Sängerin mit Kultstatus
Galina Wischnewskaja
Sie galt als "Primadonna assoluta" des Bolschoi-Theaters, bis ihr das Leben und Wirken in einem totalitären Staat wie der ehemaligen Sowjetunion schließlich unerträglich geworden ist. Am 25. Oktober feiert Galina Wischnewskaja ihren 80. Geburtstag.
8. April 2017, 21:58
Aus der Schluss-Szene von "Eugen Onegin"
Galina Wischnewskaja wurde am 25. Oktober 1926 in Leningrad geboren, mit 18 Jahren war sie schon als Soubrette am dortigen Operettentheater engagiert, trat als Konzertsängerin auf, beschloss dann allerdings doch, eine Karriere als Opernsängerin einzuschlagen.
1953 ist ihr schließlich der Sprung ans Moskauer Bolschoi gelungen und bald galt sie für das sowjetische Regime auch als äußerst beliebter Exportartikel, sozusagen ein hochattraktives Propagadainstrument, mit dem man weltweit reüssieren konnte.
"Tatjana" war Debütrolle
Die Debütpartie von Galina Wischnewskaja am Moskauer Bolshoi war die "Tatjana" in Tschaikowskys Eugen Onegin. Fast 30 Jahre später hat sie in Paris in derselben Partie von der Bühne Abschied genommen.
Am Bolshoi gehörte die Leonore in Beethovens Fidelio zu Wischnewskajas ersten große Aufgaben. Alexander Melik-Paschajew hat diese Produktion damals betreut, ihr erklärter Lieblingsdirigent am Bolshoi und auch er hat sich darauf gewissenhaft vorbereitet, hat sich dazu sogar von der ostdeutschen Lindenoper einen Mitschnitt unter Hermann Abendroth besorgt. Schließlich war das zu dieser Zeit nicht so einfach wie heute, wo auf CD ja jede Menge Fidelio-Aufnahmen und Mitschnitte zur Verfügung stehen.
"Unendlich schwierig"
"Für eine Anfängerin, deren Karriere mit den ersten Rollen steht und fällt, ist die Leonore eine unendlich schwierige Partie", erinnert sich die Wischnewskaja in ihren Memorien: "Sie ist es sogar für eine erfahrene Sängerin."
Mitte der 50er-Jahre dürfte die Wischnewskaja allerdings noch kaum geahnt haben, dass sie einmal fast genau so viel Mut brauchen würde wie die Leonore in Beethovens Freiheitsoper, um sich aus den politischen Zwängen ihrer Heimat zu befreien.
Aus Sowjetunion ausgebürgert
20 Jahre später hat sie diesen Mut dann auch gefunden: Zusammen mit ihrem Ehemann Mstislaw Rostropowitsch hat sie der Sowjetunion den Rücken gekehrt, beide legten den bei Künstlern nicht selten anzutreffenden Opportunismus ab und blieben zu guter letzt auf allen Linien Sieger: 1978 ausgebürgert, wurden die Wischnewskja und Rostropowitsch nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft schließlich feierlich und in allen Ehren wieder aufgenommen.
Viel beachtete Autobiographie
Ein Happy End quasi, das in ihrer viel beachteten Autobiographie von 1984, in dem sie gnadenlos mit dem Regime abgerechnet hat, nicht einmal noch Utopie sein konnte, trotzdem oder vielleicht gerade deshalb ist dieses Buch bis heute absolut spannend und lesenswert geblieben.
Die Aida war eine weitere Schicksalsrolle von Galina Wischnewskaja. Mit der Nilarie hat sie seinerzeit bei einem Wettbewerb den Sprung ans Moskauer Bolshoitheater geschafft und als Aida feierte sie ebenso ihren ersten Auslandserfolg.
Früher internationaler Ruhm
Die Wischnewskaja gehörte also zu jener kleinen und exklusiven Künstlerschar, für die der eiserne Vorhang stets willig geöffnet wurde, unter Bedingungen allerdings, die kaum ein westlicher Künstler dieses Ranges akzeptiert hätte. Wie das jeweils im Detail abgelaufen ist, liest sich heute geradezu abenteuerlich.
Tatsache aber bleibt, dass sie dadurch immerhin schon sehr früh auch international bekannt geworden ist, an der MET, an der Scala, in London, leider kaum in Wien. Gerade vier Repertoirevorstellungen verzeichnet die Wiener Staatsopernchronik, zwei Mal Tosca, zwei Mal Butterfly, Anfang der 70er-Jahre. Und damit teilt sie das Schicksal so mancher berühmter Zeitgenossinnen aus dem Sopranfach, wie etwa Joan Sutherland oder Beverly Sills, Leyla Gencer, Magda Olivero und nicht zuletzt ja auch Maria Callas. An ihnen allen haben die diversen Wiener Operndirektoren stets bewusst oder unbewusst vorbeigehört.
1982 hat sich die Wischnewskja von der Bühne zurückgezogen - im Konzertsaal und für Platte und CD aber war sie weit länger aktiv: im Juli 1987 etwa bei einer Gesamteinspielung von Boris Godunow im Kennedy Center von Washington.
Mehr zum Tod von Mstislaw Rostropowitsch in oe1.ORF.at
Buch-Tipp
Galina Wischnewskaja, "Galina. Erinnerungen einer Primadonna", Piper, ISBN: 3492282431
Links
EMI - Galina Wischnewskaja
Vishnevskaya-Rostropovich Foundation