiß man nicht erst seit dem Aufkommen der Immunschwächekrankheit Aids, die eben durch ein Retrovirus hervorgerufen wird - aber man dachte es gebe sie nur bei Tieren. Denn wenn man die etwa von der Maus oder anderen Tieren bekannten Retroviren in menschliches Serum gab, schaffte es das Komplementsystem - das sind immunologisch wirksame Eiweiße im Blut - sehr rasch, innerhalb von wenigen Minuten diese tierischen Retroviren abzutöten.

Mit der Entdeckung des HTL-V, das beim Menschen eine spezielle T-Zell-Leukämie auslöst und kurze Zeit später mit der Entdeckung des Aids-Virus war jedoch rasch klar, dass es auch humane Retroviren gibt, gegen die das an sich immunologisch hochwirksame menschliche Komplement-System nichts auszurichten vermag.

Retroviren und die Artenschranke

Dass Retroviren meist nur artspezifisch infizieren hängt damit zusammen, dass ein entsprechender Rezeptor vorhanden sein muss, damit es zu einer Infektion kommen kann. So verfügen Katzen eben über den entsprechenden Rezeptor für das Leukose auslösende Katzenretrovirus und Pferde über den entsprechenden Rezeptor für das Pferde-Retrovirus, sodass Katzen- oder Pferdeviren für den Menschen ungefährlich sind.

Es gibt allerdings auch Retroviren, die einen weniger spezifischen Rezeptor benötigen, über den mitunter mehrere Spezies verfügen. Die Evolution hat dazu geführt, dass Viren und derer Wirt meist so optimal auf einander abgestimmt sind, dass die allermeisten Viren zu keiner Krankheit führen, weil sich Viren und Wirt an einander angepasst haben - allerdings über äußerst lange Zeiträume hinweg.

Daher passierte und passiert im Laufe der Evolution es immer wieder, dass ein Virus von einer Art auf die Andere überspringt. Meistens ist die andere Art der Mensch, und zwar immer dann wenn er seine Lebensgewohnheiten verändert und in neue Bereich und Nischen vorstößt. So war zum Beispiel auch das Masernvirus ursprünglich ein Rindervirus. Als der Mensch vor zehntausenden von Jahren begann Rinder zu züchten, übersprang das Virus die Artengrenze. Der evolutionäre Anpassungsprozess an dieses Virus ist auch heute noch nicht abgeschlossen.

Möglicher therapeutischer Nutzen von Retroviren

Beispiel der neueren Zeit für Viren die vom Tierreich auf den Menschen übergesprungene sind, sind SARS und das Aids-Virus. Das Problem mit Retroviren ist, dass sie - wenn ihr Erbgut einmal in die Zellkerne ihres Wirts eingebaut ist - von dort nicht mehr wegzubringen sind, sagt der Virologe Walter Günzburg

Aber genau die Eigenschaft, dass Retroviren in den Zellkern eindringen können, versucht man seit einiger Zeit auch therapeutisch zu nutzen. Die Wissenschaftler versuchen Viren zu erzeugen die therapeutische Gene direkt in die Krebszelle tragen, die dann durch das Gen getötet wird. Man verwendet hiefür natürlich nur Viren, deren krankmachendes Potenzial ausgeschaltet wurde.

Ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung des Lebens

Retroviren können, wie das Beispiel HIV zeigt, lebensbedrohliche Infektionskrankheiten hervorrufen, ihre Fähigkeit bis in den Zellkern ihres Wirts vordringen zu können, kann auch therapeutisch genutzt werden - und sie haben eine wichtige Rolle in der Evolution gespielt.

Denn Retroviren haben dazu beigetragen, dass sich Leben zur heutigen Form entwickeln konnte. So ist unter anderem auch unser hochkomplexes Immun-System aus der evolutionären Auseinandersetzung mit Viren allgemein und Retroviren im speziellen hervorgegangen.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 29. November 2006, 19:05 Uhr

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