Hans-Peter Martin - ein neuer politischer Prototyp?

Bürgerliste Martin im Wahlkampf '06

Hans-Peter Martin ist kein unbeschriebenes Blatt, obwohl seine Liste derzeit keine Vertreter im Nationalrat hat. Als EU-Abgeordneter aber auch EU-Kritiker gilt er in den Medien als unabhängiger Mann, der die traditionellen Werte von Großparteien ablehnt und Bürgernähe sucht.

Politologe Filzmaier zu den Chancen der "Liste Dr. Martin"

"Wir wollen eine Bürgerdemokratie statt der erdrückenden Parteienherrschaft", erklärt der unabhängige österreichische EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin. Seine "Liste Dr. Martin - für Demokratie, Kontrolle, Gerechtigkeit" erreichte knapp 10.000 der insgesamt notwendigen 2.600 Unterstützungserklärungen, um für die Nationalratswahlen 2006 kandidieren zu können. Und liest man derzeit diverse Meinungsumfragen in den österreichischen Gazetten, so hat Martin auch Chancen, die notwendige Vier-Prozent-Hürde zu überspringen.

Mit seinem Wahlprogramm und dem Vorstellen seines Teams beginnt eine Serie von Wahlkampf-Reportagen im "Journal-Panorama", die alle bei den Nationalratswahlen kandidierenden Parteien und deren Vertreter berücksichtigen wird.

Kämpfen um jede Wählerstimme

Als Kampfansage an alle traditionellen Großparteien soll man seine Kandidatur verstehen. Kein leichtes Unterfangen bei dem kleinen Wahlkampfbudget, das ihm zur Verfügung steht. Es wird jedenfalls ein Kampf um jede Wählerstimme sein, denn Hans-Peter Martin muss - im Gegensatz zu den anderen Parteien - auf großes Getöse verzichten und auf einen Wahlkampf über die Medien und mittels persönlicher Gespräche mit den Bürgern setzen.

Bei der Vorstellung seines Grundsatzprogrammes und seiner Länderkandidaten in einem Seminarhotel in Salzburg vor rund 15 Journalisten gibt sich Martin optimistisch, endlich - wie er wörtlich sagt - "dem Parteienfilz und der Politverhaberung ein Ende setzen zu können": "Es klafft eine immer größere Lücke zwischen der politischen Klasse, der veröffentlichten Meinung und der öffentlichen Meinung. Das erlebe ich immer wieder, wenn ich auf die Straße hinausgehe". Martin kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Fragen der Journalisten, die seiner Meinung nach "so gar nicht inhaltsorientiert fragen" und auch nicht seine Kernbotschaften "Transparenz, Kontrolle und direkte Demokratie" in den Vordergrund stellen.

Kein unbeschriebenes Blatt

Hans-Peter Martin ist kein unbeschriebenes Blatt. Nicht nur mit der schreibenden Zunft steht der 49-jährige Vorarlberger bisweilen auf Kriegsfuß, wie zahlreiche abgeschlossene oder noch laufende Gerichtsverfahren zeigen. Auch mit vielen seiner ehemaligen politischen Mitstreiter hat sich der Vorarlberger im Laufe der Zeit überworfen.

Nach der vorletzten EU-Wahl zogen ihm die SPÖ-Abgeordneten einen anderen als Delegationsleiter vor. Es folgte der Ausschluss aus der Fraktion der Sozialdemokraten im EU-Parlament und schließlich das Zerwürfnis mit Karin Resetarits, seiner prominenten Mitstreiterin bei der EU-Wahl 2004. Vor allem bei finanziellen Fragen kam es bald zu Unstimmigkeiten; Resetarits wechselte nach dem Krach zu den Liberalen und warnt seither eindringlich vor Martin, der seine Partei "intransparent und autoritär" führe. Spricht man mit seinen neuen Weggefährten, entsteht allerdings ein ganz anderer Eindruck.

