Hollywood im Kinderzimmer

Ars Electronica Backstage

Im April wurde von einer 35-köpfigen Jury ermittelt, wer die Gewinner des Prix Ars Electronica sind. Ein Bericht aus den Jury-Sitzungen der Kategorien "u19", "Netvision", "Interactive Art", "Computeranimation", "Digital Music" und "Digital Communities".

Die Goldene Nica in der Kategorie "u19 - freestyle computing" geht heuer an vier dreizehn- bis fünfzehnjährige Linzerinnen und Linzer. "Abenteuer Arbeitsweg" nennen die "Krmpf Krmpf Studios" ihren 13-minütigen Film, der mit Lego-Bausteinen und Lego-Männchen erstellt wurde.

Sirikit Amman vom Kulturkontakt Austria und seit 1997 Jurymitglied von u19 ist ganz begeistert mit wie viel Liebe zum Detail die jungen Animationskünstler an dem Arbeitsweg eines Familienvaters arbeiteten.

Next Idea

Wer zwischen 19 und 27 Jahre alt ist, kann in der vor zwei Jahren neu geschaffenen Kategorie "Next Idea" einreichen.

Die Jury musste sich heuer durch 67 Einreichungen durcharbeiten. Bewertet wird die künstlerische, technische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit einem Thema, sowie Originalität und Innovationskraft. Als "Next Idea" wurde das Projekt "Aquaplay" auserkoren.

Die Idee stammt von Himanshu Khatri, einem 23-jährigen Inder, der einen neuartigen Ansatz für Wasser-Displays realisieren möchte. Die Installation, die der Preisträger in Kooperation mit dem Futurelab realisieren durfte, wird im Rahmen des Ars Electronica Festivals zu sehen sein.

Qualität einer Computeranimation

Wenn er nicht weiß, warum ein Stück funktioniert, dann ist es preisverdächtig, meint Rick Sayre. Er ist seit 1987 für die amerikanische Animationshochburg Pixar tätig und war als Technical Director an den ganz großen Kinoerfolgen wie "Toy Story", "Toy Story 2", "A Bug’s Life" oder auch "The Incredibles" beteiligt. Die kleinen, unabhängigen Arbeiten haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sie es durchaus mit den aufwendigen Produktionen der großen Hollywood-Studios aufnehmen können, so Rick Sayre.

Die Goldene Nica in der Kategorie Computer Animation und Visual Effects geht heuer an drei Studenten der Filmakademie Baden Württemberg und ihr Werk "458nm". In dieser Animation bewegen sich zwei mechanische Schnecken langsam durch die Dunkelheit, sie treffen aufeinander und messen kurz ihre Kräfte, bevor sie sich im Liebesspiel vereinen.

Was lässt aufhorchen?

Was ist die Idee, das Konzept der Komposition? Gibt es einen neuen Trend vor? Aus der Vielzahl von Genres und Stilen müssen die Jurymitglieder der Kategorie "Digital Music" eine Komposition herausfischen, die aufhorchen lässt.

Kein leichtes Unterfangen. Denn mit der Verbreitung der Produktionsmittel werden die Einreichungen für die Kategorie "Digital Music", die bis 1999 "Computermusic" hieß, von Jahr zu Jahr vielfältiger, meint Naut Human. Der Leiter des "Recombinant Media Labs" in San Francisco, ist heuer bereits zum zehnten Mal in dieser Jury.

Die Goldene Nica geht aber letztlich an eine französische Musikerin. Eliane Radigue komponiert bereits seit den frühen 1950er Jahren elektro-akustische Musik und gehört zu den Pionieren dieser Musikgattung. Sie ist in jüngster Zeit von einer Generation junger Musiker als maßgebendes Vorbild entdeckt worden.

