Arnold Schönbergs Tennis-Märchen
Advantage für die Prinzessin
Wer den Namen Arnold Schönberg hört, wird unwillkürlich ein ernstes Gesicht machen, vielleicht die Augenbrauen hochziehen, seufzen und sagen "Ja, die Zwölftonmusik!". Aber es ist an der Zeit, dass der Name Schönberg ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.
8. April 2017, 21:58
Nuria Schönberg erzählt das Märchen ihres Vaters
Ein neues Buch, das nicht nur Kinder froh macht, sondern Erwachsene ebenso, zeigt eine weitere Facette des Begründers der Zweiten Wiener Schule: Neben dem Komponisten, Maler, Lehrer, Erfinder, Sportler - unter anderem war er, das spielt hier eine Rolle, begeisterter Tennisspieler - den vor Fantasie und Humor sprudelnden Familienvater, der für seine Kinder und seine Frau sehr lustige Märchen erfindet.
Während seine Kinder Mittag essen, spinnt der Papa seine Geschichten, spielt jede Figur wie ein Schauspieler. Er verstellt die Stimme, schneidet Grimassen und weiß wunderbar, Spannung aufzubauen und sie durch einen Witz wieder aufzulösen. Wird allerdings nicht aufgegessen, wird die Geschichte auch nicht fertig erzählt.
Das Lieblingsmärchen der Familie
Weil sein jüngster Sohn, Lawrence, noch zu klein war, um die Geschichten zu verstehen, bestand Schönbergs Frau Gertrud darauf, dass Schönberg wenigstens das Lieblingsmärchen der Familie in einer Tonaufnahme festhält: das Märchen von der Prinzessin, die sich beim Tennisspielen das Knie verletzt. Seine Studenten in Los Angeles hatten ihm ohnehin ein Aufnahmegerät geschenkt (das noch auf Draht speicherte).
Als der Musikwissenschaftler Matthias Henke diese Aufnahme zufällig hörte, hatte er spontan die Idee, ein Kinderbuch daraus zu machen. Er konnte dafür den renommierten Illustrator Peter Schössow gewinnen, der erst letzte Woche mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet worden ist. Seine liebevollen Zeichnungen bringen Schönbergs sprudelnde Phantasie und Humor auf den Punkt - oder auf den Matchball, denn Tennisbälle fliegen viele in dem bei Hanser erschienenen Kinderbuch.
Matthias Henke ist im Anhang das Kunststück gelungen, Schönbergs Leben und Bedeutung jungen Menschen ansprechend auf Augenhöhe in einem Aufsatz näher zu bringen.
Wortwitze für Kinder und Erwachsene
Im Nachwort steuert Nuria Schönberg das bei, was ihr Vater dezent bei der Tonaufnahme weggelassen hat: In Wirklichkeit fiel die Prinzessin beim Tennismatch mit der Herzogin nicht aufs Knie, sondern auf den Popo! Aber darf man überhaupt vom Popo einer Prinzessin sprechen? Selbstverständlich nicht!
Wenn Schönberg das Märchen seinen Kindern erzählte, war das Knie, das eigentlich den Popsch meinte, der Running-Gag. Kaum sagte er Knie, prusteten alle schon los. Er erfand viele Wortwitze, manche für die Kinder (statt Drugstore sagt der Wolf stets Dreck-Store), manche für die Erwachsenen (die zweite Dienerin heißt eigentlich Florence, wird aber Floh genannt, Flotscherl, wenn die Prinzessin gut aufgelegt ist, Flitscherl, wenn sie schlechter Laune ist).
Der aus Rotkäppchen bekannte Wolf tritt als unendlich dummer und langsamer Diener auf. Er macht sich auf die Suche nach einem Drugstore, um für den blauen Fleck der Prinzessin ein Fleckputzmittel zu kaufen. Als er endlich im Drugstore ankommt, fürchten sich natürlich alle ganz fürchterlich vor ihm. Wie Schönberg das nachgespielt hat - mit Kopfschütteln und Wangenwackeln, muss köstlich gewesen sein. Nuria Schönberg-Nono weiß das lebhaft zu schildern, wenn die Prinzessin wieder nachmittags ihr Tennis-Game mit der Herzogin spielt: "Es war Matchball für sie, five to three und Advantage für die Prinzessin..."
Hör-Tipp
Leporello, Donnerstag, 12. Oktober 2006, 7:52 Uhr
Download-Tipp
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Buch-Tipp
Arnold Schönberg, Peter Schössow, "Die Prinzessin", Hanser Verlag, ISBN 3446207953
Veranstaltungs-Tipp
Nuria Schönberg liest aus "Die Prinzessin", Arnold Schönberg Center, Donnerstag, 12. Oktober 2006, 17:30 Uhr, Eintritt frei
Link
Arnold Schönberg Center - Die Prinzessin