Das 30-Jahre-Update

Grenzen des Wachstums

Die drei Autoren Dennis Meadows, seine inzwischen verstorbene Frau Donella und der norwegische Wirtschaftswissenschaftler Jörgen Randers haben ein 30-Jahre-Update von "Grenzen des Wachstums", des Klassikers der Umweltbewegung, verfasst.

Wenn sich nichts ändert, dann wird sich alles ändern. Zunächst gehen die Trends weiter wie bisher: wachsende Industrieproduktion, wachsende Nahrungsmittelproduktion, wachsende Weltbevölkerung. In etwa 15, 20 Jahren beginnt der Niedergang.

Der materielle Lebensstandard fällt bis Ende dieses Jahrhunderts auf das Niveau des Jahres 1900 oder sogar darunter, auch die Lebenserwartung fällt, ebenso schnell oder noch rascher, als sie in den letzten 100 Jahren gestiegen ist. Das alles, wenn die Politik so weitergeführt wird wie bisher und lebenswichtige Ressourcen immer knapper werden. Und das ist die Annahme für Szenario Nummer 1 im Weltmodell "World 3", der Aktualisierung des Club-of-Rome-Berichts von 1972 über die "Grenzen des Wachstums".

"1972, als unser erster Bericht erschien, fand es fast jeder unvorstellbar, dass menschliche Aktivitäten dem Planeten wirklich schaden sollten", sagt Dennis Meadows. "34 Jahre später ist ganz klar, dass das nicht nur möglich war, sondern dass wir es auch getan haben. Das Loch in der Ozonschicht ist größer als jemals zuvor; gerade letzte Woche ist ein Bericht erschienen, dass es in zwei Jahrzehnten keine Meeresfische mehr geben wird. Solche Entwicklungen gibt es auf der ganzen Erde."

Möglich Abläufe statt Prognosen

Die drei Autoren des neuen Buchs - Dennis Meadows, seine inzwischen verstorbene Frau Donella und der norwegische Wirtschaftswissenschaftler Jörgen Randers - betonen gleich mehrmals, dass sie nicht eine Prognose erstellen. Stattdessen beschreiben sie 13 mögliche Abläufe - 13 Szenarien, wie sich die Welt in den nächsten knapp 100 Jahren entwickeln könnte.

Das Buch enthält nur Zusammenfassungen, denn das aktualisierte Modell "World 3" beinhaltet mehr als 200 Gleichungen, für jedes einzelne Szenario wurden über 80.000 Zahlenwerte berechnet. Die Formeln und alle Daten sind auf einer eigenen CD-Rom erhältlich, ebenso wie auch die ursprüngliche Studie von Beginn der 1970er Jahre.

Die Innovation steckte damals wie heute nicht in den verwendeten Daten; die sind alle frei zugänglich. "Bahn brechend", so Dennis Meadows nicht ganz ohne Stolz, "war der Denkansatz, Entwicklungen in Ökologie, Wirtschaft, Politik, Technik wie auch kulturelle Faktoren in ein Modell zu packen."

Neue Methoden für Simulation
Die Daten aus den Bereichen Demografie, Landwirtschaft, Wirtschaftswissenschaften und so weiter in Formeln zu gießen, das war seinerzeit die Herausforderung für Meadows' Arbeitsgruppe am Bostoner MIT. Jay Forrester fand dort Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre neue Methoden, die komplexen Zusammenhänge der realen Welt zu simulieren.

Die so genannte Systemdynamik erlaubte es, auch jene Phänomene zu berücksichtigen, die im alltäglichen Denken schwer vorstellbar sind: positive und negative Feedbackschleifen, also einander verstärkende oder abschwächende Wirkungen, und vor allem die schwer zu begreifenden Auswirkungen exponentiellen Wachstums - wie es in jeder Zinseszinsrechnung vorkommt, aber auch in der globalen Entwicklung der letzten Jahrzehnte.

"Wir wissen ganz sicher, dass das materielle Wachstum auf der Erde aufhören muss", so Meadows. "Wir wissen ebenfalls ganz sicher, dass der Verbrauch von Energie, Wasser und anderen Ressourcen drastisch zurückgehen muss. In unseren Studien zeigen wir, dass der wahrscheinlichste Weg von Wachstum zu Rückgang einer ist, den man Kollaps nennen kann: ein plötzlicher Einbruch."

Technische Entwicklungen als Chance
Ein Ende materiellen Wachstums muss nicht ein Ende des Wohlstands bedeuten. In technischen Entwicklungen steckt die Chance auf enorme Effizienzsteigerungen, auf die drastische Verringerung von Umweltbelastungen und auf die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen.

Wenn neue Techniken vor allem dafür eingesetzt werden, Ressourcen wie Metalle, Erdöl und andere nicht erneuerbare Rohstoffe zu gewinnen, dann kann zwar die Industrie in aller Welt ein paar Jahrzehnte länger wachsen. Umso härter wird aber der Zusammenbruch. Explodierende Umweltverschmutzung und eine kollabierende Nahrungsmittelproduktion lassen die Lebenserwartung noch vor Mitte des 21. Jahrhunderts steil abstürzen. So die wenig beruhigende Aussicht in Szenario 2 der aktuellen Studie.

Verzögerte Wirkung
Alles hängt davon ab, in welche Richtung die Weichen gestellt werden. Und selbst in den positivsten Szenarien von Meadows und seinen Koautoren, wenn nämlich weltweit entschieden wird, so viele Mittel wie möglich in ökologisch nachhaltige Entwicklung zu investieren, selbst dann ist in den kommenden Jahrzehnten mit einigen Verschlechterungen zu rechnen. Auch dafür sorgt eine Eigenschaft komplexer Systeme: die verzögerte Wirkung vieler Faktoren.

"Ein großer Irrtum vieler Ökonomen ist die Annahme, dass man sich von einmal gemachten Fehlern freikaufen kann. Aber leider ist Vieles nicht rückgängig zu machen. Wenn man eine Spezies ausrottet, kann man sie nicht zurückkaufen", so der Chemiker Meadows.

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Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

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Buch-Tipp
Donella H. Meadows, Dennis L. Meadows und Joergen Randers, "Grenzen des Wachstums - Das 30-Jahre-Update. Signal zum Kurswechsel", aus dem Englischen von Andreas Held, Hirzel Verlag, ISBN 3777613843

Veranstaltungs-Tipp
Club of Vienna, Symposion "Technologiebedingte Ursachen des Wachstums", Mittwoch, 15. November 2006, 9:00 Uhr, Kommunalkredit Austria AG

Links
The Club of Rome
Club of Vienna