Schriftsteller, Journalist und Librettist
Amin Maalouf
Amin Maalouf, in Frankreich lebender Journalist, Schriftsteller und Librettist ist einer der zentralen Künstler bei New Crowned Hope. Maalouf arbeitet mit der Komponistin Kaija Saariaho an einer Oper über die französische Philosophin Simone Weil.
8. April 2017, 21:58
Amin Maalouf über Simone Weil
Ein zentraler Künstler beim Wiener Mozart-Festival New Crowned Hope ist der aus dem Libanon stammende und in Frankreich lebende Journalist, Schriftsteller und Librettist Amin Maalouf, sagt Festivalleiter Peter Sellars. Maaloufs Essayband über die "mörderischen Identitäten sei wohl nach wie vor das wichtigste Buch, wenn es um die Zukunft Europas geht, so Sellars.
"Amins Buch zeigt, dass Afrika in Wien ist und Wien in Afrika. Wir leben nicht mehr in den Grenzen der alten Welt", meint Sellars. "Unser aller Leben hat so viele Niveaus, Identitäten und Kulturen." Das sei so spannend am 21. Jahrhundert, dass China nicht mehr nur in China sei.
Geboren in Beirut
Amin Maalouf wurde in Beirut geboren, ist studierter Soziologe und arbeitete lange Jahre als Journalist für libanesische Tageszeitungen. Die internationalen Konflikte kennt er aus eigener Anschauung. Er berichtete aus dem Iran, aus Indien und vom Vietnamkrieg. Den Beginn des blutigen und verheerenden Bürgerkriegs im Libanon am 13. April 1975 erlebte er hautnah.
Seine Frau holte ihn vom Flughafen ab, erinnert sich Maalouf, sie fuhren nach Hause und etwa drei Stunden später hörten sie Lärm: "Ein Autobus lag umgekippt da, es gab eine Schießerei und innerhalb von zwanzig Sekunden lagen Leichen auf der Straße. Das war der Beginn des Bürgerkriegs im Libanon."
Das Zentrum Beiruts wurde zerstört, und auch die Atmosphäre von früher gibt es nicht mehr. Das, sagt Maalouf, sei noch schlimmer als die äußere Zerstörung.
Seine wichtigsten Bücher
Seither beschäftigt sich Amin Malouf intensiv mit der Geschichte des arabischen Raums. Am bekanntesten ist wohl sein Buch über den "Heiligen Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber. Aber auch seine unzähligen Romane, etwa "Leo Africanus" oder "Die Reisen des Herren Baldassare" sind meist historischer Natur.
Skepsis trotz Hoffnung im Libanon
Auch wenn es derzeit im Libanon ein Fünkchen Hoffnung gibt - der Prix-Goncourt-Preisträger Amin Maalouf bleibt skeptisch: "Das letzte Jahr war politisch wichtig in meinem Land. Angefangen von den Attentaten, vor allem auf den früheren Premierminister Hariri, bis zu der Volksbewegung, die mit internationaler Unterstützung zum Rückzug Syriens führte, ein Wunsch vieler Libanesen, denn in dieser Periode war das soziale und politische Leben einer starken Regression unterworfen."
Arbeiten als Librettist
Amin Maouf ist aber nicht nur ein scharfer Beobachter des Geschehens im Nahen Osten, er macht es auch immer wieder zum Schauplatz seiner Erzählungen. Mit der finnischen Komponistin Kaija Saariaho hat er für die Salzburger Festspiele das Libretto zu "L'amour de loin" geschrieben, das Peter Sellars inszeniert hat. Mit Sellars und Saariaho hat er im vergangenen Frühling dann eine weiteres Werk an Mortiers Pariser Oper erfolgreich uraufgeführt: "Adriana Mater.
Für New Crowned Hope arbeiten die drei an einer Oper über die französische Philosophin Simone Weil, La Passion de Simone. Simone Weil war eine Einzelkämpferin für Gerechtigkeit und Wahrheit, die 1943 in einem kleinen englischen Krankenhaus am Hungertod starb, weil sie sich weigerte, mehr zu essen als ihre Verwandten in den Todeslagern der Nazis.
"Fast pathologischer Altruismus"
"Simone Weil hat eigentlich keine Bücher geschrieben, nur Hefte, die erst nach ihrem Tod von anderen herausgegeben wurden", erzählt der Autor. "Man kann sie also nicht durch ihre drei Hauptwerke kennen lernen wie andere Philosophen. Das Interessante an ihr ist ihr Leben als Individualistin, die von einem fast pathologischen Altruismus erfüllt war."
Für Amin Maalouf ist Simone Weils Blick auf die Welt heute besonders wichtig: "Wir leben in einer richtungslosen, etwas verlorenen Welt. Man weiß nicht, wohin wir steuern, wie wir uns organisieren sollen. Simone Weil hat ihr Schreiben vor ihrem frühen Tod mit 38 Jahren abgeschlossen - da ist sie übrigens Mozart ähnlich. Aber sie sah das Risiko von Nazismus und Stalinismus gleichermaßen klar und die essentiellen Fehler auch der demokratisch organisierten Industriegesellschaften, die weit davon entfernt sind, ein menschliches und vermenschlichendes Klima zu erzeugen."
Mehr zu Mozart 06 in oe1.ORF.at
Veranstaltungs-Tipp
New Crowned Hope, 14. November bis 13. Dezember 2006,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (15 Prozent).
Links
Calling Mozart - Station 44: Neugekrönte Hoffnung
Wiener Mozartjahr 2006 - New Crowned Hope
arte - Amin Maalouf im Interview, Videoausschnitte
Suhrkamp - Amin Maalouf
dtv - Amin Maalouf
Wikipedia - Amin Maalouf
Wikipedia - Simone Weil
Amin Maalouf - Private Website
Kaija Saariaho
Académie Goncourt
New Crowned Hope