Unendliche Stille

Franz Schuberts "Meeresstille"

Franz Schubert hat Goethes "Meeresstille" in zwei Versionen vertont. In der zweiten Fassung lässt Schubert jede überflüssige Note weg, und verstärkt die unendliche Stille der Szene. Franz Liszt hat Schuberts "Meeresstille" für Klavier bearbeitet.

Drei Mal "Meerestille" im Vergleich

Es ist unglaublich, was für eine Musik in diesen Liedern steckt. Kein Komponist versteht wie er, richtig zu deklamieren. Bei ihm kommt aber immer das Beste so selbstverständlich heraus, als könnte es nicht anders sein.
(Johannes Brahms über Franz Schubert)


Das Schubert-Lied "Meeresstille" trägt die Nummer DV 216. Es gibt noch eine andere Version der Goethe-Vertonung. Sie ist genau einen Tag vor der viel berühmteren zweiten Fassung entstanden, am 21. Juni 1815. In dieser zweiten Fassung lässt Schubert jede überflüssige Note weg, ein bisschen entschärft er auch das Element der Furcht, und verstärkt die unendliche Stille der Szene.

Lange Noten, alles gesagt

Nicht viel, was da passiert, nur arpeggierte zerlegte Akkorde im Klavier, kaum Bewegung in der Melodielinie, lange Noten, und trotzdem: alles gesagt. Die ganze Bangigkeit der Todesstille - schließlich hieß Meeresstille im Zeitalter der Segelschifffahrt nichts Idyllisches, sondern bedeutete existentielle Bedrohung.

Dietrich Henschel hat sehr nuanciert diese beklemmende Situation geschildert, am Klavier begleitet von Helmut Deutsch.

Transkription für Klavier

Franz Liszt stellt sich auch noch ein, mit einer Transkription des Schubert-Liedes aus dem Jahr 1837. Sehr interessant, wie es ihm mit einem Mittel nur gelingt, neben dem bewegungslosen Wasser und seinen Arpeggi, die Furcht darzustellen: Er tut das mit tiefen Tremoli im Bass. Im Tonbeispiel zu hören: Leslie Howard.

Nur einen Tag vor der gängigen, bekannten Fassung von Schuberts Meeresstille schreibt er eine erste Version. Es wäre falsch, diese Fassung nur als Skizze für einen großen Wurf zu betrachten. Wenn man das Lied nicht sehr gut kennt und die Noten nicht vor sich hat, könnten man leicht glauben, es handle sich um ein und dasselbe Stück.

Größere chromatische Spannung

Der Unterschied liegt im Detail. Das Lied ist zwar in derselben Tonart, aber eine Terz höher gesetzt, eine größere chromatische Spannung und damit verbunden intensiveres Angstgefühl ist in der dritten und vierten Zeile des Gedichts spürbar, bei der Textstelle: "und bekümmert sieht der Schiffer glatte Fläche rings umher".

Auch ist diese erste Version um drei Takte länger. Angereichert um zwei Takte Zwischenspiel und einem eintaktigen Nachspiel, die die zweite Version nicht kennt. Wenn auch Schubert, selbstkritisch, verbessert, für uns sind beide Fassungen bewundernswert.

CD-Tipps
Franz Schubert, "An den Mond" - Chants Nocturnes, Dietrich Henschel, Helmut Deutsch, harmonia mundi France HMC 901822

Franz Liszt, Das Gesamtwerk für Soloklavier, Vol.32, Die Schubert Transkriptionen, Leslie Howard, Hyperion CDA 66954/6 (3 CD)

Franz Schubert, Hyperion Schubert Edition Vol. 7, Elly Ameling, Graham Johnson, Hyperion CDJ 33007

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