Spekulationsboom ohne Ende?

Der Energiepoker

Rohstoffe werden immer knapper und teurer. Wie teuer etwa Erdöl ist, merken die Verbraucher vor allem beim Tanken und Heizölkauf. Aber nicht nur Angebot und Nachfrage beeinflussen die Preise. Auch Spekulanten wollen am Rohstoff-Geschäft mitnaschen.

Karin Kneissl und andere Experten zur Ölpreis-Explosion

Die Rohstoffpreise explodieren. Ob Erdöl, Erdgas, Kupfer, Zink, Aluminium - alles ist empfindlich teurer geworden. Als Gründe dafür werden unter anderen die Angst vor Versorgungsengpässen durch Krieg und Terror, stark geschrumpfte Lagerbestände, Bergwerkstreiks und nicht zuletzt die extrem gestiegene Nachfrage durch Indien und vor allem China genannt.

Aber nicht nur Angebot und Nachfrage beeinflussen die Preise. Es gibt auch andere Ursachen.

Schwindelnde Höhen

Der Ölpreis ist seit 2004 von rund 40 Dollar für das Fass auf über 70 Dollar gestiegen. Eine Verdoppelung auf 80 Dollar ist nicht unwahrscheinlich. Kupfer hat sich im laufenden Jahr um 75 Prozent verteuert und kostet momentan etwa fünf Mal so viel wie vor fünf Jahren. Aluminium erreichte das höchste Preisniveau seit 18 Jahren.

Die Aktien der weltgrößten Minengesellschaft BHP Billiton (Australien), der britischen Anglo American PLC und des kanadischen Aluminiumproduzenten Alcan haben sich innerhalb der Jahresfrist verdoppelt. Die Anteile des kanadischen Metallproduzenten Falconbridge haben sich fast verdreifacht.

Schuld an der Preisexplosion sind aber nicht nur die große weltweite industrielle Nachfrage oder schwindende Ressourcen. Es gibt auch andere Schuldige. Dazu gehören die so genannten Wall Street Refiners - Finanzinvestoren, die von der Börse aus Einfluss auf die Preise nehmen.

Spekulanten im Vormarsch

Ein gewaltiger Faktor für die Preisexplosion an den Metall- und Edelmetallmärkten etwa ist der steile Anstieg von Metallkäufen und Milliarden-Spekulationen durch Hedge-Fonds, Pensionskassen und andere institutionelle Großanleger, die Alternativen zu Aktien und Anleihen sowie sonstigen Investments suchen.

Wie die britische Barcleays PLC in einem Bericht der US-Wirtschaftsagentur "Blomberg" unlängst prognostizierte, könnten sich Fondsinvestments an den Warenterminmärkten von 80 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr auf 120 Milliarden Dollar bis 2008 erhöhen.

Die Wall Street Refiners

"Seit die Termingeschäfte vom Produktenmarkt auf den Rohölmarkt übergegriffen haben, ist eine starke Spekulationswelle zu beobachten. Denn die Preise steigen auch dann, wenn sich physisch am Ölmarkt nichts verändert“, meint auch die Wirtschaftsexpertin Karin Kneissl in ihrem Buch "Der Energie-Poker“. Die Ölmärkte, so Kneissl, würden anstatt von den Ölfirmen immer mehr von den Finanzinvestoren bestimmt:

"Es haben sich so genannte 'Wall Street Refiners' gebildet, also Spekulanten, die von der Börse aus die Preise beeinflussen, anstatt der Ölleute, die sich bei der Ölförderung und in den Raffinerien die Hände schmutzig machen“.

Und so funktioniert's

Spekuliert wird mit Zertifikaten, in Hedge Fonds, die sich auf Terminkontrakte an den Rohstoffbörsen beziehen, an der Rohölbörse in London oder in New York, an der London Metal Exchange oder an der Rohstoffbörse in Chicago. Gemanagt wird ein Rohstofffond von einem speziell ausgebildeten Fachmann: dem CTA, dem Commodity Trading Advisor. Dieser findet sich auch in den Namen einschlägiger Finanzprodukte.

Jene Produkte haben die Form von Anleihen oder von Genussscheinen. Ihre Zahl steigt ständig. Dabei sind auch schon Transaktionen mit Krediten eingebaut, die einen so genannten "Hebel" bilden, sodass mit einem geringen Kapitaleinsatz ein höherer Effekt entsteht. Das kann ein Gewinn sein, aber auch ein Verlust. Das aber ist vor allem privaten Anlegern nicht immer so klar.

Erste Rückschläge

Trotz der bisher ständig steigenden Preise, durch die Privatanleger ganz schön verdient haben, kommen nun die ersten Rückschläge. Bereits im Mai haben die Rohstoffpreise - angefangen von Metallen wie Kupfer und Aluminium bis hin zu Gold und Silber - dramatische Verluste verbucht. Marktbeobachter verwiesen auf den gleichzeitigen Ausstieg vieler Hedge-Fonds-Anleger und anderer großer spekulativer Marktteilnehmer, die ihre verbuchten Milliardengewinne der vergangenen Wochen und Monate sichern wollten. Auch die Sorge über ein langsameres Wirtschaftswachstum in den USA und in Europa sowie die nach oben tendierenden Zinsen belasteten die Rohstoffmärkte.

Der Kupferpreis sei in einer Woche um zehn Prozent gefallen, errechnete jüngst die US-Wirtschaftsagentur Blomberg. Das sei der schlimmste Rückschlag seit Oktober 1994 gewesen. Dennoch habe der Preis in diesem Jahr unter dem Strich noch immer um 70 Prozent zugelegt. Der Goldpreis sei um 7,6 Prozent gefallen. Dies sei der stärkste Rückschlag seit August 1990 gewesen. Gold notierte zuletzt mit 657,50 Dollar je Unze. Der Silberpreis sei nach neunwöchigem ununterbrochenen Anstieg in einer Woche um 13 Prozent abgesackt.

Die Luft wird dünner

Viele Spekulanten sind vorsichtig geworden, aber Banken empfehlen bei gesunkenen Preisen oft einen neuen Einstieg, allerdings mit ungewissem Ausgang. Metallhändler und einige Banken, die Rohstofffonds oder andere Finanzprodukte bei ihren Rohstoff-Termingeschäften anbieten, sagen, die Preise würden wegen der starken Nachfrage aus China noch zehn bis 15 Jahre sehr hoch bleiben.

Einige Volkswirtschafter meinen hingegen, mit dem Wirtschaftswachstum werde es nicht immer so weitergehen; es werde zu einer Preiskorrektur nach unten kommen. Selbst Rohstoff-Fachleute sind geteilter Meinung, ob sich der jüngste Einbruch weiter fortsetzt oder ob es nach einem temporären Rückzug wieder zu einer Fortsetzung der Hausse an den Rohstoff- und Edelmetallmärkten kommt.

Fest steht: Die Luft für Zocker wird dünner, die Gier nach dem schnellen Geld gefährlicher. Die Vorsicht sollte wichtiger werden.

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Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 18. August 2006, 9:45 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Karin Kneissl, "Der Energiepoker", Finanzbuch-Verlag, ISBN 3898791874

Links
Finanzbuch-Verlag - Der Energiepoker
DIW - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
ExxonMobil - größter Ölkonzern der Welt
BHP Billiton - größter Bergbaukonzern der Welt
Bloomberg Commodities - US-Wirtschaftsagentur
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