Riten, Gebräuche und Landschaften

Die Mongolei

Der Bildband mit dem schlichten Titel "Die Mongolei" ist pünktlich zum 800-jährigen Gründungsjubiläum dieses Landes erschienen: ein Buch mit Impressionen von Bräuchen, Riten und mongolischen Festen, und natürlich immer wieder von Landschaften.

Die Mongolei ist ein großes Land, ein weites, dünn besiedeltes und vielfältiges, mit faszinierenden landschaftlichen Kontrasten: Da gibt es das zerklüftete Massiv des Altai, einer rund 2.000 Kilometer langen Gebirgskette im Grenzgebiet zwischen Sibirien, Kasachstan und China mit insgesamt sechs Viertausendern; die karge Region der Gobi mit Canyons, Wanderdünen und ausgetrockneten Bachbetten; oder die sanften Hügel bei Karakorum, jener Gegend der Mongolei, die die tierreichste - und die traditionsreichste ist.

Karakorum war die erste Hauptstadt des Mongolenreichs. Heute steht an der Stelle des einstigen, von den Chinesen zerstörten Dschingis-Khan-Palastes das im 16. Jahrhundert errichtete berühmte buddhistische Kloster Erdene Zuu. Gregor Schmid zeigt neben der Landschaft um Karakorum Aufnahmen der Klosteranlage, der archäologischen Ausgrabungsstätten, des Tempelmuseums mit seinen Buddhas und Glücksdrachen und der "Gelupga"-, der "Gelbmützentradition" des tibetischen Buddhismus.

Traditionelle Feste

Der Bildband dokumentiert auch das große Interesse des Fotografen an Feiern und Festen. Das bedeutendste Fest ist das so genannte "Naadam-Fest", ein großes Staatsfest mitten im Sommer, ursprünglich ein kämpferischer Wettbewerb unter den Soldaten des Kaisers. Noch heute misst man sich beim großen Spektakel des Naadam-Fests im Bogen- und im Knochenschießen, im Reiten und im Ringen.

"Da ist das alte Mongolei-Gefühl wieder", erzählt Gregor Schmid. "Die Endkämpfe können stundenlang dauern. Das ist etwas Asiatisches: den anderen nicht übertrumpfen, sondern warten, wann er Schwäche zeigt. Dieses Abwarten-können, mit dieser Konzentration, das ist etwas, das wir weniger kennen. Das ist asiatisch."

Gregor Schmids farbenfroher Bildband zeigt nicht nur stimmungsvolle, mitunter auch sehr plakative Landschaftsimpressionen - karge Steppen, saftige Wiesen, steile Gebirgskämme oder schroffe Felsformationen, er zeigt auch Leute und Gebräuche: ein Vater, der am Morgen vor dem Pferderennen seinen Sohn mit Weihrauch segnet und dessen Pferd mit Airak, der "Stutenmilch", begießt, was Glück bringen soll; ein Reiter, der mit der "Uurga", einer langen Holzstange mit Seilschlinge, Wildpferde einfängt; ein kasachischer Adlerzüchter im Altai-Gebirge, ein Ziegenhirte in der Gobi, Schlangentänzerinnen, Geigenbauer und Sängerinnen. Und nicht zuletzt zeigt Gregor Schmid Nomaden, die zwar heute auch schon über Handys und Lastwagen verfügen, was jedoch nicht als Indiz für wachsenden Wohlstand verstanden werden darf.

Kaum noch Nomaden

Die Mongolei ist ein armes Land, und ein Land im Umbruch. Das Bruttosozialprodukt des zweieinhalb Millionen Einwohner zählenden Staates beläuft sich auf gerade mal 430 US-Dollar im Jahr pro Kopf. Das ist weniger als ein Fünfzigstel von dem eines Österreichers und entspricht dem Niveau von Simbabwe oder Vietnam. Noch sind fast die Hälfte aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft tätig, doch die Landflucht hält an.

Die kalten Winter mit hohen Viehverlusten, Bodenerosionen und Überweidung und die relative Armut vieler Familien haben maßgeblich zur Aufgabe des Nomadenlebens beigetragen und die Zuwanderung nach Ulaanbaatar beschleunigt.

Dennoch zeigt sich der Autor optimistisch. "Die Mongolei ist ein weites Land mit jungen Menschen und einer großen Zukunft", sagt er am Ende seines Buches - und meint damit das zunehmende Bildungsniveau, die gesellschaftlichen Reformen und wachsende Exporte, von Gold, Erzen oder Wollprodukten. Aber auch der Fremdenverkehr ist ein expandierender Zweig.

Gefällige Momentaufnahmen

Das Mongolei-Buch von Gregor Schmid ist kein die mongolische Alltagsrealität widerspiegelnder Reportageband - und will dies auch gar nicht sein. Es ist in erster Linie eine Auswahl schöner Bilder zur Landschaft und Kultur eines Volkes, mit gefälligen Momentaufnahmen, denen man die Mühen ihrer Entstehung - fotografieren bei 40 Grad Kälte oder in staubigen Wüsten - nicht anmerkt, wohl aber die Neugier des Fotografen an dem ihm Fremden.

Doch nicht nur Exotismus und Folkore werden bedient. Mögen die Bilder von Tierskeletten, vom Brennholzsammeln, vom Schwarzmarkt in Ulaanbaatar oder primitiven Holzhüttensiedlungen am Rand dieser Stadt auch unter fotografischen Aspekten reizvoll sein, so zeigen sie doch auch - zwischen all den gängigen Bildbandmotiven - die Realität eines Landes, die alles andere als rosig ist. Den Erben Dschingis Khans stehen schwierige Zeiten bevor.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipp
Gregor M. Schmid, "Die Mongolei", Nymphenburger Verlag, ISBN 3485010731

Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung "Dschingis Khan und seine Erben - Das Weltreich der Mongolen", bis 1. November 2006, Renaissanceschloss Schallaburg,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (EUR 2,-)

Links
Mongolei online
Renaissanceschloss Schallaburg