Friedensnobelpreisträger Alfred Hermann Fried
Verdrängt und vergessen
83 Mal wurde die weltweit erste Auszeichnung für besondere Verdienste um den Frieden bislang vergeben. Zwei Mal in der Geschichte ging der begehrte Preis auch an Österreicher: 1905 an Bertha von Suttner und 1911 an Alfred Hermann Fried.
8. April 2017, 21:58
Dass der Publizist und Verleger Alfred Hermann Fried zu den Vorkämpfern der europäischen Friedensbewegung gehörte, wissen heute nur noch wenige. Der Zeithistoriker Walter Göhring hat sich in den letzten Jahren auf eine intensive Suche nach den Spuren Frieds begeben - eine Suche, die ihn quer durch Archive und Bibliotheken in der Schweiz, den USA, den Niederlanden, Ungarn, der Slowakei und Österreich geführt hat. Ergebnis dieser Spurensuche ist eine 300 Seiten starke, mit viel Empathie geschriebene Biografie eines Mannes geworden, der mit seinen theoretischen Arbeiten bis in die Gründung der UNO und der Europäischen Union hineingewirkt hat.
Zwei Schlüsselerlebnisse
Alfred Hermann Fried wird 1864 in Wien geboren und wächst in einer kleinbürgerlichen, liberal orientierten jüdischen Familie auf. Im Zuge des Börsenkrachs von 1873 verlieren seine Eltern ihr gesamtes Vermögen; Fried muss früh neben der Schule arbeiten. In der dritten Klasse bricht er das Gymnasium ab und fängt eine Buchhändlerlehre an.
Der Besucht Frieds 1881 einer Ausstellung des russischen Friedensmalers Wassilij Wassilijewitsch Wereschtschagin in Wien bewirkt bei Fried ein radikales Umdenken. Zehn Jahre später kommt es zum zweiten Schlüsselerlebnis. Fried lebt mittlerweile in Berlin und ist zu einem aufstrebenden Verleger avanciert. Eines Tages liest er vom Plan einer Frau, eine Österreichische Friedensgesellschaft zu gründen. Diese Frau ist Bertha von Suttner. Was folgt ist eine Zusammenarbeit, die bis zum Tod Suttners 1914 andauert.
Herausgeber der "Friedens-Warte"
Alfred Fried stürzt sich von nun an ganz in die Friedensarbeit: 1892 ist er Mitbegründer der Deutschen Friedensgesellschaft, ab 1894 besucht er regelmäßig internationale Friedenskongresse, ab 1899 gibt er die "Friedens-Warte" heraus, eine Zeitschrift für Friedenssicherung und internationale Organisation, die bis heute erscheint.
Fried beginnt in diesen Jahren, auch eine eigene pazifistische Theorie zu entwickeln, die er wissenschaftlich zu stützen sucht. Grundlage seines Konzepts des "revolutionären Pazifismus" ist die Beseitigung von Kriegsursachen durch die Schaffung einer internationalen Rechtsordnung, die das friedliche Zusammenleben der Völker regelt. Sein langfristiges Ziel ist es, eine Weltorganisation zu schaffen, die über ein integriertes Schiedsgericht verfügt und damit Sicherheit und Garantien bietet.
Gegen alle Widerstände
Je bekannter Fried als Friedensjournalist wird, desto stärkere Probleme bekommt er in Berlin. 1903 geht er nach Wien zurück und setzt als engster Mitstreiter Bertha von Suttners seine Arbeit fort - gegen alle Widerstände, die sich sowohl gegen seine jüdische als auch seine soziale Herkunft richten. Seine Mitgliedschaft bei den Freimaurern ist ihm dabei eine große Hilfe.
Frieds Bekanntheitsgrad steigt, er publiziert, hält international Vorträge, engagiert sich karitativ. 1911 erhält er schließlich den Friedensnobelpreis - gemeinsam mit Tobias Asser, dem Organisator der Internationalen Organisation für Privatrecht im Haag.
Machtloser Völkerbund
Um den Frieden in Europa steht es zu diesem Zeitpunkt jedoch schon schlecht. Als 1914 der Krieg ausbricht, muss Fried auf Grund seiner Kritik am Herrscherhaus und am Militär in die Schweiz fliehen. Dort gibt er die verbotene "Friedens-Warte" weiter heraus und entwickelt Konzepte für eine zukünftige Friedensregelung Europas - Konzepte, die dem 14-Punkte-Programm des amerikanischen Präsidenten Wilson ähneln, auf den er große Hoffnungen setzt.
In den Friedensverhandlungen von Versailles kann Wilson sein Programm, das das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Schaffung eines Völkerbundes vorsieht, jedoch nur zum Teil umsetzen: Der tatsächlich ins Leben gerufene Völkerbund bleibt, wie von Fried vorausgesagt, machtlos.
Friedenspolitische Visionen
Nach dem Kriegsende 1918 will sich Fried zunächst in München niederlassen; dort wird er jedoch von der nationalkonservativen Stadtregierung ausgewiesen. Er kehrt nach Wien zurück, organisiert internationale Hilfe für Kriegswaisen und Kriegswitwen und belebt die Österreichische Friedensgesellschaft neu. Die Anfeindungen gegen ihn und die Friedensbewegung werden jedoch immer stärker. 1921 stirbt Alfred Fried verarmt in Wien.
Auch wenn manche von Frieds friedenspolitischen Visionen mittlerweile Wirklichkeit geworden sind, harren viele seiner Vorstellungen nach wie vor der Umsetzung. Sein Plädoyer für Bildung und Demokratie und sein Auftreten gegen die Rüstungspolitik, ist Walter Göhrung überzeugt, bleibt auch 85 Jahre nach seinem Tod aktuell.
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Buch-Tipp
Walter Göhring, "Verdrängt und vergessen. Friedensnobelpreisträger Alfred Hermann Fried", Verlag Kremayr & Scheriau, ISBN 3218007682
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