Interaktive Kunst

Aus 577 Einreichungen in der Kategorie "Interactive Art" mussten die fünf Juroren einen Gewinner und mehrere Auszeichnungen ermitteln. Wohin geht der Trend? Wenig Innovation, dafür viel Qualität, so der Eindruck des Medienkunstexperten Joachim Sauter über das Niveau der eingereichten Arbeiten. "Früher waren fünf Prozent sehr gut, heute sind es 20 bis 30 Prozent", meint Joachim Sauter, Professor für Mediengestaltung und Medienkunst an der Universität der Künste Berlin.

Die Goldene Nica 2006 geht heuer an eine Installation des amerikanischen Medienkünstlers Paul DeMarinis. In seiner Arbeit "The Messenger" werden E-Mails aus der ganzen Welt von einem Computer empfangen und über drei Systeme von skurrilen Ausgabegeräten, wie Wasserschüsseln oder Skelette sinnlich erfahrbar gemacht. Die Installation ist eine Allegorie für Botschaften, die ins Leere laufen und eine Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen zwischen Elektrizität und Demokratie.

Kunst im Netzwerk

Bildschirmbasiert sind die Arbeiten, die von den Juroren der Kategorie "Netvision" begutachtet werden. Wobei auch hier die Devise gilt, dass Kunst am Screen zuwenig ist. Gewürdigt werden künstlerische Internetprojekte, die sich durch Ideenreichtum und innovative Ansätze auszeichnen. In den letzten beiden Jahren legte die Jury ihr Augenmerk vor allem auf den sinnvollen Einsatz der "Connectivity".

Mit der Goldene Nica für aktuelle Netzvisionen wird die japanische Gruppe exonemo für ihr Projekt "The Road Movie" ausgezeichnet. Die mobile Installation ist bei einer Busreise durch Japan entstanden, bei der sich junge japanische und deutsche Künstler mit Kunst und Kommunikation auseinandersetzten. Die auf dem Bus montierte Webcam produzierte in einem Intervall von fünf Minuten jeweils fünf Fotos, die in Form einer Origami-Faltvorlage ins Internet hochgeladen wurden. Jeder kann sich diese Origami ausdrucken und mit den gefalteten Autobussen sein eigenes Roadmovie kreieren.

Technologie gegen Barrieren

Die Goldene Nica für "Digital Communities" geht heuer an "canal ACCESSIBLE", eine spanische Netzinitiative, die die Zugänglichkeit und Unzugänglichkeit der Stadt Barcelona für gehbehinderte Menschen dokumentiert. In Bildern und Tonaufnahmen wurden die Barrieren von Rollstuhlfahrern festgehalten und auf einem online-Stadtplan abrufbar gemacht.

Commons & Communities

Die Gewinner der Kategorien "Digital Communities" und "Netvision" werden im Rahmen der "Prix Ars Electronica Foren" am Montag, 4. September vorgestellt. Die Veranstaltung im Linzer Brucknerhaus findet heuer zum dritten Mal in Kooperation mit der "Matrix"-Redaktion statt.

Betroffene und Experten werden über das Thema "Technologie ohne Barrieren" diskutieren. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie das Web und andere Technologie beschaffen sein müssen, um von allen Menschen - unabhängig von ihren körperlichen und technischen Möglichkeiten - uneingeschränkt genutzt werden zu können.

Mehr dazu in Das Jurytagebuch und zu allen aktuellen Berichten und Ö1 Übertragungen von der Ars Electronica in Ö1 - Der Festspielsender

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 27. August 2006, 22:30 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Veranstaltungs-Tipps
Ars Electronica, Donnerstag, 31. August bis Dienstag, 5. September 2006, 10:00 bis 19:00 Uhr, Linz, mehrere Veranstaltungsorte

Ars Electronica, Forum Digital communities and Net Vision, Montag, 4. September 2006, 10:30 bis 17:00 Uhr, Brucknerhaus. Linz

Ö1 Club-Mitglieder erhalten beim Ars Electronica Festival 30 Prozent Ermäßigung auf den Festivalpass und 50 Prozent Ermäßigung auf den Katalog.

Links
Ars Electronica - Preisträger
Ars Electronica - Program
Ars Electronica - Digital Communities und Netvision
Ars Electronica

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