Des Architekten Anton Brenners späte Würdigung
Der Zeit voraus
Ein Wiener Architekt, der in den 1920er Jahren zu den Lehrern am Bauhaus in Dessau zählte, wird rund um seinen 110. Geburtstag spät, aber doch gewürdigt. Seine "Wohnmaschine" soll u. a. seine Bedeutung für die Entwicklung modernen Wohnens dokumentieren.
8. April 2017, 21:58
Otto Kapfinger zum damaligen Wohnprogramm
Er erlitt ein typisch österreichisches Erfinderschicksal: In der Blüte seines Schaffens kaum beachtet, ist jetzt - an seinem 110. Geburtstag - in der so genannten "Wohnmaschine" von Anton Brenner in der Rauchfangkehrergasse 26 im 15. Wiener Gemeindebezirk ein Museum eingerichtet worden, das u. a. zeigen soll, wie weit Anton Brenner seiner Zeit voraus war.
Bahnbrechend, und doch fast vergessen
Experten zählen Anton Brenners Entwürfe schon lange zum Besten, was die damalige, am internationalen Stil orientierte fortschrittliche Architektenriege Österreichs in den 1920er Jahren zuwege brachte, und stellen den Wiener in eine Reihe mit Größen wie Loos, Blischke, Frank und Strnadt. Auch zu seinen Lebzeiten war der Wiener Architekt international begehrt. Er durchlief die Zentren des "Neuen Bauens - Frankfurt etwa, wohin ihn Stadtbaudirektor Ernst May holte, oder das Bauhaus in Dessau, wo er als einziger österreichischer Lehrbeauftragter wirkte.
Im Inland zeugen jedoch nur wenige Bauten von seinem Schaffen, nämlich zwei Objekte in der Wiener Werkbundsiedlung: ein Lehrlingswohnheim - im Auftrag eines Vereins errichtet und nach dem Krieg abgerissen - und ein einziger Gemeindebau - 1925 im 15. Wiener Gemeindebezirk, wo er seine "Wohnmaschine" erfand. Die Gemeinde hatte zur damaligen Zeit kein Interesse an den eigenwilligen Plänen des Wieners, der die Normen im Wohnbauprogramm des "Roten Wien" zu sprengen versuchte.
Spott statt Anerkennung
Insbesondere mit seiner Einbauküche - vom Wohnraum durch eine Tür getrennt - exponierte sich Brenner. In seiner Wohnung stand ein Esstisch im Wohnzimmer - außerhalb der Küche, groß genug, um den Kindern als Tischtennisplatte zu dienen. Die Architekten des "Roten Wien hingegen propagierten die Wohnküche.
"In Österreich wurde viel gespottet darüber. Es gibt Karikaturen aus der damaligen Kronenzeitung, wo man sich lustig macht, dass man auf so kleinem Raum, so beengt, wohnen kann, und dass so eine Idee eigentlich ziemlich absurd ist, berichtet Anna Stuhlpfarrer, Kunsthistorikerin und Werkbiografin Anton Brenners.
Die späte Würdigung
Erst 1986 erinnerte der Architekturkritiker Otto Kapfinger an den 1896 geborenen und 1957 verstorbenen Wiener Architekten. In einem Zeitungsartikel würdigte er Anton Brenners Werk als das eines vergessenen Avantgardisten der 1920er Jahre. Es sollte jedoch weitere 20 Jahre dauern, bis der Wiener Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung gemeinsam mit dem Verein Zeit!Raum in der so genannten "Wohnmaschine von Anton Brenner - seinem noch erhaltenen und vor wenigen Jahren sanierten Gemeindebau in der Rauchfangkehrergasse 26 - ein Museum eingerichtet haben.
Bereits seit Herbst vorigen Jahres ist dieser Bau im Technischen Museum in Wien im Rahmen der Ausstellung "Alltag" zu sehen - als Modell inklusive herausklappbarer Musterwohnung. Das nun kurz vor der Eröffnung stehende Museum ist genau jene Wohnung, in der Brenner selbst mit seiner Familie gelebt hat und deren Originaleinrichtung weitgehend erhalten geblieben ist - als Beispiel für einen rationellen Wohnstandard: mit Einbaumöbeln - Einbauküche, Schrankwänden, Klappbetten -, also Erfindungen des Wieners, für die er noch als Student anlässlich eines Wettbewerbs der deutschen Architektur-Zeitschrift "Bauwelt ausgezeichnet worden war.
Sozial und rationell
Im Gegensatz zu den meisten seiner bürgerlichen Kollegen kam Anton Brenner aus den unteren sozialen Schichten. Als Sohn eines Fabrikarbeiters war er zwar nicht in den ärmlichsten, aber in armen Verhältnissen aufgewachsen. Seine Kenntnis von den Arbeitsabläufen einer Hausfrau, die in seine Küchenkonzeption einfloss, rührt nicht zuletzt aus seinen Kinderjahren, in denen er teilweise den Haushalt führen und für seine Geschwister kochen musste.
Die radikal soziale Gesinnung Brenners, sein kompromissloses Engagement für einen rationellen, kostengünstigen Wohnbau führte ihn unweigerlich in die Avantgarde. Ob Gemeindebau oder das Reihenhaus in der Ährenbauweise oder das berühmte Laubenganghaus in Berlin: Zur Form kam Brenner nicht, weil ihn Ästhetik oder gar eine Mode reizten - Form ergab sich für ihn ausschließlich aus der Funktion, Fassade aus dem Grundriss.
Durch Prinzipientreue am Existenzminimum
Seinen Prinzipien ist Anton Brenner immer treu geblieben, auch unter schwersten Bedingungen, was nicht zuletzt seine Familie zu spüren bekam. Sohn Anton dazu: "Teilweise haben wir unter dem Existenzminimum gelebt. Fremde Männer sind gekommen und haben den Kuckuck auf unser Klavier geklebt.
Nach dem Weggang vom Bauhaus in Dessau hat Brenner nie wieder Fuß fassen können. Sein ehemaliger Lehrer, Josef Frank, kam zwar noch einmal auf ihn zu und lud ihn ein, zwei Häuser für die Werkbundsiedlung zu planen; der Bau selbst geriet aber schon in die Phase des Umbruchs zum Ständestaat und damit des Endes der Avantgarde in Wien. In den folgenden Jahren versuchte der Wiener immer wieder Auftraggeber für seine Reihenhaus-Projekte zu finden, frettete sich aber letztendlich als Vertreter für Luftmatratzen und Beleuchtungskörper durch. Nach dem Krieg plante und baute er noch einmal zwei Gemeindebauten - eingezwängt in das noch engere Normenkonzept dieser Zeit. 1957 starb er schließlich bei einem Autounfall - unverschuldet.
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Dienstag, 8. August 2006
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Links
nextroom-architektur - Die Welt und ihre Fugen (Artikel)
BDA Bundesdenkmalamt - Die Wohnmaschine
Zeit!Raum - Verein zur Förderung soziokultureller Arbeit
wien.at - Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung
Architektenlexikon - Anton Brenner