Sein junges Team

Der erst 23-jährige Student Manfred Walser, Tiroler Spitzenkandidat im Team von Martin, sieht in seiner Kandidatur eine Chance, sich auch als junger Mensch für Demokratie, Kontrolle und Gerechtigkeit einsetzen zu können. Von autoritärem Stil seines Chefs könne er nichts bemerken. Auch die 29-jährige zweifache Mutter Nicole Baumgartner, die Kärntner Spitzenkandidatin, hat nur Lob für Martin übrig, weil sie durch ihn die Chance bekommen hat, sich vor allem für die Anliegen von alleinerziehenden Müttern und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie engagieren zu können.

Einer der politisch erfahreneren Mitstreiter ist Patrik Kutschi. Der 33-jährige stellvertretende Leiter der Antikorruptionsbehörde im Innenministerium will sich nun auch als Politiker den Kampf gegen Korruption in Politik, Wirtschaft und Justiz auf seine Fahnen heften. Auch er betont, dass von einer autoritären Parteiführung Martins keine Rede sein könne. Auch das Wahlprogramm sei gemeinsam erarbeitet worden: "Es ist kooperativ von der gesamten Liste erstellt worden. Jeder hat seine Beiträge dazu geleistet", meint er.

Bei seinem Chef hört sich das wiederum ein klein wenig anders an: "Ich bin ein Koordinator und sicherlich aufgrund meiner beruflichen Vergangenheit auch derjenige, der das Programm zusammengestellt und auch sehr viel Input hineingebracht hat. Natürlich kommen jetzt teilweise auch von den präsentierten Kandidaten selber konkrete Vorstellungen und Forderungen", sagt er, betont aber zugleich, federführend sei er gewesen.

Kein einziger Prominenter

Auf Hans-Peter Martins Wahlliste steht bis jetzt auch noch kein prominenter Name. Nicht aber, weil sich kein Prominenter gefunden habe, im Gegenteil, unterstreicht Martin:

"Es gab verschiedene Prominente in einem bestimmten Milieu, die das gerne gemacht hätten. Aber die Wähler und ich sind durch Karin Resetarits, die sich als Kuckucksei der Spesenritter entpuppt hat, ein gebranntes Kind geworden. Es ist schon eine sehr bewusste Entscheidung von mir, dass jetzt verantwortungsbewusste Bürger, die ja in ihrem Umfeld für etwas stehen, auch diese Liste tragen. Bei den Promis muss man da immer sehr aufpassen. Im Grunde genommen sind das ja wirklich nur Leute, die es eigentlich alle gemeinsam nicht notwendig haben, in die Politik zu gehen".

Trotz geringem Budget gute Chancen

Mit rund einer Million Euro hofft Hans-Peter Martin, im Wahlkampf das Auslangen zu finden. Zum Vergleich: Das BZÖ oder die FPÖ geben fünfmal mehr aus. Dennoch: Der Selbstsicherheit des EU-Parlamentariers tut das keinen Abbruch. Er glaubt fest daran, die Vier-Prozent-Hürde zu nehmen. Die große Resonanz aus der Bevölkerung bestärke seinen Glauben, sagt er:

"Nach den Aufbruchssignalen, die es bei den Unterstützungserklärungen gegeben hat, können wir schon optimistisch sein. Außerdem hat sich in jüngster Zeit durch das Internet der Zugang zum Wähler erweitert. Die Leute lesen anders, sie nehmen die Medien anders wahr. Und daher glaube ich auch, dass wir eine gute Chance haben, bis zu den Wählerinnen und Wählern durchzudringen, nicht zuletzt auch deswegen, weil ja auch meine Bücher im freien Verkaufsbereich in Österreich zu den erfolgreichsten in der Geschichte dieses Landes zählen. Die Stimmung auf der Straße ist jedenfalls sehr gut. Ich glaube daher, dass die 42 Prozent der Unschlüssigen, die derzeit mit den herkömmlichen Parteien so gar nicht zufrieden sind, schon in gewissen Bereichen den Weg zu dem finden, was wir anbieten".

Mehr zu allen aktuellen Berichten zur Nationalratswahl 2006 in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Montag, 4. September 2006, 18:25 Uhr

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