Ein kultureller Dienstleister im Porträt
Stahlkabel durch die Brust
Didi Bruckmayr versteht sich als Entertainer und kultureller Dienstleister, und ist dabei nicht nur ein außergewöhnlicher Sänger, Vokalist und Performer, sondern auch ein scharfsinniger gesellschaftlicher Beobachter. Nun erschien sein neues Album.
8. April 2017, 21:58
Didi Bruckmayr und sein jüngstes Opus
Didi Bruckmayr versteht sich allem voran als Entertainer und dabei als ein kultureller Dienstleister, sei es nun in der Musik, im Theater oder in der Videokunst. Und mit Didi Bruckmayr kann man auch tatsächlich sehr viel Spaß haben, es sei denn, man ist gewillt sich einzulassen - auf eine Reise in Zwischenwelten, in der lang antrainierte Erklärungsmuster mitunter plötzlich nicht mehr greifen und man sich von Grund auf neu orientieren muss.
Wer sich dabei gerne auf Metaebenen begibt, wird auch reichlich fündig, denn Bruckmayr ist nicht nur ein außergewöhnlicher Sänger, Vokalist und Performer, sondern auch ein scharfsinniger gesellschaftlicher Beobachter.
Von der Orgelmusik zum Punkrock
Seine musikalische Laufbahn begann der vielseitige Künstler in Linz als Orgelstudent mit dem Ziel, später auch tatsächlich Kirchenorgel zu spielen. 1977, im Alter von elf Jahren, erzählt Bruckmayr, durfte er dann aber in England erstmals Punkrock erleben. Das hat ihn nachhaltig beeinflusst.
Mit der Beendigung des Bundesheeres war die Organistenkarriere gelaufen. Schnell hätte er alles vergessen, was er in den Jahren zuvor in Musiktheorie gelernt hatte. Geblieben ist Bruckmayr die Freude am Experiment mit der eigenen Stimme, die ihn zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon viele Jahre lang begleitet hatte. "Ich hab ja als kleiner Bub schon der Ochsenfrosch geheißen, weil ich so eine laute Stimme gehabt hab, und ich hab immer ganz komische Geräusche gemacht, das war schon so eine Spielerei von mir. Die Hyperventilation war irgendwann ein Phänomen, man wurde high davon. Diese Zustände habe ich immer gesucht, und die suche ich auch heute noch."
Unverkennbare Klangsprache
Seine ganz individuelle und unverkennbare Klangsprache hat Didi Bruckmayr aber nicht nur durch das sich Hyperventilieren in Extremzustände gefunden, sondern auch aufgrund der Ermangelung des ersehnten elektronischen Geräts.
Nachdem er nämlich 1976 Kraftwerk im Fernsehen gesehen hatte, wollte Bruckmayr unbedingt einen Synthesizer haben; der sei damals aber schlichtweg nicht finanzierbar gewesen: "Und daraufhin hab ich sehr viel mit dem Mund gemacht, den Synthesizer also mit der Stimme simuliert."
Starke Bühnenpräsenz
Didi Bruckmayr hat nicht nur eine markante Stimme und auch eine sehr spezielle Art diese Stimme einzusetzen, er beeindruckt auf der Bühne auch mit seiner durchwegs präsenten Erscheinung.
Das liegt natürlich zum einen an der üppigen Verzierung seines Körpers, es liegt aber auch an der für ihn so typischen Performance.
Zwischen E und U
Die Beschäftigung mit der Arbeit von Didi Bruckmayr ist auch eine Reise durch das weite Land zwischen E und U. Bruckmayr arbeitet immer wieder mit dem Komponisten Peter Androsch zusammen.
In der langen Liste der Musikerinnen und Musiker, mit denen er schon gemeinsam aufgetreten ist, finden sich weiters unter anderem Judith Unterpertinger, Fennesz, Karlheinz Essl, Boris Hauf, Martin Siewert und Hannes Löschl. Eines seiner langjährigsten Projekte, neben Wipe Out, ist aber die Musik- und Performance-Band Fuckhead.
Bandprojekt Fuckhead
Fuckhead stehen nicht nur für eine durchwegs brachiale Musikdarbietung, sondern auch für eine kunstvoll durchinszenierte Beinahe-Freikörperkultur, die die Geister mitunter schon auch zu spalten vermag, etwa dann, wenn zwei der Bandmitglieder den zwei anderen Bandmitgliedern jeweils das Ende einer Wäscheleine zwischen die Backen ihrer Allerwertesten klemmen, um daraufhin die vorab sich gegenseitig vom Leib gezerrte Unterwäsche aufzuhängen.
Grundsätzlich würde es in ihren Shows eben auch um die Darstellung sexueller Ambivalenz gehen, so Bruckmayr. Als Testosteron geflutete, nackte, männliche Performer zelebrieren Fuckhead offensiv die etablierten Rollenspiele des heterosexuellen, männlich dominierten Rock Business, um sie gleich im nächsten Atemzug durch Homoerotik zu brechen. Womit Fuckhead natürlich am männlichen Stolz und an der männlichen Eitelkeit des Rock Business gehörig rütteln.
Stahlkabel durch die Brust
Didi Bruckmayr versteht sich in erster Linie als Entertainer, aber er fordert dabei auch von seinem Publikum die Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Es sei eine Wechselwirkung. Er versuche, möglichst gut zu sein, damit sein Publikum möglichst viel Spaß habe und auch eine Faszination erlebe. Im Gegenzug würden ihm die Leute etwas zurückgeben. Gemeinsam mit dem Publikum könne er sich dann weiter vorwagen, "an die Außenränder, wo es wirklich anstrengend wird".
Es gab einen Knackpunkt, an dem das Publikum mit Didi Bruckmayr nicht mehr mit wollte. Damals als er sich während einer Show mit Fuckhead im Wiener WUK ein Stahlkabel durch die Brustmuskulatur fädeln ließ, um sich an diesem schließlich über der Bühne aufhängen zu lassen.
Bruckmayr dazu: "Da haben die Leute gesagt, jetzt gehen wir nicht mehr mit. Das war eine Verletzung von uns. Was du da mit dir auf der Bühne machst, ist eigentlich dein Privatkaffee, aber wir wollen das nicht mehr sehen. Wir kommen, weil wir Spaß haben wollen und sind eh gewillt, einiges zu erdulden oder zu erleben, aber das kam so unvorbereitet und ist so gewalttätig. Es ist negativ, genau. Das ist Negativität, die durchaus berechtigt sein kann, aber natürlich nicht zu 100 Prozent. Und das war für mich dann schon auch ein Punkt, wo ich gesagt habe: Ja, man wird zu eigensinnig. Denn eigentlich - und das ist ja auch mein zentrales Anliegen - soll es um Kommunikation gehen."
Hör-Tipp
Zeit-Ton, Donnerstag, 16. November 2006, 23:05 Uhr
CD-Tipp
Didi Bruckmayr, "A little Warning from the Pimps", Angelika Köhlermann, AK027/MONCD029
Links
mica - Interview mit Didi Bruckmayr
myspace - Didi Bruckmayr
monkey - "A Little Warning From The Pimps"
Fuckhead
Angelika Köhlermann