Social Entrepreneurs und die Kraft neuer Ideen
Die Welt verändern
Brillante Ideen bringen manche Menschen vom Tellerwäscher zum Millionär. David Bornstein möchte mit seinem Buch jedoch auf jene aufmerksam machen, die mit ihrer Idee und ihrem Einsatz keine Millionen scheffeln, sondern soziale Verbesserungen erreichen.
8. April 2017, 21:58
Die Wirtschaftsseiten der Zeitungen sind voll von Geschichten über Menschen, die es dank einer brillanten Idee zum Millionär gebracht haben. Was den Journalisten David Bornstein schon lange gestört hat, ist, dass eine ganz andere Art von Entrepreneur in den Medien kaum vorkommt, und zwar der so genannte "social entrepreneur". Darunter versteht er "jemanden, der eine Organisation gründet oder auf andere Weise eine Idee umsetzt, die ein soziales Problem auf eine neue Weise löst."
Fehlstarts inklusive
In seinem Buch "Die Welt verändern" beschreibt David Bornstein neun solcher Sozialunternehmer aus aller Welt. Um zu verstehen, was einen Sozialunternehmer ausmacht, müsse man - so der Autor - den Keim zur Idee, sowie deren weitere Entwicklung inklusive aller Fehlstarts darstellen.
Die sozialen Innovationen in diesem Buch stammen aus den unterschiedlichsten Bereichen, - von der Medizin bis zur Pädagogik. David Bornstein gelingt es dabei herauszuarbeiten, was alle Sozialunternehmer verbindet und welche Eigenschaften unabdingbar sind. Die wichtigste sei Motivation.
Voraussetzung: Ehrliche Absichten
"Die Motivation muss aufrichtig sein", ist Bornstein überzeugt. "Die erfolgreichen Leute haben zutiefst ehrliche Absichten. Damit meine ich, dass sie nicht deshalb eine Organisation gründen oder an einem Problem arbeiten, weil sie sich den Beifall ihrer Eltern wünschen. Sie sind zutiefst motiviert, das Problem, mit dem sie sich befassen, auch zu lösen."
Das war etwa der Fall bei Vera Cordeiro, einer brasilianischen Kinderärztin. Sie gründete eine Organisation, die armen Müttern half, für ihre kranken Kinder besser zu sorgen. Dazu gehörte Ernährungsberatung ebenso wie etwa ein leckes Dach reparieren zu lassen.
Vera Cordeiros Kollegenschaft - von den Krankenschwestern bis zu den Psychologen und den Ärzten - war anfangs skeptisch. Doch schon bald stellte sich heraus, dass die Notaufnahmen für Kinder, die nachbetreut werden mussten, deutlich sanken. Vera Cordeiros Modell hat mittlerweile Schule gemacht.
Veränderungen in kleinem und in großem Stil
Soziales Unternehmertum spielt sich nicht immer in so großem Rahmen ab. Manche Ideen können das Leben in einem Dorf verändern, andere krempeln die Struktur in einem ganzen Land um. Die von David Bornstein beschriebenen Entrepreneurs bewirkten alle Veränderungen im großen Stil. Das gelang ihnen dank der Organisation Ashoka.
"Ashoka ist die erste und vermutlich wichtigste Organisation, die sich darauf spezialisiert hat, Sozialunternehmer zu finden und zu fördern", erzählt Bornstein. "Es gibt ein weltweites Netz von Büros in 50 Ländern. Ashoka hält nach Leuten Ausschau, die landesweite Veränderungen bewirken wollen, die weit voraus denken und viel bewegen wollen. In diese investiert Ashoka dann."
Ashoka fördert immer die Einzelperson, die die jeweilige Idee entwickelt. Das Stipendium wird meist etwa drei Jahre ausbezahlt. Bis dahin haben Unternehmer üblicherweise ihre eigene Organisation aufgebaut und deren Finanzierung sichergestellt.
Alter Gedanke neu interpretiert
Sozialunternehmertum ist freilich keine Erfindung der Gegenwart. Der Begriff klingt neumodisch technokratisch, doch der Gedanke ist ein sehr alter.
Sozialunternehmer hat es schon immer gegeben. Franz von Assisi, der Gründer des Franziskanerordens, hätte die Kriterien des "Social Entrepreneurs" erfüllt: Er rief zahlreiche Organisationen ins Leben, die einen Strukturwandel in seinem Bereich bewirkten. Neu am Sozialunternehmertum unserer Tage ist, dass es in vielen Ländern ein relativ "normales" Berufsfeld geworden ist.
Für Sozialunternehmertum gibt es bereits Kurse an den Universitäten. Den Einsatz bis zur Selbstaufgabe, mit dem viele social entrepreneurs ihre Projekte verfolgen, könne man freilich nicht unterrichten, sagt der Autor.
Aus Fehlern lernen
David Bornstein hält, wie erwähnt, ehrliche Motivation für eine der wichtigsten Eigenschaften. Doch eine andere Fähigkeit hat ihn persönlich am meisten beeindruckt und zum Nachdenken veranlasst: Sozialunternehmer hören nie auf, sich selber und ihre Entscheidungen zu hinterfragen. Wenn etwas nicht funktioniert, suchen sie den Fehler als erstes bei sich selber.
"Daraus habe ich sehr viel fürs Leben gelernt", meint er. "Wir alle glauben ja immer, dass solche Leute Genies sind und ihre Ideen einfach aus der Luft herbeizaubern. Doch man braucht sich nur ein großartiges Gemälde oder eine hervorragende wissenschaftliche Arbeit anschauen: Da wurde laufend sehr, sehr viel korrigiert. Bei Sozialunternehmern ist es nicht anders. Das Geniale an ihnen ist die Leidenschaft, sich so lange zu quälen, um eine Idee auch richtig hinzukriegen."
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Download-Tipp
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Buch-Tipp
David Bornstein, "Die Welt verändern. Social Entrepreneurs und die Kraft neuer Ideen", Verlag Klett-Cotta, ISBN 3608944117