Der psychoanalytische Prozess
Die Übertragung
Die zentralen therapeutischen Elemente der Psychoanalyse sind die Freie Assoziation, die Zerlegung von Träumen sowie die Übertragung. In der Übertragung werden frühere Objektbeziehungsmuster in der aktuellen Beziehung zum Psychoanalytiker wiederbelebt.
8. April 2017, 21:58
Aus früheren schmerzhaften Erfahrungen oder Konfliktbeladenden Gefühlen ist jener Stoff gemacht, der sich in Fehlleistungen wie Versprechern, in Träumen oder aber in Übertragungen den Weg vom Unbewussten ins Bewusstsein zu bahnen sucht. Es ist aber auch jener Stoff, der vielen psychischen leiden zugrunde liegt und den Menschen in seiner Liebes- und Arbeitsfähigkeit einengt oder ihn gänzlich arbeits- und liebesunfähig macht.
Die Übertragung, bzw. die Übertragungs-Bearbeitung ist ein Kernelement der psychoanalytischen Technik, um an vergessenes, verdrängtes, abgespaltenes oder auf andere projiziertes Material heranzukommen und Fixierungen aufzulösen.
Ausdruck der Innenwelt
Unter Übertragung versteht man in der Psychoanalyse nicht nur die Wiederbelebung früherer Objektbeziehungen (dass sich die Patientin in den Analytiker verliebt und eigentlich ihre frühe Verliebtheit in den Vater reinszeniert) sondern die Gesamtheit der psychoanalytischen Situation als Ausdruck der Innenwelt des Patienten.
So richte man in der Psychoanalyse die Aufmerksamkeit nicht nur darauf, was gesprochen werde sondern auch wie etwas gesprochen werde und welche Beziehung sich zwischen Analytiker und Patient entwickelt und all das helfe zu verstehen, sagt die Psychoanalytikerin Christine Diercks, was im Unbewussten vor sich gehe.
Das bedeute, der Patient erinnert nicht durch differenziertes Denken sondern durch Wiederholen in der Beziehung zum Analytiker. Auf diesem Wege sei an die Wurzeln einer Erkrankung heranzukommen, sagt Peter Schuster von der Wiener Universitätsklinik für Tiefenpsychologie und Psychotherapie.
Ein Phänomen zwischenmenschlicher Beziehungen
Anfänglich meinte Freud, dass dieses Phänomen der Übertragung durch das analytische Setting künstlich herbeigeführt werde, aus der Behandlungssituation resultiere, weil die Patienten eben aufgefordert würden, alles zu sagen, was ihnen durch den Kopf gehe. Heute weiß man, dass die Übertragung ein allgemeines Phänomen zwischenmenschlicher Beziehungen ist.
Jeder von uns lebt jeden Augenblick seines Lebens mit seiner Geschichte, bewusst oder unbewusst und in allen zwischenmenschlichen Beziehungen schwingt Lebensgeschichte mit. So werden neue Situationen intuitiv nach früheren Erfahrungen eingeschätzt. Wenn ein Partner etwa einem Elternteil ähnliche Gesichtszüge hat, werde dies - so Peter Schuster - Übertragungen von den Eltern her fördern.
Die Frage sei, ab wann das Phänomen Krankheitswert erreicht. Das ist dann der Fall, wenn die Übertragung in den zwischenmenschlichen Beziehung Formen annimmt, dass ein Gegenüber nicht mehr als das gesehen wird, was es tatsächlich ist. In der Psychoanalyse geht es darum richtig zu deuten, welche Funktion die Übertragung für den Patienten hat, welche massiven Ängste die Ursache der Übertragung sind.
Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 9. Oktober 2006, 19:05 Uhr
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Links
Sigmund Freud Museum Wien
Freud-Institut
Wiener Psychoanalytische Vereinigung