Bogen von Populärem zu Neuem

61. Bregenzer Festspiele

Mit der Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis Oper "Troubadour" auf der Seebühne feiern die Bregenzer Festspiele ihren 60. Geburtstag. Für Intendant David Pountney haben Festspiele viel mit Liebe zu tun, wie er im Gespräch erzählt.

Intendant David Pountney über den 'Troubadour'

Wenn sich am 19. Juli 2006 der Vorhang für die 61. Bregenzer Festspielsaison hebt, werden sich die wenigsten Zuschauer an die Anfänge vor 60 Jahren erinnern. Damals, 1946, saßen die Besucher noch auf Bierbänken am Ufer. Mozarts Jugendwerk "Bastien et Bastienne" ging auf zwei Kieskähnen über die Bühne. Auf dem einem stand die Kulisse, auf dem anderen spielte das Orchester. 60 Jahre später stehen den Besuchern 7.000 bequeme Tribünenplätze zur Verfügung.

Seit 1988 werden als Gegengewicht zum Populären im Festspielhaus vergessene Opern neu inszeniert. 1998 erhielt das Festspielhaus eine Werkstattbühne. 2001 kam die zeitgenössische Sparte "Kunst aus der Zeit" (KAZ) hinzu. Herzstück der Festspiele bleibt jedoch das "Spiel auf dem See".

Alt-Bewährtes und neue Akzente

Der britische Regisseur David Pountney, seit 2004 Festspielintendant, führt Bewährtes fort und setzt neue Akzente. Der Eröffnung sieht er gelassen entgegen: "Dieses Jahr inszeniere ich nicht, insofern sind es für mich ruhige Festspiele. Es ist ein besonderer Rhythmus, Festspiele zu machen." Er vergleicht Festspiele mit Liebe: "Vielleicht ein sehr langes Vorspiel und dann eine kurze, hektische Aktion. Wir sind sehr gute Liebhaber, hier bei den Festspielen, wir machen ein sehr, sehr langes Vorspiel und kommen dadurch eigentlich wunderbar gut vorbereitet an die Aktionstage."

Der Eröffnungstag wird den ganzen Bogen zeigen, für den die Bregenzer Festspiele bekannt sind: Die Eröffnungsrede wird der Vorarlberger Schriftsteller Arno Geiger halten, der selbst 17 Jahre als Bühnenarbeiter bei den Bregenzer Festspielen beschäftigt war. Im neu umgebauten Festspielhaus werden als erstes Konzert um 18:00 Uhr die Wiener Symphoniker unter Fabio Luisi Mozart spielen - "natürlich dieses Jahr", so Pountney - und anschließend Haydns Nelson-Messe.

Um 21:00 Uhr folgt auf der Werkstattbühne der vollständige Orchesterzyklus "Spiegel" von Friedrich Cerha. "90 Minuten lang, 110 Musiker, ein Meilenstein in der modernen Musik Österreichs", ist Pountney begeistert.

Generalsaniertes Festspielhaus

Am 7. Juli erst wurde das um 40 Mio. Euro generalsanierte und modernisierte Bregenzer Festspielhaus wiedereröffnet. Vorplatz und Eingangsbereich, sowie der große Saal mit 1.690 Sitzplätzen wurden komplett renoviert. Der Umbau gelang zwar in nur zehn Monaten, trotzdem ist genau dieser Umbau der Grund, warum heuer im Festspielhaus keine neue Oper zu sehen sein wird. "Wir haben uns nicht getraut, mit einer neuen Oper im Festspielhaus anzufangen", erzählt Pountney, "da hätte mitten in einer Baustelle geprobt werden müssen."

Sound-System wie im Kino

Nicht nur das erneuerte Festspielhaus spielt alle Stückerln, auch die Seebühne bietet neue elektronische Schmankerln. Bühne und Zusehertribüne werden aus Hunderten Lautsprechern so raffiniert beschallt, dass man vom "Richtungshören" zum "Raumklang" unterwegs ist.

"Wir haben ein neues Sound-System in Bregenz entwickelt, das hat das Potenzial, das neue Dolby zu werden", meint Pountney. "Es war ursprünglich für Kinoräume gedacht. Hier versucht man, diesen Raum über 7.000 Leute an der Freiluft zu spannen, was eine unglaublich spannende technische Entwicklung ist. Dieses System kann mehr als passiv sein, sodass der Ton - wie Licht und Kostüme - seine eigene Bedeutung haben wird."

Mit Feuer oder Herz?

Der "Troubadour" zog im vergangenen Sommer 170.000 Besucher an. Regisseur Robert Carsen und Bühnenbildner Paul Steinberg haben die Geschichte um Rache, Eifersucht und Brudermord in eine spektakuläre Ölraffinerie verlegt. Premiere der zweiten Saison ist am 20. Juli. Bis zum 20. August sind 23 Vorführungen geplant.

Das Libretto des "Troubadour" beinhaltet sehr viele Ideen, die eigentlich immer noch aktuell sind, meint Pountney. Dieser Zwist zwischen den Zigeunern und den Aristokraten, also zwischen Arm und Reich existiert heute nach wie vor. "Leute klopfen an unsere (Anm.: Europas) Türen, wollen einen Teil der schönen Privilegien, die wir noch haben. Wie wir diesem Klopfen antworten, ist eine sehr interessante Frage. Im 'Troubadour' ist es teilweise mit Feuer. Wollen wir diesem Klopfen mit Feuer antworten oder mit Herz?"

Weitere Programm-Schwerpunkte

Als Operette am Kornmarkttheater wird Jacques Offenbachs "Blaubart" gespielt. Die Oper im Festspielhaus besteht aus drei Werken des französischen Komponisten Claude Debussy: Zu sehen sein werden erstmals Debussys neu vollendete Oper "Der Untergang des Hauses Usher" nach Edgar Allan Poes gleichnamiger Kurzgeschichte, sowie die beiden Ballette "Jeux" und "Prélude à l'après-midi d'un faune".

Die Orchesterkonzerte der Wiener Symphoniker und des Symphonieorchesters Vorarlberg bieten unter dem Motto "Heimat bist du..." Werke österreichischer Komponisten, sowie bei "Hollywood am See" Filmmusik made in Austria.

Auch auf der Programmschiene "Kunst aus der Zeit" geht es um die Musik- und Kulturlandschaft Österreich. Highlights sind neben Cerhas "Spiegel" die Uraufführung des Stücks "wo du nicht bist", dem jüngsten Werk der Berliner Theatertruppe Nico and the Navigators, sowie die Weltpremiere von "Radek", der neuen Kammeroper des Vorarlberger Komponisten Richard Dünser. Und das Hamburger Thalia Theater gastiert erstmals seit 2003 wieder mit einer Premiere: "Die Präsidentinnen" des österreichischen Dramatikers Werner Schwab.

Mehr zur Eröffnungsrede von Arno Geiger in oe1.ORF.at und zu allen Ö1 Übertragungen von den Bregenzer Festspielen in Ö1 - Der Festspielsender

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung "Von Tag zu Tag" mit dem Interview mit David Pountney vom Dienstag, 18. Juli 2006 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

TV-Tipp
Eröffnung der Bregenzer Festspiele, Mittwoch, 19. Juli 2006, 12:00 Uhr, ORF 2

Veranstaltungs-Tipp
61. Bregenzer Festspiele, Mittwoch, 19. Juli bis Sonntag, 20. August 2006, verschiedene Veranstaltungsorte,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (10 Prozent Ermäßigung beim Spiel auf dem See und in der Oper).

Link
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