Quereinsteiger im Vormarsch
"Tatort"-Kommissarin als Jazzsängerin
Eva Mattes, seit 2002 als "Tatort"-Kommissarin Klara Blum einem breiten Fernseh-Publikum bekannt, wagt sich ins Metier des Jazz. Sie ist nicht allein. Von Nina Hagen bis Katja Riemann reicht die Palette der Jazz-Quereinsteigerinnen.
8. April 2017, 21:58
Eva Mattes in ungewohnter Rolle
Schauspielerin Katja Riemann tut es. Bassbariton Thomas Quasthoff ebenso. Und Nina Hagen hat es sogar schon zweimal getan. Nein, es geht hier nicht um die Befriedigung autoerotischer Gelüste auf den "Club 2"-Fauteuils dieser Welt, die Sache ist gewissermaßen eine noch erstaunlichere: Alle drei Genannten haben sich in jüngster Zeit als Jazzsängerinnen und -sänger profiliert und einschlägige CDs veröffentlicht (Quasthoff arbeitet gemeinsam mit Trompeter Till Brönner gerade an einer solchen).
Nun wagt sich mit Eva Mattes, seit 2002 als "Tatort"-Kommissarin Klara Blum einem breiten Fernseh-Publikum bekannt, eine weitere deutsche Schauspielerin in dieses Metier. Auf der CD "Language of Love" singt sie Klassiker wie "Besame Mucho", "My Funny Valentine" oder "Body and Soul" - einfach, weil für die erprobte Musical- und Operetten-Sängerin "jetzt erst die Zeit dafür ist". Denn: "Pop ist nicht so mein Ding. Jazz kommt meiner Stimme schon sehr nahe", meint sie in einem Interview mit dem "Concerto Magazin".
Trend seit Jahrzehnten
Mattes klinkt sich damit in einen Trend ein, der seit Ende der 1990er Jahre - der Vorläufer war wohl Sting, der schon Mitte der 1980er mit dem Gil Evans Orchestra auftrat - zumeist ältere Pop-Stars wie Rod Stewart, Boz Scaggs, George Michael, Bryan Ferry oder Paul Anka in die Gefilde von 30er-Jahre-Swing und/oder des Great American Songbook treibt.
Breitenwirksamte Tat war wohl Robbie Williams' Frank-Sinatra-Hommage "Swing When Youre Winning" (2001), mit der der als juveniler Popo-Entblößer bekannte Ex-Teenie-Star einen erstaunlichen Imagewandel hin zum schwiegersohntauglichen Crooner vollzog.
Christina Aguilera hat den Blues
Neuerdings geht sogar die junge US-Popsängerin Christina Aguilera "Back To Basics" und erweist Jazz und Blues auf dem gleichnamigen Doppelalbum ihre diskrete Reverenz (auch wenn sie die jazzlastigen Stücke sicherheitshalber auf der zweiten CD versteckt).
Zunehmende Klassizität
Woran also liegt es, dass das von Außenstehenden zuweilen als elitär, sperrig oder verstaubt empfundene Jazz-Genre sich dergestalt plötzlich neuer Hippness erfreut? Zum einen hat es wohl mit der zunehmenden Geschichtsträchtigkeit sowohl des Jazz als auch des Rock und Pop, ihrer zunehmenden Klassizität, zu tun, damit der geringeren sozialen Codierung, der abnehmenden Anbindung an bestimmte Lebensentwürfe, an Haltungen.
Die Schritte über die Genregrenzen lassen sich indessen auch deshalb leichter tun, weil diese prinzipiell durchlässiger geworden sind, ja, weil Purismus zunehmend out ist, während jene über kulturelles Kapital verfügen, die - sinnbildhaft - "über den Kategorien" stehen. Zudem hat der Jazz in den letzten 25 Jahren zwischen Wynton Marsalis, Diana Krall und Norah Jones (so man diese nicht eher in Richtung jazzinspirierter Folk-Pop verortet) einige attraktive und erfolgreiche "Role Models" hervorgebracht, die in Jazzerkreisen zwar kritisch betrachtet werden, die darüber hinaus aber dem Genre unbestritten ein jüngeres, hipperes Image verpasst und ihm so neue Breitenwirksamkeit beschert haben. Nein, der Jazz ist heute keine Musik für alte Männer mehr. Und das ist zweifellos gut so.
Hör-Tipp
Jazztime, Dienstag, 7. November 2006, 21:16 Uhr
CD-Tipp
Eva Mattes, "Language of Love", Spv Record B000EHRYEO
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