Erste Ikone des südamerikanischen Kinos

Carmen Miranda, Herrscherin des Samba

Carmen Miranda, gebürtige Portugiesin, war die Herrscherin des Samba. Zu ihrer Zeit zwar die bestverdienende Hollywood-Schauspielerin, bezahlte sie für ihre Karriere einen hohen Preis: den Brasilianern zu amerikanisch, in Hollywood eine Ausländerin.

Carmen Miranda, 1909 in Portugal geboren, als Kind nach Rio de Janeiro übersiedelt, hatte "molho" (wörtlich: Soße), also "das gewisse Etwas". Ihr Samba "Camisa Listada" war der Hit des Karnevals 1938. Hollywood wurde aufmerksam und präsentierte sie mit künstlichen Bananen und Fantasieblumen am Hut - der Tropicalismus im Film war geboren.

Sie war die bestverdienende Hollywood-Schauspielerin ihrer Zeit - und bezahlte ihre Karriere mit doppelter Verfemung: den Brasilianern zu amerikanisch, blieb sie in Hollywood letztlich die Ausländerin. 14 Jahre lang kehrte sie nicht nach Brasilien zurück, weil man ihr, der gebürtigen Portugiesin, dort den Erfolg neidete.

Die Herrscherin des Samba

Sie gab dem brasilianischen Karneval, das, was ihn erst dazu macht - den Samba. Carmen Miranda war die Herrscherin des Samba. Und es dauerte lange, bis spätere Musikergenerationen erkannten, wie gut sie war.

Erste Ikone des südamerikanischen Kinos

Mit ihrem richtigen Namen hieß sie Maria do Carmo Miranda da Cunha, als sie im Februar 1909 in der Nähe von Lissabon geboren wurde. Sie war die erste Ikone des südamerikanischen Kinos und war für das dortige Publikum ein Star wie Marylin Monroe oder James Dean für das nordamerikanische.

Per Radio zum Star

Das Radio und die aufstrebende Tonträgerindustrie halfen ihr, ein Star zu werden. Carmen Mirandas Karriere verlief parallel zu jener des Radios. 1929 hatte sie ihr Debüt im brasilianischen Radio und sang ihre ersten Lieder noch auf Portugiesisch.

Karriere machte sie mit ihrer Stimme, die von dunkler Erotik bis zur hellen Flexibilität alles konnte. Und mit Texten, die Witz und Humor zeigten und ironische Bezüge quer durch die Kulturgeschichte machten.

1939 erstmals mit Bananenkostüm

Sie brauchte nur sechs Minuten, um das Publikum mit ihrem ersten Auftritt zu gewinnen. 1930 gelang ihr mit ihrem Film-Debüt der Durchbruch. Und was Platten-Produktionen, Filme und Shows betraf, hatte sie mit 29 Brasilien erobert. 1939 trug sie erstmals ihr Bananenkostüm - und sang "Banana is my business".

Emanzipiertes Auftreten

Was heute zukunftsweisend scheint - ihre humorvoll emanzipierte Art - stand damals auch in einer Tradition: Von Mae West und Josephine Baker über Songwriterinnen wie Dorothy Fields bis zu Interpretinnen wie Peggy Lee und den Andrew Sisters, mit denen Carmen Miranda auch auftrat.

Schönheit im Film zu bewundern

In alten Filmen kann man die tanzende und spielende Carmen Miranda noch bewundern: Sie war wunderschön, langbeinig, hatte ein edel geformtes Gesicht - und hatte die nötige Fantasie, sich selbst inszenieren zu können.

Einer ihrer großen Hits war 1939 "Tico Tico no fuba". In diesem Jahr heiratete sie auch David Alfred Sebastian. Dass die Ehe kinderlos blieb, war eine Lebensentscheidung, die sie mit Mae West und Dorothy Fields teilte.

