Krimi? Thriller? Roman?
Blitzstart für "Die Süße des Lebens"
Paulus Hochgatterer ist Psychiater und Schriftsteller, und beides ist er hauptberuflich. Derzeit ist der Autor Hochgatterer im Gespräch, dessen neues Buch "Die Süße des Lebens" einen Blitzstart hingelegt hat. Die Hauptfigur darin ist - ein Psychiater.
8. April 2017, 21:58
"Die Süße des Lebens" spielt in einer österreichischen Kleinstadt, erzählt vordergründig von einem Mord und seiner Aufklärung, zentral aber von Menschen. Vor allem aber, wie diese Menschen die Welt um sich herum wahrnehmen und erleben, vom jeweiligen Wahnsinn in unterschiedlicher Abstufung. Dieses Buch schafft es dabei, auch unterhaltsam zu sein.
Paulus Hochgatter erzählt im Gespräch mit Stella Damm, wie seine Arbeit als Psychiater und die des Schriftstellers ineinander greifen.
Bücher haben auch so etwas wie Lebensgeschichten. Dieses, "Die Süße des Lebens", ist in der ersten Augustwoche ausgeliefert worden, kurz danach war es auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Es könnte also durchaus sein, dass Sie diesen doch sehr renommierten Deutschen Buchpreis auch bekommen. Es sind Dutzende und auch vorwiegend begeisterte Buchbesprechungen erschienen, Sie sind in der ORF-Bestenliste September auf Platz 1. Das ist schon so etwas wie ein Kavaliersstart für ein Buch. Wie fühlt sich das denn an?
Einerseits bin ich natürlich überrascht, auf der anderen Seite ist es schon so, dass - so geht's zumindest mir, und ich glaube, anderen Autorenkollegen auch - nach Vollendung eines Buches ein Stück Erschöpfung vorhanden ist und man diese Dinge gar nicht so wirklich wahrnimmt, oder erst dann wahrnimmt, wenn man in die Erfordernisse der Medien einsteigen muss, wenn ein Buch gut ankommt. Auf der anderen Seite ist es natürlich sensationell, es fühlt sich gut an, wenn man gute Kritiken bekommt, wenn viele gute Kritiken kommen. Das freut mich natürlich, keine Frage.
Welches Verhältnis haben die beiden Berufe Psychiater und Autor, die Sie ja beide intensiv ausüben, für Sie?
Das ist ein Lebensproblem von mir. Das Nebeneinander, das gleichzeitige Gegeneinander, muss man genauer sagen, und das Miteinander dieser beiden Hälften, mit dem habe ich inzwischen gelernt, zurecht zu kommen. Das Psychiater-sein ist für mich inzwischen ohne das Schreiben nicht vorstellbar und umgekehrt ist es genauso.
Wie identifizierbar sind Sie denn als der Psychiater Raffael Horn in Ihrem Buch?
Wenn man als Psychiater in einer Geschichte einen Psychiater erscheinen lässt, dann steckt wahrscheinlich schon ein gutes Stück von einem selbst in dieser Figur. Andererseits habe ich schon auch versucht, das zu verschleiern.
Inwiefern hilft das Schreiben dem Psychiater Paulus Hochgatterer?
Schreiben hat ja auch eine reflexive Funktion. Indem ich die Eindrücke, die ich in der psychiatrischen Hälfte meiner Berufstätigkeit erfahre, niederschreibe, verarbeite ich sie auch, analysiere sie und verändere sie kleinweise. Insofern ist das umgekehrt auch wichtig.
Als Psychiater haben Sie Patienten, die möglicherweise genesen, aber in Ihrem zweiten Beruf als Schriftsteller haben Sie ein Werk, das Sie langsam aufbauen, irgendwann ist es fertig und Sie geben es aus der Hand. Dann kommt dieses Loch und diese Erschöpfung. Gibt es diese Form des Abschlusses in der Psychiatrie jemals?
Bei langen, schwierigen Behandlungsgeschichten, die gut ausgehen - um in dieser Analogie zu bleiben, wie die Geschichte dieses Buches -, da gibt es das natürlich, dass man ein bisschen auch erschöpft ist und gleichzeitig froh, dass diese Therapiegeschichte gut ausgegangen ist.
Rezensenten streiten jetzt darum, ob man Ihr Buch als Krimi, als Thriller oder als Roman einzustufen hat. Dieses Ringen um Einordnung scheint ein menschliches Grundbedürfnis zu sein. Frage an den Psychiater Paulus Hochgatterer: Warum ist es so wichtig, für ein Ding die richtige Schublade zu finden?
Weil es dieses Bedürfnis nach der einfachen Lösung gibt, nach dem einfachen Begriff für ein Ding. Das ist ja nicht nur jetzt so, das war ja bereits beim Entstehen dieses Buches so, dass es im Verlag zum Thema gemacht wurde. Gilt es als Krimi - da gibt's eigene Nummern dafür - oder gilt es als Roman? Mir ist das nicht so wichtig. Es ist offensichtlich so, dass es ein literarisches Buch ist, das gleichzeitig auch als Krimi oder als Thriller ganz gut funktioniert.
Mögen Sie selber auch, Rätsel zu lösen?
Als Leser schon, ich bin auch ein Krimileser.
Mit Krimis geht der Buchmarkt ein bisschen anders um. Sie werden verfilmt, sie werden eventuell zu Fortsetzungsromanen. Planen Sie, dieses Buch oder Teile davon fortzuschreiben?
Das ist angedacht, ja. Aber da kommt dann wieder dieses Phänomen des Durchhängens nach Fertigstellung. Wenn ein Buch fertig ist, dann hat man auch ein gewisses Bedürfnis, diese Figuren auch einmal los zu lassen. Auf der anderen Seite ist es so, dass sie sich sicher ganz gut dazu eignen würden, einen zweiten oder dritten Teil zu schreiben.
Aber jetzt ist einmal so ein bisschen ausruhen und schöpferische Pause angesagt?
Ja, das geht gar nicht anders.
Service
Paulus Hochgatterer, "Die Süße des Lebens", Deuticke Verlag, ISBN 3552060278