Was passiert mit unseren kleinen Gemeinden?
Wohnen im Schlafdorf
Ein Trend in vielen Städten: Wohnen am Land, Arbeiten in der Stadt. Dörfer gewinnen zwar Einwohner, verlieren aber Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Infrastruktur. Eine Recherche in dem kleinen Ort Grinzens in der Nähe von Innsbruck.
8. April 2017, 21:58
Soziologe Werner Reichmann und Stimmen aus dem Dorf
Die Bevölkerung nimmt zu. Gleichzeitig wächst der Speckgürtel um die Ballungszentren: Ein schönes Häuschen im Grünen, wo es absolut ruhig ist - dieses idyllische Leben verwirklichen sich immer mehr Städter. Das bringt Gemeinden in Schwierigkeiten.
Schauplatz Grinzens
Grinzens - ein malerischer Ort im Tiroler Mittelgebirge. Doch das Dorf hat Probleme. Es gibt kaum mehr Betriebe in diesem Ort. Früher wurden noch sechs Gasthäuser bewirtet. Heute findet man kein einziges mehr. In Grinzens gibt es auch keinen Bäcker, keinen Metzger und keine Post. Greißler? Auch davon keine Spur mehr! Auf der Hauptstraße signalisieren heruntergelassene Jalousien, dass der letzte Lebensmittelladen geschlossen hat.
Werner Reichmann, Soziologe an der Universität Innsbruck, sieht darin allerdings kein Problem: "Auch Einkaufszentren sind Kommunikationsstätten!, meint der Wissenschaftler.
Tourismus als Patentrezept?
"Man muss versuchen, dass man wieder ein bisserl Fremdenverkehr nach Grinzens bringt, ist Martin Kastl überzeugt. Darüber sind die Meinungen der Grinzener allerdings geteilt. Grinzens soll keine "Aufwachtlergemeinde werden, poltert Ludwig Wegscheider: "Wenn man sich die neureichen Orte ansieht, in denen der Tourismus blüht, dann ist das nur mehr Horror! Obwohl: Gar keiner, wie wir es haben, ist auch schlecht, räumt er ein.
Tourismus wird in Tirol als Patentrezept gesehen - besonders Golfplätze. Ein Golfplatz unterhalb des Dorfes soll auch Grinzens aus seinem Dornröschenschlaf wieder wachrütteln. Doch von so einem Prinzen wollen nicht alle Grinzener wach geküsst werden. Schon einmal scheiterte ein Golfplatzprojekt an einem Grundbesitzer. Jetzt wird wieder ein Projekt ausgearbeitet, in dem Axams und Grinzens miteinander einen Golfplatz bauen sollen. 60 Prozent der Flächen wären dabei in Grinzens, der Rest in Axams.
Golfen? Kein Bedarf!
Die Entscheidung für den Golfplatz ist bereits im Gemeinderat gefallen. Manche Bewohner sind damit aber gar nicht einverstanden. Golfplatz bedeutet in den Augen von Edith Kastl-Reinalter Gefahr: "Wenn es zu Fehlschüssen kommt, wird es für die Anrainer natürlich auch gefährlich! Zudem fürchte sie sich vor dem Lärm.
Dem Landwirt Eugen Kofler macht wiederum die Bewässerung Sorgen. "Nicht, dass in 20 Jahren am Ende der Golfplatz grün bleibt und die Leute dann kein Trinkwasser mehr haben!, warnt er. Außerdem sei man als einheimischer Grinzener besser im Dorfgasthaus aufgehoben als mit den Golfern zusammen. Das sei das Hauptproblem, sagt Eugen Kofler: "Auch wenn die Golfer sicher anständige Leut sind." Und Edith Kastl-Reinalter ergänzt: "Grinzens ist nun mal ein Schlafdorf. Da gibt es keinen Bedarf für einen Golfplatz."
Handicap
Die Hoffnung der Gegner ruht jetzt auf Alois Kapferer. Auf dem Areal des geplanten Golfplatzes gehört ihm eine kleine Parzelle. Der Druck auf ihn sei groß, gibt der kleine Mann zu. Aber er findet, der Grund sei so hochwertig, dass er für einen Golfplatz zu schade sei ...
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Dienstag, 21. November 2006, 18:25 Uhr
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Links
tiscover.at - Grinzens
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Golf-Verband
Land Tirol
Universität Innsbruck
Werner Reichmann