Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen

Psychodarwinismus

Darwins Evolutionstheorie und Freuds psychoanalytische Theorie lassen sich zu einer Theorie über Verhaltensweisen und Seelenleben des Menschen vereinen, meint der Soziologe und Psychoanalytiker Christopher Badcock in seinem Buch "Psychodarwinismus".

Die Kurzformel der Synthese von Darwin und Freud des britischen Soziologen und Psychoanalytiker Christopher Badcock lautet: Verhaltensweisen, die Freud als psychische Mechanismen beschrieben hat - wie etwas der Narzissmus oder das Inzesttabu, haben sich im Laufe der Evolution des Menschen durchgesetzt, weil sie dazu beigetragen haben, dass Menschen erfolgreich Nachkommen zeugen.

Mit der Bezeichnung Psychodarwinismus bereicherte Christopher Badcock ein schon seit einiger Zeit boomendes Forschungsfeld um einen weiteren klingenden Namen: die evolutionäre Psychologie.

Auffällige Ähnlichkeiten

Der Professor für Kognitionspsychologie an der Universität Klagenfurt Oliver Vitouch streicht unter den "auffälligen Ähnlichkeiten" zwischen Psychoanalyse und Darwinismus vor allem drei hervor.

Die erste sei diejenige, dass sowohl bei Freud wie auch bei Darwin Sexualität als eine Haupttriebfeder menschlichen Verhaltens und letztlich auch als Schlüssel zur menschlichen Psyche angesehen wird.

Die Zweite Ähnlichkeit sei diejenige, dass beide Richtungen ein pessimistisches Menschen- oder Weltbild vertreten. Darwin wie auch Freud tendieren dahin, dass der Mensch von einer Reihe von unbewussten Beweggründen oder eben evolutionären Notwendigkeiten in seinem Verhalten geleitet wird.

Die dritte Ähnlichkeit sei das Unbewusste, also die Annahme, das in Wirklichkeit nur ein sehr kleiner Ausschnitt von dem was der Mensch tut frei bestimmt ist. Sowohl im Darwinismus als auch bei Freud wird also die Annahme gemacht, dass der Mensch nicht immer Herr seines Tun ist.

Drei große Kränkungen des Menschen

Freud benennt drei große Kränkungen in der Geschichte der Menschheit. Die erste Kränkung ist die Kopernikanische, in der der Mensch aus dem Zentrum des Weltalls verbannt wird. Die Zweite ist die Darwinistische, wo der Mensch nicht mehr die Krönung der Schöpfung ist. Am empfindlichsten trifft wahrscheinlich die dritte Kränkung, die Psychologische. Freud schreibt:

Der Mensch, ob auch draußen erniedrigt, fühlt sich souverän in seiner eigenen Seele. Irgendwo im Kern seines Ichs hat er sich ein Aufsichtsorgan geschaffen, welches seine eigenen Regungen und Handlungen überwacht, ob sie mit seinen Anforderungen zusammen stimmen. Tun sie das nicht, so werden sie unerbittlich gehemmt und zurückgezogen. Seine innere Wahrnehmung, das Bewusstsein gibt dem Ich Kunde von allen bedeutungsvollen Vorgängen im seelischen Getriebe. Und der durch diese Nachrichten gelenkte Wille führt aus was das Ich anordnet, ändert ab was sich selbstständig vollziehen möchte. Es ist für die Funktion erforderlich, dass die oberste Instanz von Allem Kenntnis erhalte, was sich vorbereite, und das ihr Wille überall hin dringen könne, um seinen Einfluss zu üben.

Die Vorstellung, diese oberste Instanz, das Ich, hätte tatsächlich nicht nur von allem Kenntnis sondern auch Einfluss und Kontrolle, lässt sich jedoch nicht halten, wie Freud theoretisch und anhand zahlreicher Fallstudien immer wieder zeigte.

Was bestimmt?

Was aber bestimmt, nach welchen "Regeln" das Unbewusste funktioniert? Variation und natürliche Selektion, würden hart gesottene Evolutionspsychologen sagen - also jene Verhaltensweisen, die sich vor ein paar Jahrtausenden als die günstigsten erwiesen, um Nachkommen zu zeugen, die ihrerseits wiederum möglichst fortpflanzungskräftig waren. Unerlässliche Voraussetzung dafür wiederum ist ein ausgeprägter Sexualtrieb. Und hier kommt laut Christopher Badcock wieder Sigmund Freud ins Spiel:

Obwohl man Sigmund Freud oft wegen seiner Irrtümer auf dem Gebiet der Evolution scharf kritisiert hat, führten ihn seine Erkenntnisse zu einer Auffassung der Sexualität, welche die moderne, darwinistische Sichtweise vorwegnimmt. Das beginnt damit, dass Freud oft beschuldigt wird die Bedeutung der Sexualität zu übertreiben. Wenn es aber bei der Evolution jedoch weniger um die Tüchtigkeit des Einzelnen, sondern vielmehr um den Fortpflanzungserfolg geht, dann liegt die Betonung an der richtigen Stelle. Die Tatsache das Freud dem Sexuellen als Triebkraft für das menschliche Verhalten eine größere Bedeutung als allen anderen Trieben beimaß weißt auf folgendes hin: Seine Ansichten waren viel stärker von seinen Befunden als von zeitgenössischen Vorstellungen geprägt. Dies zeugt aber auch davon, dass es für seine Befunde eine reale Grundlage gab.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 14. August 2006, 19:05 Uhr

Reisebriefe von Sigmund Freud, Dienstag, 15. August 2006, 8:15 Uhr

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Links
Sigmund Freud Museum Wien
Freud-Institut
Wiener Psychoanalytische Vereinigung