Was demotiviert unsere Schüler?

Loben hilft!

Wer vor lauter Misserfolgen keine Erfolge mehr sieht, demotiviert sein Kinder, Kollegen oder Partner. Die Pädagogin Christiane Kohl meint, dass Kinder in der Schule durch Misserfolge so demotiviert werden, dass ihr Selbstbewusstsein abhanden kommt.

Christiane Kohl über das Bestärken

Christiane Kohl, Ausbildnerin für behinderte Jugendliche im Caritas-Heim St. Elisabeth, entdeckte bei einem Schulpraktikum im Kindergarten St. Isidor einen überraschenden Unterschied zwischen den beiden Gruppen, mit denen sie es zu tun hat: Hier mutige, zuversichtliche und selbstbewusste Kindergartenkinder - da verzagte Jugendliche mit ständiger Angst, zu versagen.

Offenbar, so ihr Erklärungsansatz, werden die Kinder im Schulsystem durch ständige Misserfolge derartig demotiviert, dass ihnen das bereits entwickelte Selbstbewusstsein wieder abgenommen wird.

Alfred Pittertschatscher sprach mit Christiane Kohl, die für eine Schulatmosphäre mit weniger Anpassungsdruck und Angst plädiert, und für mehr spielerisches, individualisiertes Lernen.

Alfred Pittertschatscher: Was passiert mit unseren Kindern zwischen Kindergarten, wo sie nach den Erfahrungen, die Sie, Christiane Kohl, gesammelt haben, mit einer positiven Einstellung an Aufgaben herangehen und der Ausbildung, wo der ungezwungene Zugang verloren gegangen scheint? Wir stellen fest: Kinder bis sechs Jahren sind selbstbewusster, haben mehr Aktivität. Es ist zwischen dem siebenten und dem fünfzehnten Lebensjahr sehr vieles zu verlernen, um anschließend etwas Neues zu lernen. Es ist wichtig, das Selbstbewusstsein, das man als Kind hat, entwicklungspsychologisch abzubauen und neu zu konstituieren. So muss man etwa ein misserfolgsorientierteres Lernen lernen. Auch Misserfolg muss der Mensch lernen. Würden sie dieser Polemik zustimmen?
Christiane Kohl: Prinzipiell stimme ich ihr zu. Man lernt auch am Misserfolg, keine Frage. Es geht nur darum, wie die Umgebung mit diesen Misserfolgen umgeht. Wenn ich bei einem Kind immer nur Misserfolge sehe und die Erfolge nicht sehe, dann demotiviere ich das Kind. Wenn ich meinen Fokus allerdings nur auf die Erfolge lenke, dann motiviere ich das Kind und es wird an den Misserfolgen nicht zerbrechen, sondern weiterarbeiten.

Es geht darum, den Fokus auf die Stärken zu richten und nicht vordergründig die Schwächen zu sehen - die ich schon auch wahrnehme, sonst hab' ich keinen Ausgangspunkt. Das heißt, ich unterstütze das Kind oder den Jugendlichen dabei, eine Brücke von seinen Stärken zu seinen Schwächen zu bauen.

Es hat einmal ein Experiment gegeben, in dem die Probanden ein Kreuzworträtsel zu lösen bekommen haben. Man hat ihnen dann nach einigen gelösten Kreuzworträtseln ein unlösbares Kreuzworträtsel unterschoben. Sie haben ab diesem Zeitpunkt auch lösbare Kreuzworträtsel nicht mehr lösen können. Würden Sie das als ein Beispiel annehmen, das in ihren Bereich passen würde?
Das glaube ich sehr wohl. Dass ich etwas nicht kann, wird dann zur Normalität. Dann erwarte ich auch gar nicht mehr von mir, dass ich es kann. Diese Erwartungen erfüllen sich.

Wir haben eine Gesellschaft, die sehr wohl Leistungsanforderungen an jemanden stellt. Ein Kind muss ständig neue Fähigkeiten dazulernen. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als das Kind in eine Situation zu bringen, wo es etwas Neues lernt, um das alte unter Umständen zu vergessen...
Ich glaube, dass diese Leistungsanforderungen nicht das Problem sind. Die müssen gestellt werden, die sind motivierend, die sind gut für uns alle, egal ob Kind oder Erwachsener. Wir wachsen mit den Anforderungen, die an uns gestellt werden. Das Problem ist nur der Umgang mit dem Misserfolg. Ein Kind ist bestrebt, etwas zu leisten. Wenn es das nicht kann, ist es selbst sehr traurig darüber. Es will ja aus sich selbst heraus gut sein. Dann kommt es darauf an, wie ich damit umgehe. Ob ich es noch weiterhin negativ bestätige und das Kind schelte, oder ob ich es aufbaue und motiviere.

Anrufer: Meine Töchter sind in eine Alternativschule gegangen. Die Kinder haben selbst bestimmt, wann sie was lernen. Da das freiwillig war, haben sie es viel besser aufnehmen können. Ich selbst habe als Kind die Erfahrung gemacht, dass es in der Schule gar nicht wichtig ist, dass man Lerninteresse zeigt, sondern dass man sich dem allgemeinen Trott anpasst.
Christiane Kohl: Ich finde es traurig, dass es diese Möglichkeit nur in Alternativschulen gibt. Ich weiß, dass dort die Kinder mehr gefördert werden, mehr am Positiven orientiert, es wird ihnen mehr Zeit gelassen zur Entwicklung. Sie dürfen sich schlicht und einfach in ihrem Tempo entwickeln. Ich wünsche mir, dass das in allen unseren Schulen möglich wird.

Anruferin: Ich bin Sonderkindergartenpädagogin. Ich habe einmal einen Elternabend mit der Frage gestartet, mir eine positive Eigenschaft ihrer Kinder zu nennen. Interessanterweise ist niemandem etwas eingefallen. Die Eltern waren dann sehr betroffen. Ihnen seien unangenehme Eigenschaften sofort eingefallen. Aber es war ganz schwierig für sie, etwas Positives über ihr Kind zu sagen.
Christiane Kohl: Nicht nur unsere Lehrer richten den Fokus auf die Schwächen und das Negative, sondern wir, die gesamte Gesellschaft tun das. Nicht aus einer bösen Absicht heraus, sondern in dem Bestreben, jemanden immer besser werden zu lassen, ihm etwas zu lernen. Darum muss ich sehen, was er nicht kann, damit ich ihn dort anregen kann, das zu lernen. Wir vergessen dabei, was er oder sie kann.

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung "Von Tag zu Tag" vom Dienstag, 29. August 2006, 14:05 Uhr zum Thema "Was macht die Schule mit unseren Kindern?" nach Ende der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Link
Caritas-Heim St. Elisabeth