Vertrauen als Geschäftsbasis

Ist der Homo oeconomicus ein Kind?

Sind Menschen, die Geschäfte machen, nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht oder suchen sie Lösungen, die für alle Geschäftspartner gut sind? Die Forschung zeigt: Vertrauensfähigkeit und -würdigkeit sind die Basis für den Erfolg wirtschaftlicher Beziehungen.

Theoretisch ist der Mensch ein Egoist. Er wägt alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ab und entscheidet sich dann für die, die ihm den maximalen materiellen Nutzen zu bringen verspricht.

Homo oeconomicus nennen Wirtschaftwissenschafter dieses theoretische Modell des ausschließlich rational entscheidenden Menschen. Im wahren Leben denken und entscheiden Menschen um einiges komplexer.

Vertrauen als Basis von Verträgen

"Das Modell des Homo oeconomicus liefert vor allem für die internationalen Finanzmärkte plausible Vorhersagen", sagt der Finanzwissenschafter Matthias Sutter. Denn hier ist das klare Ziel aller Menschen, die am Handel teilnehmen, möglichst viel Geld zu verdienen - ohne Rücksicht darauf, wie sich das auf die anderen auswirkt.

"Anders ist das, wenn zwei Menschen miteinander eine langjährige Geschäftsbeziehung haben. Sie werden daran interessiert sein, Lösungen zu finden, die für beide positiv sind." Hier kommt ein Faktor ins Spiel, der nach Sutters Ansicht von den Wirtschaftwissenschaften in den letzten zehn bis zwanzig Jahren unterschätzt worden ist: der Faktor Vertrauen.

Eine geschäftliche Beziehung kommt nur dann zustande, wenn beide Beteiligten davon ausgehen, dass der oder die andere den Vertrag auch erfüllen wird. Als "Sicherheitsnetz" fungiert das Vertrauen in das Rechtssystem - das Wissen, dass nicht eingehaltene Verträge einklagbar sind.

Wer kooperiert, gewinnt

Um herauszufinden, wer wem wie viel Vertrauen entgegenbringt, haben Matthias Sutter und Martin Kocher mit über 600 Personen, eingeteilt in sechs Altersgruppen von achtjährigen Kindern bis zu siebzigjährigen Pensionisten, folgendes Experiment gemacht:

Person A bekommt zehn Geldeinheiten. Alles, was sie an Person B abgibt, wird von der Spielleitung verdreifacht. Person B entscheidet dann, wie viel sie an Person A zurückgibt. Je mehr Person A im ersten Schritt abgibt, umso höher wird das Spielbudget. Person B kann das Vertrauen von Person A honorieren und viel zurückgeben - oder alles für sich behalten. Das beste Ergebnis wird herauskommen, wenn beide kooperieren.

Vertrauen steigt mit dem Lebensalter

"Wir haben herausgefunden, dass Kinder ihrem Gegenüber wenig Vertrauen entgegenbringen. Die Achtjährigen gaben im Schnitt nur zwei der zehn Geldeinheiten ab", erzählt Matthias Sutter. Je älter die Probanden waren, um so mehr gaben sie ab - und umso mehr bekamen sie im Gegenzug auch zurück, denn der Vertrauensvorschuss wurde von den Gleichaltrigen auch entsprechend honoriert.

Die Vertrauensfähigkeit und auch die Vertrauenswürdigkeit nehmen also mit dem Lebensalter zu, folgert der Finanzwissenschafter: "Wir lernen im Lauf unseres Lebens, dass wir uns auf andere verlassen können und dass Vertrauen honoriert wird."

Das Handeln von Kindern

Kinder kommen in ihrem Verhalten also dem egoistischen Homo oeconomicus am nächsten. Würden alle Menschen so handeln wie Kinder, dann wäre es um die Wirtschaft schlecht bestellt: Mangels Vertrauen würden viele Transaktionen unterbleiben. Und davon würde letztlich niemand profitieren.

Hör-Tipp
Dimensionen-Magazin, Freitag, 3. November 2006, 19:05 Uhr

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