Nur für Cineasten ein Begriff

Obwohl sie die bestverdienende Hollywood-Schauspielerin ihrer Zeit war, kennen heute nur Cineastinnen und Cineasten ihre Filme - wenn auch die anderen Mitwirkenden dem breiten Kinopublikum sehr gut bekannt sind: Sie spielte mit Perry Como, Judy Hollyday, den Marx Brothers, Jane Powell und Elizabeth Taylor und mit Dorthy Malone. Mirandas letzter Film war 1953 George Marshalls Filmkomödie "Scared Stiff" mit Dean Martin und Jerry Lewis.

Inszeniertes Image als Falle

Carmen Miranda imitierte das Südamerikanische, nahm Anleihen bei Josephine Baker und Mae West, inszenierte das Image einer brasilianischen Rumba und Samba tanzenden Sängerin. Nichts war echt - auch die Früchte, die sie trug, waren aus Plastik. Und wie viele ihrer Kolleginnen, wählte sie die Karikatur als Maske.

Dieses Image, das die Nachfrage nach Exotik und Tropicalismus bediente, schützte sie wohl auch vor unliebsamen Verehrern und Fans. "Sie war die Parodie ihrer selbst, sie fälschte sich selbst und wurde zur unentrinnbaren Person. Ihr Image wurde ihre Falle", wie der Dichter und Komponist Caetano Veloso feststellt.

Biografin Allgayer-Kaufmann über Miranda

Ihre Biografin, Regine Allgayer Kaufmann, Musikethnologin an der Wiener Universität, erklärt Mirandas Maske mit Worten des Kunsthistorikers Ernst Gombrich:

"Wir formen uns selbst so sehr nach den Erwartungen anderer, dass wir die Maske oder - wie die Jungianer sagen: die persona - annehmen, die das das Leben uns zuweist. Wir verwachsen mit unserem Typus, bis er unser ganzes Verhalten geprägt hat."

Symbol der Tropicalia-Bewegung

Carmen Miranda wurde auch Antrieb für eine Bewegung, die in die Zeit der Militärdiktatur fiel: Über zehn Jahre nach ihrem Tod fand in Brasilien eine musikalische Revolution statt: Tropicalia. Akteure dabei waren der Musiker und Poet Caetano Veloso und der Musiker Gilberto Gil.

Die Tropicalisten forderten die Befreiung nicht nur von der politischen Zensur und von den Zwängen der Post-Bossa-Nova-Ära: "Es ist verboten, zu verbieten". Noch 1993 nannte Veloso ein Album, das nichts mehr mit Samba und Rumba zu tun hatte, nach dieser Bewegung. Veloso und Gil wurden verhaftet, arretiert und ausgewiesen - Tropicalia war zu Ende. Aber in den Manifesten der Bewegung stand Carmen Mirandas Name - und damit war sie auch lange nach ihrem Tod wieder aktuell.

Tod bei TV-Aufnahmen

Am 5. August 1955 starb Carmen Miranda in Beverly Hills während Aufnahmen für die TV-Show Jimmy Durantes, in der sie den Song "Give them something new" singen sollte.

Begraben wurde sie in Rio de Janeiro. Sie sei an gebrochenem Herzen, an der Treulosigkeit ihres Publikums, gestorben, meinen ihre Biografen.

Mirandas Wiederentdeckung

In den 1960er Jahren entdeckten Musiker wieder ihr großes Können und stellten fest: "Sie hat hier in Brasilien mehr und besseren Samba gemacht, als wir wahrhaben wollten - sie, die Fremde."

Für mich entdeckte ich Carmen Miranda anlässlich des Symposiums "Die Frau als Mitte", das an der Wiener Musikuniversität stattfand und auch in Buchform erschienen ist.

Hör-Tipp
Spielräume Spezial, Sonntag, 27. August 2006, 17:10 Uhr

Buch-Tipp
Gerlinde Haid und Ursula Hemetek (Hg.), "Die Frau als Mitte in traditionellen Kulturen. Beträge zu Musik und Gender", Klanglese (Schriftenreihe des Instituts für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien), 152 Seiten und eine CD, Wien 2005

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