Vom Erdöl geprägte Geschichte
Ölstadt Abadan
Grenzstädte sind immer gefährdet, vor allem wenn sie reich sind. Abadan zum Beispiel, die Ölstadt im Schatt el Arab, wurde im Iran-Irak-Krieg schwer beschädigt. Wie Abadan in den 1960ern aussah, erzählt die in dieser Stadt geborene Zoya Pirzad.
8. April 2017, 21:58
Abadan liegt auf einer Insel im Mündungsgebiet von Euphrat und Tigris, ziemlich genau in der Mitte zwischen der irakischen Stadt Basra und dem Persischen Golf. Die jüngste Geschichte der Stadt ist vom Erdöl geprägt: 1909 entstand die erste Raffinerie, die sich bis 1938 als größte Raffinerie der Welt etablierte. Das blieb sie lange.
Und dann kam der erste Golfkrieg. Völlig überraschend wurde Abadan im September 1980 angegriffen und 18 Monate lang belagert. Viel blieb von der Stadt nicht übrig. Erst nach 1988 wurde Abadan wieder aufgebaut und steht heute fast wieder so da wie vorher. Nur: Touristische Attraktionen dürfte Abadan nicht aufweisen, ein auf Iran-Reisen spezialisiertes Reisebüro vermerkt "keine verfügbaren Attraktionen" in dieser Stadt.
Aufstrebende, reiche Hafenstadt
Das war früher offenbar anders. Ganz früher, damals, als der berühmte arabische Reisende Ibn Batutta die Welt durchmaß. Im November oder Dezember 1335 machte er im ersten Sufi-Kloster der arabischen Welt Rast, als er auf dem Weg nach Isfahan war. Damals war Abadan eine aufstrebende, reiche Hafenstadt. Das Meer war knappe sieben Kilometer entfernt.
Den Grundstock ihres Reichtums hatten die Bürger von Abadan mit dem Salz- und Dattelhandel erwirtschaftet, aber bald sorgten hervorragende Handwerker für den guten Ruf der Stadt. Nur: Die Hafenbehörde dürfte nicht besonders rührig gewesen sein, denn langsam versandete der Hafen und das Meer rückte immer weiter in die Ferne; heute ist der Persische Golf 50 Kilometer weit weg. Dazu kam, dass die konkurrierenden Städte Basra und Khoramschahr immer mächtiger wurden. Abadan schrumpfte schließlich im 17. Jahrhundert wieder zu einem unbedeutenden Dorf. Bis eben zu Beginn des 20. Jahrhunderts Erdöl entdeckt wurde.
Eine Quadratmeile Land
Abadan war den größten Teil seiner Geschichte arabisch, mehrheitlich von Arabern bewohnt, und gehörte seit dem 17. Jahrhundert bis 1924 zum Besitz der arabischen Familie Ka'ab. Diese Familie verkaufte der neu gegründeten Anglo-Persian Oil Company APOC im Jahr 1909 eine Quadratmeile Land - mit den schon erwähnten Folgen.
1951 tauchte der Name Abadan im Zusammenhang mit dem Wort "Krise" in den Zeitungen auf: Der iranische Ministerpräsident Mohammad Mossadegh, ein Gegner von Schah Resa Pahlewi, verstaatlichte den Besitz der APOC, was das Land an den Rand eines Krieges und eines Bürgerkrieges brachte. Am 16. August 1953 musste der Schah ins Ausland fliehen. Drei Tage später wurde Mossadegh durch die Armee gestürzt und der Schah per "Operation Ajax" von CIA und MI6 wieder an die Spitze des Iran gehievt. Ein Jahr später wurde die Abadan-Krise durch einen neuen Vertrag mit der APOC beendet, die beteiligten Ölkonzerne gestanden dem Iran die Hälfte ihres Gewinnanteils zu.
Multinationale Bevölkerung
Danach hatte Abadan Zeit, sich zu einer fröhlichen, quirligen Stadt zu entwickeln. Die Bewohner, vorwiegend in der Petrochemie beschäftigt, kamen aus dem ganzen Iran und gehörten verschiedensten Minderheiten an. Armenier, Aserbeidschaner, Kurden, Araber und Iraner lebten friedlich nebeneinander nach dem Motto "leben und leben lassen". Zoya Pirzad als Tochter eines iranisch-armenischen Paares gewährt in ihrem Roman "Die Lichter lösche ich" Einblicke in das Leben der armenischen Gemeinschaft.
Und doch waren auch in der relativ unbeschwerten Zeit des Jahres 1962, in der ihr Roman spielt, schon die Schatten der dunklen Zukunft zu spüren: Clarissa, die Ich-Erzählerin, entdeckt einen Fremden in ihrer Garage, der Flugblätter abholt.
Die Ereignisse des 19. August 1978 bedeuten für den Iran einen großen Schritt in Richtung des heutigen fundamentalistischen Staates. An diesem Tag wurde in Abadan das Kino Rex abgefackelt und mehr als 400 Personen getötet. Es wurde verbreitet, dass der Geheimdienst des Schahs für diese Katastrophe verantwortlich wäre - was zu heftigen Demonstrationen gegen das ohnehin nicht mehr geschätzte Schah-Regime führte. Die Wut eskalierte und breitete sich in Windeseile über den ganzen Iran aus - der Beginn des unaufhaltsamen Sturzes von Resa Pahlewi. Über eine Beteiligung des örtlichen Mullah wurde gemunkelt, sie konnte aber nicht bewiesen werden.
Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 24. August 2006, 11:40 Uhr
Buch-Tipps
Zoya Pirzad, "Die Lichter lösche ich", aus dem Persischen übersetzt von Susanne Baghestani, Insel Verlag, ISBN 3458172939
Gerhard Konzelmann, "Der verwaiste Pfauenthron. Persiens Weg in die Gegenwart", Heyne Verlag, ISBN 3453869087
Link
Wikipedia - Abadan