Nutzen für die Gesellschaft oder Etikettenschwindel?
Unternehmen mit Verantwortung
Immer mehr Unternehmen heften sich besondere Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt auf die Fahnen. Während die Industriellenvereinigung darin einen Nutzen für die Gesellschaft sieht, beurteilen dies Gewerkschaft und AK oft als Täuschung.
8. April 2017, 21:58
Was ist Corporate Social Responsibility?
Welchen Stellenwert hat ein Unternehmen, ein Konzern in der Gesellschaft? Und - ist dieser Stellenwert wichtig für den geschäftlichen Erfolg?
Schon lange wissen Marketing-Strategen, dass Kaufen nur zum Teil rational ist, dass da viel Emotion und Lebensgefühl mitspielt. Wie gefährlich es aber ist, wenn mit schöner Werbung die hässliche Realität übertüncht werden soll, das hat etwa der Sportschuhhersteller Nike erfahren müssen:
Kinderarbeit bei Zulieferern in Ostasien hat die Marke arg in Verruf gebracht. Die Kunden haben in der Folge zu Konkurrenzprodukten gegriffen, und erst ein gründlicher Wandel der Produktionsmethoden hat den Schaden ausgebügelt. Ähnliche Fälle wie jener haben nun bereits viele Unternehmer zum Umdenken gezwungen.
Die neue Unternehmenskultur
"Corporate Social Responsibility" - kurz CSI - unter diesem Namen hat sich in jüngster Zeit eine internationale Bewegung manifestiert, die ganz bewusst abrückt vom reinen "Shareholder Value", vom ausschließlichen Ziel, zum Wohl der Anteilseigner zu handeln - also Gewinne zu maximieren, auch auf Kosten von Mitarbeitern und Umwelt.
Diesem neuen Geschäfts-Netzwerk gehören bereits mehr als 230 Unternehmen in Österreich an. Ihre Maxime: soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrzunehmen. Eine neue Unternehmenskultur, die über nationale gesetzliche Vorschriften weit hinausgeht, oder nur eine oberflächliche Imagepolitur, um die Öffentlichkeit zu täuschen? Während die einen größtenteils Etikettenschwindel orten, gibt es andererseits schon viele österreichische Unternehmen, die verantwortungsbewusstes Wirtschaften beweisen.
CSI-Beispiel OMV
Die OMV ist eines jener Herzeigebeispiele, wo bereits verantwortungsvolles Wirtschaften praktiziert wird. Vor allem in der Dritten Welt, wo die OMV ja immer mehr Öl und Gas fördert, sei man besonders aktiv, betont OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer: "Jeder Lieferant muss sicherstellen, dass in seinem Einflussbereich keine Kinderarbeit verrichtet wird. Die OMV sorgt dabei auch für die Ausbildung von Kindern. Rund 35.000 Kinder in aller Welt profitieren davon. Ein Schwerpunkt ist beispielsweise Pakistan, wo die OMV ein großes Erdgasfeld betreibt. Dort wird neben der Kinderausbildung auch Arbeit für die Mütter geschaffen; ebenso wird auf die Versorgung mit sauberem Wasser und die Förderung der Gesundheit Rücksicht genommen".
Die OMV hat auch eine Förderlizenz im Sudan vor einiger Zeit verkautt. Dafür waren sowohl wirtschaftliche als auch humanitäre Gründe maßgebend: "Wenn in einem Land Bürgerkrieg herrscht, bringt eine Ölgesellschaft indirekt auch jene Teile der Bevölkerung in Gefahr, die in ihrem Einflussbereich steht. Eine wirksame Unterstützung bei der Ausbildung oder bei der Versorgung mit Gesundheitseinrichtungen oder Schulen ist nicht möglich. Und in der Folge ist auch eine wirtschaftlich erfolgreiche Tätigkeit nicht möglich", begründet Ruttentorfer den Verkauf. Nach seinen Worten hätten Nachfolger aus China oder Malaysia offenbar kein Problem damit, die Förderanlagen zu Festungen zu verwandeln und die Bevölkerung außerhalb ihrem Schicksal zu überlassen.
