Österreich hat keinen professionellen Konzertchor

Ein Land ohne Profi-Chor

Es geht niemandem ab, es fehlt nicht - und doch ist es das größte musikalische Manko, das wir in Österreich haben: ein professioneller Konzertchor. Anlässlich des niemandem abgehenden Konzertchors stellt sich die Frage: Was heißt professionell?

Ja, gibt es den nicht in Österreich, einen professionellen Konzertchor? Der Arnold Schönberg Chor, der für die Teilnahme an einer Probe ein Trinkgeld bezahlt, der Wiener Singverein oder die Wiener Singakademie, wo eine gar nichts bekommt; der Wiener Staatsopernchor singt zwar als Konzertvereinigung bezahlt, aber nicht für die Konzerte; die Herren der Hofmusikkapelle singen bezahlt im Nebengeschäft.

Anlässlich des fast niemanden, fast keinen abgehenden Konzertchors stellt sich die Frage: Was heißt professionell?

Profichor: eine Definitionsfrage?

Gar nicht so einfach zu erklären, was ein professioneller Konzertchor ist. Der Maßstab ist - selbstredend - nicht nur das Können, sondern das Einkommen aus der Tätigkeit des Singens. Ein Einkommen bezieht aber in nicht professionellen Chören nur der Leiter oder die Leiterin, bei großen Chören - wie der Wiener Singakademie - auch eine Managerin.

Der Wunsch nach einem professionellen Konzertchor bedeutet nicht Kritik an bestehenden Dilettanten - und Dilettantinnen-Chören. Auch wenn wir den Akademischen Orchester-Verein und das Bundesjugendorchester wertschätzen, wollen wir die Wiener Philharmoniker oder die Wiener Symphoniker oder das RSO Wien nicht vermissen.

Lebendige Chorkultur

Seit 1995 hören wir in Österreich keine professionellen Chor-Stimmen mehr im Konzert, bis dahin gab es den ORF-Chor, und sowohl die A-Capella-Chorkultur lebte hoch wie die kompositorische Kreativität des Landes.

Österreich singt jetzt - aber nur nebenberuflich. Im Februar gab der österreichische Chorverband eine Pressekonferenz. Man berichtete problemlos über die Chorbewegung in Österreich, über Fortbildung, auch über die mangelnde Motivation bei Männern im Gegensatz zu Frauen, gegen die eigens eingerichtete Männerchor-Seminare eingerichtet werden.

Norwegischer Chor sang bei WM

Österreich singt - aber andere europäische Länder singen uns was vor: unsere Bundeshymne zum Beispiel, die der norwegische Chor in Are bei der alpinen Schi-WM 2007 zu den zwei österreichischen Goldenen zum Besten gab. Zwölf Hymnen hatte der Chor vorbereitet, die tschechische war nicht darunter; die sangen die Sänger und Sängerinnen vom Blatt, zur Medaillenvergabe der Slalom-Goldenen.

Was würde ein professioneller Konzertchor tun, wenn es ihn wieder gäbe? Das und mehr, was die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor macht: Sie tritt bei den Salzburger Festspielen auf, in Ravenna, bei wenigen Konzerten - aber sie kann sich lange nicht dem Repertoire widmen, das es gibt: von der Renaissance bis zur Gegenwart.

Was fehlt

Es mag Zufall sein, oder etwas Übersehenes oder doch Ausdruck eines gesellschaftlichen politischen Willens oder Unwillens: Ein Chor hat derzeit nicht den Stellenwert eines Orchesters, was sich in Bezahlung und Image widerspiegelt.

Es gibt in keiner der großen Konzertinstitutionen Wiens einen A-Capella-Zyklus, es fehlt ein Chor-Festival in Wien, oder eine Chornacht einmal im Jahr, wie sie zum Beispiel am 25. Mai Köln veranstaltet, noch fehlt der Chor, den das Festspielhaus St Pölten gründet oder der Festspielchor des neuen Grafenegger Festivals.

Die deutschen Rundfunkchöre

Sieben Rundfunkchöre unterhält die ARD, zwei Rundfunkchöre gibt es in Berlin, eine geplante Dezimierung des SWR-Vokalsensembles von 36 auf 24 Stellen wurde erfolgreich abgewehrt. Es sind überwiegend Rundfunkanstalten, die Konzertchöre tragen, selten konfessionelle Glaubensgemeinschaften oder Kirchen; es gibt auch Staaten wie die Niederlande, die einen Chor tragen. Semi-professionelle Chöre werden in Deutschland von einigen Städten erhalten - Bonn und Köln zum Beispiel, wobei privates Engagement, also Zuwendungen von Förderkreisen vom Staat gewürdigt wird, also steuerlich absetzbar ist.

Neben dem Desideratum eines professionellen Kammerchors, wie es die Niederlande staatlich betreiben, braucht Österreich ein Vokalensemble auf dem Niveau des Klangforums. Ingrun Fussenegger, Leiterin des Wiener Motettenchors, vermisst ein Experten- und Expertinnen-Ensemble, das spezielles Repertoire, das über das Singen hinausgeht. Es wäre die jetzt vermisste Spitze über dem Laienchor-Wesen, es wäre Experimentalstudio für Komponierende, gegenseitig befruchtend, eine Brutstätte der kollektiven Sangeskunst.

Es ist wieder Zeit, einen Wunsch zu äußern, ein Manko aufzuzeigen. Es kann nicht länger ein Verdienst sein, bloß das Vorhandene zu bewahren.