Theorien und Methoden der Psychologie

Psychologie ist keine Naturwissenschaft

Intelligenztests sind wahrscheinlich das bekannteste Instrument der Psychologie. Seit 100 Jahren forschen Psychologen über die Intelligenz und ihre Messung, aber bis heute sind sie sich nicht einmal darüber einig, was Intelligenz ist.

Was trägt zur Entwicklung der Intelligenz bei? Da wissen wir laut dem Mainzer Psychologen Manfred Velden nach Jahrzehnten von Forschung einige Faktoren, die eine Rolle spielen. Wir kennen allerdings keineswegs alle Faktoren. Und wir wissen auch nicht wie stark die Rolle der einzelnen Faktoren ist.

Der fatale Irrtum der Psychologie

Der fundamentale Irrtum der Psychologie liegt laut Velden darin, zu glauben, man könne Gesetze wie in der Physik aufstellen oder menschliches Verhalten vorhersagen wie Züchtungserfolge von Pflanzen.

Die Psyche, der Geist eines Menschen ist nicht ein einfaches Naturphänomen. Velden, der ein ganzes Forscherleben in der naturwissenschaftlichen, psychophysiologischen Grundlagenforschung verbrachte, stellt heute fest: Die Psychologie ist an ihrem Anspruch, eine Naturwissenschaft sein zu wollen, gescheitert. Ihre Forschungsergebnisse rechtfertigen diesen Anspruch nicht. Der Grund: Das menschliche Seelenleben, der menschliche Geist ist viel zu komplex, um ihn mit Gesetzesaussagen erfassen zu können.

Beispiel Zwillingsuntersuchungen

Zwillingsuntersuchungen zur Intelligenz würden zum Beispiel niemals den methodischen Ansprüchen einer quantitativen Genetik genügen können: "Man kann Zwillingsuntersuchungen machen und Geschwister hinsichtlich der Ähnlichkeit miteinander vergleichen, aber wir haben nicht die Möglichkeit, das experimentell zu kontrollieren, wie das in der Agronomie der Fall ist. Da kann man die Bedingungen, unter denen die Organismen aufwachsen, Pflanzen oder Tiere, kontrollieren. Deshalb kann man da das Instrument erfolgreich gezielt anwenden. Beim Menschen kann man es analog anwenden, aber die Bedingungen dafür sind .bei mentalen Eigenschaften beim Menschen nie erfüllt."

Psychisches kann nicht aus der Biologie erklärt werden

Velden wirft vielen Berufskollegen vor, einem Biologismus anzuhängen. Sie wollen Psychisches erschöpfend aus der Biologie erklären. Zum Beispiel wird vielfach behauptet, die Forschung sei nahe daran, psychische Prozesse auf der Ebene der Nervenzellen erklären zu können. Doch davon seien wir weit entfernt. Zwar wissen wir die Orte, an denen im Gehirn mentale Prozesse ablaufen, das wie dieser Prozesse aber kennen wir nicht einmal für die einfachsten Vorgänge der Wahrnehmung.

Auch die psychologische Theorie der Wahrnehmung, so Velden, könne bis heute nicht verbindlich alle Wahrnehmungsvorgänge erklären. Es gebe nur einzelne - und meist umstrittene - Theorien, die viele einzelne Phänomene erklären. Dem sollten die Wissenschaftler ehrlich ins Auge sehen.

Neue Wege der Psychologie

Für Velden heißt das nicht, empirische und experimentelle Methoden aufzugeben. Die Psychologie brauche empirische Daten, wenn sie Erkenntnisse sucht. Aber sie solle nicht glauben, ihre Daten seien so hart, dass sich daraus Gesetze oder eindeutige Vorhersagen ableiten lassen. Der Psychologe könne daher in der Praxis auch nicht einfach die Grundlagen seiner Wissenschaft anwenden, beim Praktiker zähle daher das er Intuition und Lebenserfahrung um gute Arbeit leisten zu können.

Daher solle man darüber nachdenken, wie die Psychologie in Theorie und Methoden dem hochkomplexen Gegenstand des menschlichen Seelen- und Geisteslebens besser gerecht werden kann.

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung "Dimensionen" vom Freitag, 4. August 2006, 19:05 Uhr zum Thema Psychologie nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipp
Manfred Velden, "Biologismus - Folge einer Illusion", Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 3899712005