Verantwortung nicht von Größe abhängig
Größe ist keineswegs eine Voraussetzung für Wirtschaften mit Verantwortung. Dies zeigt auch der Schokoladehersteller Josef Zotter. Er beschäftigt nur 50 Leute. Dass er seine Mitarbeiter in der Steiermark gut behandle, sei für ihn selbstverständlich, denn nur so könne er sie halten, sagt Zotter. Seine Aktivitäten hinsichtlich "Corporate Social Responsibility" konzentrieren sich auf den Einkauf der Rohstoffe. Er verwendet nur Kakao, Bananen oder sonstige Rohstoffe aus Fair-Trade-Betrieben in der Dritten Welt.
Zotter berichtet von einem neuen Projekt in Nicaragua, wo 2.000 kleine Kakaobauern in einer Kooperative zusammenarbeiten und beraten werden: "Vor allem geht es dabei um die Logistik, wenn die Kakaobohnen von den einzelnen Bauern gesammelt werden. Da werden die Bauern oft Opfer von skrupellosen Zwischenhändlern, die eben den Vorteil haben, ein Auto zu besitzen. Auch Kinderarbeit ist natürlich verboten. Es wird darauf geschaut, dass die Kinder in die Schule geschickt werden. Das Ganze wird international auch von der UNO kontrolliert." Dass dadurch die Produktion teurer wird, ist für ihn kein Problem.
Reiner Image- und Verkaufsgag?
So wie der Schokoladehersteller denken bereits viele Unternehmen in Österreich - ob groß oder klein -, und es drängen sich immer mehr um das Prädikat, verantwortungsvoll gegenüber Gesellschaft und Umwelt zu handeln. Aber es gibt auch Kritik. Während Christian Friesl von der Industriellenvereinigung in CSI ein Modell sieht, um soziales und ökologische Dimensionen in das ökonomische Handeln zu integrieren, ist Eva Schiessl von der Arbeiterkammer eher skeptisch. Sie meint, die meisten Unternehmen, die sich sozialverantwortlich nennen, missbrauchen CSI als reinen Image- und Verkaufsgag.
Auch Dwora Stein, Geschäftsführerin der Gewerkschaft der Privatangestellten, glaubt: "Nicht überall, wo soziale Verantwortung draufsteht, ist auch soziale Verantwortung drinnen". Ohne Namen zu nennen, kenne sie eine ganze Reihe von Firmen, die sich zwar das soziale Mäntelchen umhängen, aber die Wahl von Betriebsräten verhindern oder den Angestellten die Überstunden nicht bezahlen. Stattdessen werde öffentlichkeitswirksam gespendet.
Weg vom "Shareholder Value"
So wie Stein sieht auch Industriellen-Vordenker Christian Friesl lieber jene Unternehmen, denen es ernst mit CSI ist: "Immer mehr Unternehmen sehen ein, dass sie auf Dauer Erfolg haben, wenn sie sich verantwortungsbewusst verhalten, und sie üben auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft aus, denn es ist nicht egal, wie im Betrieb Frauen oder Ausländer behandelt werden", betont er.
Dies bestätigt auch Dwora Stein, die sich auch mehr und bessere Gesetze wünschen würde, dabei aber einräumt, dass sich nicht alles mit Gesetzen regeln lässt: "Zum Beispiel Werthaltungen von Führungskräften - von Unternehmern ebenso wie von Managern. Man soll schon darauf achten, dass solche Persönlichkeiten mehr Kompetenz aufbringen, als für ein paar Monate den Aktienkurs hochzutreiben", meint die Gewerkschafterin.
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Saldo, Freitag, 1. September 2006, 9:45 Uhr
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David Bornstein, "Die Welt verändern. Social Entrepreneurs und die Kraft neuer Ideen", Verlag Klett-Cotta, ISBN 3608944117
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