Konrad Becker über die Schaffung von Realitäten
Kultur als Sicherheitsdiensleistung
Gibt es in Österreich einen Kulturkampf? Jedenfalls war Wahlkampf. Und im Zuge von Ressortbesetzungen, wird auch das Thema Kulturpolitik kurz aufflackern. Bald darauf werden sich dann alle einigen, dass es kein wichtiges Thema ist.
8. April 2017, 21:58
Einer der Spitzenkandidaten kritisierte unlängst die Kultur der "kleinbürgerlichen, selbsternannten Eliten", an die man sich ja dann doch immer wieder gern anschmiegt. Kaum verwunderlich, wenn einer politischen Instrumentalisierung von Kunst jahrelang nichts inhaltlich entgegensetzt werden konnte, so verweist das nicht zuletzt auch auf einen Mangel an Verständnis aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen von Kultur.
Ein Defizit auch im kulturellen Diskurs, das sich in halbherzigem Aufbegehren einerseits, elitärem Kunsthandwerk oder einem verblassten Mythos der Kreativwirtschaft andererseits, spiegelt.
Und dennoch, gerade in einer von Kommunikationstechnologien durchdrungenen Informationsgesellschaft hat Kunst und Kultur einen besonderen Stellenwert. Kunst untersucht Mechanismen und Symbole der Repräsentation und die Technologien der Artikulation. Das lässt sich auf das Malen von Äpfelchen, eine Apotheose der Macht, oder auf Siebdruckportraits vermeintlicher Eliten ebenso anwenden, wie auf eine kritische Hinterfragung von Systemen symbolischer Dominanz, der kulturellen Analyse biopolitischer Hegemonie oder der Veränderung des Alltags in der Informationsgesellschaft. Vor allem aber ermöglicht kulturelle Intelligenz die Wahrnehmung der zunehmenden Verschmelzung von Fakt und Fiktion in der Welt der Medien.
In medialen Desinformationsgesellschaften ist die Artikulation öffentlicher Meinung weitgehend verschwunden und wird durch Öffentlichkeitsarbeit ersetzt. Für jene die dafür bezahlen, ist Öffentlichkeit eine Ware weltweit operierender Medienunternehmen, Nachrichtendienste und staatlicher Agenturen.
Ein Informationsschauplatz der von einem Mix homogenisierter Medieninhalte, gleichartiger, sich stets wiederholender Bilder und Informationen, bestimmt ist. Ein Großteil des Materials stammt direkt aus den Labors dieser Meinungsküchen, und ein wenig Selbstkritik ist Teil der Strategie.
"Das Grundlegende Werkzeug zur Manipulation ist die Manipulation von Wörtern. Wer die Bedeutung von Worten kontrolliert, steuert diejenigen die, diese Wörter verwenden müssen" schreibt der amerikanische Autor Philip K. Dick.
Ausgehend von Ideen der Psychoanalyse, war Edward Bernays, ein Neffe von Sigmund Freud, ein Begründer der modernen Public Relations. Im New York der 1920er Jahre brüstete er sich "den Willen der Massen nach Belieben manipulieren" zu können ohne dass sie es auch nur merken würden. Joseph Goebbels, ein eifriger Leser seiner Werke, war begeistert von diesen Möglichkeiten: "Worte können geformt werden, um darin Ideen zu verkleiden."
In einer deregulierten Welt globaler Auseinandersetzungen gibt es keinen Unterschied zwischen Krieg und Frieden, Krieg ist immer und überall. Informationskriege und low-intensity-Konflikte sind nicht mehr länger eingrenzbar und nutzen ein breites Spektrum machtpolitischer Instrumentarien.
Die neuen Wachstumsindustrien, Sicherheitsdienstleistungen, Private Military Companies und Public Relations, verschmelzen zunehmend oder sind über große Wirtschaftskonglomerate eng miteinander vernetzt. Militarisierung und Kommerzialisierung sind kein Widerspruch. Gleichzeitig gibt es eine zunehmende technologische, personelle und finanzielle Konvergenz zwischen der Unterhaltungsindustrie und der Hightech Rüstungsfirmen, daher sprechen viele inzwischen von einem Military Entertainment Komplex.
Heute besitzt jede größere Firma einen War Room und große PR Konzerne wie Hill & Knowlton, die Rendon Group, oder L3 bieten Unternehmen, Regierungen oder Diktaturen ein breites Spektrum an Strategischer Kommunikation und "Truth Projection". Aber die Inszenierung von Wirklichkeiten geht weit darüber hinaus die Bevölkerung mit Fähnchen auszustatten und jubeln zu lassen. Harold Burson, der Gründer des legendären PR Konzerns Burson-Marsteller sagt: "Wir handeln nicht mit Bildern sondern mit Realität".
In einer Ökonomie der Begrifflichkeit die von Militarisierung und Kommerzialisierung beherrscht wird, scheint für semiotische Demokratie und eine Kultur der Veränderung kein Platz zu sein. Aber in einer von strategischer Kommunikation dominierten Welt, nehmen Konzepte der kulturellen Intelligence, die Auseinandersetzung mit taktischer Realität, einen besonderen Stellenwert ein. Eine Politik der Selbstaneignung von Begrifflichkeiten ergibt die Möglichkeit Wirklichkeit da zu verändern wo sie entsteht, in der Sprache und ihren Bildern.
Immer mehr Kunstschaffende entdecken diese Möglichkeiten und fühlen sich dieser Aufgabe verpflichtet. Kunstprojekte wie "Global Security Alliance" thematisieren die Schaffung von Realität durch eine zunehmend kulturalisierte Sicherheitspolitik und von ökonomischen Interessen getragene strategische Kommunikation.
Kunst als Sicherheitsdienstleistung, eine kulturpolitische Maßnahme, wird derzeit im öffentlichen Raum von München erprobt. Basierend auf lokalen Kriminalstatistiken beauftragte das Kulturreferat, auf Satellitenfotos deutlich erkennbar, zahlreiche Schattenbilder schwarzer Kampfhubschrauber auf den Strassen der Stadt.
Lautsprecherwagen und Grossbildschirme, wie sie zunehmend auch von der Polizei bei Demonstrationen eingesetzt werden, gehören ebenso zu den Straßenfeste und Modenschauen dieser neuen Kunst der Sicherheit im öffentlichen Raum. Ist diese Verbindung von Kunst und Leben das Modell einer neuen politischen Kultur?
Konrad Becker ist Autor, Künstler und Organisator leitet das Institut für neue Kulturtechnologien/t0. Zahlreiche Veröffentlichungen und Veranstaltungen im Bereich Kunst, Wissenschaft und elektronische Medien.
Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 22. Oktober 2006, 22:30 Uhr
Download-Tipp
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Links
Global Security Alliance
Crash Test Dummy
Dictionary of war